Neymar in Paris:Bei PSG verpufft der Glamour

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Wer hört auf wen? Thomas Tuchel (links) muss den launischen Neymar vorerst weiter anleiten, obwohl der Brasilianer Paris verlassen möchte. (Foto: Franck Fife/AFP)
  • Geht Neymar? Oder bleibt er bei Paris Saint-Germain? Das sind im Moment essentielle Fragen für den französischen Klub.
  • Bei PSG hält den brasilianischen Angreifer niemand zurück.
  • Sein Verhältnis zu Sportdirektor Leonardo ist mehr als unterkühlt.

Von Oliver Meiler

Im Pariser Prinzenpark haben sie eine neue Lounge eingerichtet, gleich am Ende des Korridors, der die Spieler zum Rasen bringt, sehr exklusiv. Wer da drinsitzt, der kann den Fußballern live dabei zusehen, wie sie die Muskeln dehnen, an der Haarpracht zupfen, ihrem Aberglauben frönen, manchmal auch ihrem Glauben, sich gegenseitig motivieren, necken, herzen. Wie viel der Spaß kosten soll, weiß die Zeitung Le Parisien nicht, wahrscheinlich eine ganze Menge. Dabei ist nicht einmal klar, ob sich das Spektakel, das da künftig geboten wird, auch lohnt. Es hängt auch vom Prominenzfaktor des Personals ab.

Geht Neymar? Bleibt er? Man sollte Hamlet nicht allzu oft bemühen, schon gar nicht profan, aber in diesem Fall ist das Gehen oder Bleiben eben alles: Sein oder Nichtsein. Frankreichs Vereinsfußball tritt in eine neue Saison, und vielleicht ist es auch schon wieder eine neue Ära. Wegen dieser einen Personalie.

Genug vom Glitter und Glitzer in Paris? Neymar mit den Kollegen Kylian Mbappe (l.) und Marco Verratti (r.) nach dem Sieg im französischen Supercup gegen Stade Rennes. (Foto: Franck Fife/AFP)

Geht Neymar Júnior weg, was er weltbekannterweise unbedingt tun will, dann verlieren der Meister Paris Saint-Germain und die gesamte Ligue 1 , die an diesem Wochenende wieder beginnt, ihre internationale, erst vor zwei Jahren für 222 Millionen Euro erkaufte Strahlkraft. Ihre Ikone, ihre stürmende Litfaßsäule, den inkarnierten Glamour - und ein paar Hundert Millionen Euro für Fernsehrechte, die nur deshalb fließen, weil der Brasilianer Neymar zuweilen etwas "Jogo bonito" aufführt, den Fußball, der fröhlich macht. Das kam zwar zuletzt nicht mehr sehr oft vor, doch damit macht die Liga Werbung für sich. Muss "Ney" aber bleiben, weil sich sein Gehen kein neuer Klub leisten kann, dann ist das auch Drama. Seine Lustlosigkeit in den Trainings von Paris ist so augenfällig, dass nur wenig zum Streik fehlt. Am liebsten würde er wohl nie mehr für PSG spielen. In ein paar Wochen endet der Transfermarkt.

Bei PSG hält Neymar niemand zurück

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Neymar will am liebsten dahin zurück, wo er schon mal war: zum FC Barcelona. Doch wollen ihn die Katalanen überhaupt? Er war 2017 ja nicht im Guten gegangen. Außerdem hat Barça ausgerechnet in der Offensivabteilung ein Übermaß an herausragenden Angestellten, nach der Verpflichtung von Weltmeister Antoine Griezmann (von Atlético Madrid) sowieso. So zirkuliert nun das Gerücht, die Neymars, Senior und Junior, seien bereits länger in Verhandlungen mit Real Madrid. Die katalanische Zeitung Sport berichtet, Florentino Pérez, Reals Präsident, habe Paris 120 Millionen Euro angeboten für Neymar - plus Weltfußballer Luka Modric, im Tausch.

Natürlich ginge es bei diesem Real-Deal nicht nachrangig darum, dem Rivalen Barça eins auszuwischen. Oder ist es anders: Versuchen die Neymars nur, Barcelona zum Handeln zu drängen, und drohen deshalb mit Real? Es wäre nicht das erste Mal. Und vielleicht klappt es sogar. Gérard Piqué jedenfalls versprach dem einst Weggegangenen eine Menge offener Arme in der Umkleide, sollte er zurückkommen.

Bei PSG hält Neymar niemand zurück, zumindest keiner der maßgeblichen Funktionsträger. "Wenn ein Spieler einen Verein verlassen will, ist das der normale Gang der Dinge", sagte Leonardo, der alte und wieder neue Sportdirektor - recht unromantisch. Er ist Brasilianer wie Neymar, die beiden ignorieren sich aber demonstrativ. Neulich umarmte Leonardo nach dem Training alle Spieler ganz innig, einen nach dem anderen. Nur Neymar nicht.

Leonardo, heute 49, spielte in den Neunzigern mal eine Saison für PSG. Als vor acht Jahren der Emir von Katar den Verein kaufte, um seine Soft Power auszubauen und mit Paris zu prahlen in der Welt, vertraute er dem Ehemaligen die sportliche Verantwortung an. Von Fußball verstanden die Katarer selbst nicht so viel. In zwei Jahren gelang es Leonardo, etliche große Namen nach Paris zu holen, die "le foot", wie die Franzosen ihren Fußball nennen, vorher für eine unattraktive Provinzbrache hielten. Die Katarer lockten mit viel Geld und der unerhörten Ambition, binnen kürzester Zeit den europäischen Fußball zu erobern. Fünf Jahre würden reichen, dann werde man die Champions League gewonnen haben, sagte damals Nasser al-Khelaifi, der Präsident des Klubs, ein Freund des Emirs und ehemaliger Tennisprofi, einst die Nummer 995 der Welt. Wer will da also nicht hin? Auch Neymar sagte sich wohl, dass ihm den Ballon d'Or für den Weltfußballer niemand mehr würde nehmen können, wenn er mit Paris mal alles gewinnen würde. Mit Paris!

Es ist anders gekommen. Das katarische PSG hat es in acht Jahren nie weiter als bis ins Viertelfinale der Königsklasse geschafft. In den vergangenen zwei Jahren war schon im Achtelfinale Feierabend, und das mit Neymar, Gianluigi Buffon und Kylian Mbappé, dem Wunderkind des "foot". Und mit Thomas Tuchel als Trainer. Die Enttäuschung ist groß, Leonardo soll nun Struktur und Disziplin einbauen. Alle stehen auf dem Prüfstand, auch Tuchel.

In Italien, wo Leonardo lange aktiv war und beste Verbindungen hat, glaubt man zu wissen, dass der deutsche Coach bis zum Winter Zeit habe, sich zu beweisen. Im anderen Fall stehe Massimiliano Allegri bereit, der bisherige Meistertrainer von Juventus Turin, der nun eine schöpferische Pause einlegt. Paris mag nicht mehr länger warten auf den großen Erfolg.

Neymar widerspricht den Berichten

Bei Neymar wuchs wohl zuletzt die Erkenntnis, dass er in Paris die besten Jahre seiner Karriere vertrödelt. Um seinen Weggang zu legitimieren, erzählt er jetzt, der Verein wolle über klubnahe Meinungsmacher, Journalisten und Blogger seinen Ruf mit angeblich unwahren Gerüchten über Privilegien und Macken ruinieren. Es sei zum Beispiel nicht wahr, dass er darauf gedrängt habe, eher am Nachmittag zu trainieren als am Morgen. Auch seine Reisen nach Brasilien: alles abgesprochen mit der Vereinsleitung. Neymar ist es eben nicht so gewohnt, dass man ihn kritisiert. Es hieß auch schon, dass er die Jungen im Team von oben herab behandle und mit den anderen Brasilianern einen Clan bilde.

In Doha hat man sich das etwas anders vorgestellt. Die Zeitung Le Monde versuchte nun, mit dem Präsidenten zu reden: über Neymar, über die plötzliche Bescheidenheit bei Neuverpflichtungen, über die Ziele des Klubs. Doch al-Khelaifi trägt den gar nicht so charmant gemeinten Spitznamen "Patron fantôme", Chefgespenst. Nie ist er im Büro, immer ist er unterwegs: China, Hollywood, Amerika. Al-Khelaifi ist das lachende Gesicht Katars, nicht nur für den Fußball. Da er aber doch alles selber entscheiden möchte bei PSG, türmen sich in Paris die unerledigten Geschäfte.

Manchmal, schreibt Le Monde, werden auch Rechnungen für Hunderttausende Euro über Monate nicht bezahlt. Einmal, als PSG auf Tour war, blieb der Privatjet, der die Spieler zurückbringen sollte, stundenlang auf der Piste stehen. Die Firma verlangte die Zahlung des Treibstoffs vorab, dann erst gab sie dem Piloten das Okay.

Alles gar nicht so glamourös, wie es der Schein vermuten ließe. Und sollte nun auch noch Neymar fortgehen, wer bucht dann die neue Lounge?

© SZ vom 09.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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