Nadal gegen Djokovic bei den French Open:Unvergessliches Duell von Mai bis in den Juni

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Sie spielen bis in den nächsten Monat: Rafael Nadal besiegt in einem epischen Tennismatch seinen großen Rivalen Novak Djokovic im Viertelfinale und lässt sich spät in der Nacht ekstatisch feiern - anschließend üben beide Kritik.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Novak Djokovic war sofort vom Platz gerauscht, als eiligst das Mikrofon in Position gebracht wurde. Sein Gegner war noch nicht ganz fertig mit den Verpflichtungen in dieser Nacht, aber das machte ihm sicher kaum etwas aus, im Gegenteil. Es gibt wenig, das Rafael Nadal so schlecht kann wie Französisch, nur: Er spricht wahnsinnig gerne Französisch. Zumindest wenn es sich um eine Siegerrede handelt. Dann stellt er sich tapfer hin und versucht vor 15 000 Zuschauern, seine Botschaft zu übermitteln.

"Bonsoir", sagte er also, so höflich ist dieser Nadal wirklich. Erst quält er sich zusammen mit Djokovic über 4:12 Stunden lang, und als Erstes begrüßt er nach seinem 6:2, 4:6, 6:2, 7:6 (4)-Erfolg dann alle mit "guten Abend". Als hätten die 15 000 im mächtigen Stadion namens Court Philippe Chatrier nicht diesem Spektakel beigewohnt, das sich nun einreiht in die Liste der unvergesslichen Duelle zwischen dem Spanier und dem Serben. Vor einem Jahr, damals im Halbfinale, hatte Djokovic gesiegt. Nun setzte sich im 59. Zweikampf der beiden Nadal durch. Es war diesmal das Viertelfinale, in der nächsten Runde wartet auf den 35-Jährigen nun der Deutsche Alexander Zverev, der ähnlich spektakulär zuvor gegen den 19 Jahre alten Spanier Carlos Alcaraz gewonnen hatte.

"Das ist sehr emotional", hob Nadal auf Französisch an, "merci, merci und merci an alle, es ist unglaublich." Solche Sätze kann er hier im Schlaf aufsagen. Das sollte man wohl auch erwarten bei jemandem, der 13 Mal bei diesen French Open triumphiert hat.

Zäh wie immer, auch wenn er zuletzt mal wieder akute Fußprobleme hatte: Rafael Nadal. (Foto: Clive Brunskill/Getty)

Die Stimmung war von Beginn an knisternd. Diese typische Stille, die stets dann herrscht, wenn einer kurz davor ist aufzuschlagen, wurde pausenlos von Zwischenrufen zerschnitten. Alle waren aufgeregt. Oben auf den Rängen sorgte eine Blaskapelle für zünftige Klänge, mehrheitlich wurde immer wieder "Rafa, Rafa" gerufen, die "Nole, Nole"-Rufe hatten es etwas schwer durchzudringen. Aber auch Djokovic hatte natürlich seine Fans.

Als die Mitternachtsstunde überschritten wurde, hatten sich bereits einige Zuschauer in den unteren Boxen in blaue Decken gehüllt, es war kalt geworden - ein Grund, warum die nächtlichen Duelle nicht die größte Wertschätzung bei jenen Profis genießen, die für diese in Frage kommen. Auch Djokovic und Nadal hatten nicht frohlockt, als sie zu ihrer Haltung hinsichtlich eines Night-Matches befragt worden waren. Nadals Trainer Carlos Moya machte sogar deutlich, Roland Garros hätte den Wunsch des 13-maligen Siegers auf eine frühere Ansetzung mehr respektieren müssen.

Nadal und Djokovic üben Kritik an der späten Ansetzung - "das Fernsehen entscheidet"

Es half nichts. Das Fernsehen war mächtiger als Nadal, denn die Rechte für die Übertragungen der zehn Night Sessions liegen bei Amazon Prime, und logischerweise stellte der Sender das stärkste Duell am Dienstagabend in sein Schaufenster. So kam es, wie es irgendwie immer kommt: Es folgte eine Partie, die wieder mal außergewöhnlich war.

In Melbourne bei den Australian Open hatten die beiden vor zehn Jahren eines der längsten Matches der Tennisgeschichte ausgetragen, am Ende, als Djokovic gesiegt hatte, blieb die Uhr bei 5:53 Stunden Spielzeit stehen. In Paris hatte ihr längstes Duell bislang 4:37 Stunden gedauert, 2013 siegte Nadal im Halbfinale 9:7 im fünften Satz. Aber von Mai bis Juni hatten die beiden noch nie gekämpft. Genau das passierte nämlich diesmal - sie begannen ihr Match am 31. Mai um 21.03 Uhr, und es endete am 1. Juni um 1.15 Uhr. Spielzeit: 4:12 Stunden. Die wahren Tennis-Aficionados sagen da natürlich: 26 Minuten mehr hätten sie schon noch draufpacken können, um die Marke aus 2013 zu überbieten.

Da geht er dahin: Während Rafael Nadal noch langsam seine Siebensachen packt, macht sich der enttäuschte - und enttäuschende - Titelverteidiger Novak Djokovic vom Acker. (Foto: Clive Brunskill/Getty Images)

Die einzelnen Sätze lesen sich vom Ergebnis her gar nicht einmal so unglaublich lang. Aber sie waren es. Der erste Satz: 6:2 an Nadal. Spieldauer: 51 Minuten. Der zweite Satz hatte die Spielfilmlänge eines frühen Woody-Allen-Pointenfestivals, 87 Minuten, 6:4 für Djokovic, obwohl er 0:3 hinten lag. Allein das Aufschlagspiel Nadals beim 3:2, das er dann verlor, ging über 17 Minuten und sieben Mal Einstand. Satz drei war der Quickie dieser Nacht, 45 Minuten und 6:2 für Nadal. Djokovic war dann im vierten Satz auf Kurs, ihn zu sichern, er führte 5:2, bei 5:3 schlug er zum Satzgewinn auf. Zwei Satzbälle hatte er, er vergab sie, weil er taktische Fehler beging - und Nadal war auf einmal kaum zu stoppen. 5:6 lag er zurück, dann holte der Spanier elf von zwölf Punkten.

Im Tie-Break führte Nadal 6:1, Djokovic kam etwas heran, aber mit einer Rückhand die Linie entlang besiegelte Nadal den Sieg, der sich vom Publikum ekstatisch feiern ließ. Djokovic war direkt vom Platz zur Pressekonferenz gegangen, er lobte Nadal, er sei "in den entscheidenden Momenten besser" gewesen. Lange dauerte sein Vortrag nicht, er war enttäuscht und nicht gut gelaunt, gab sich aber professionell. Nur eine Kritik wurde er schon los: "Ich denke, sie starten zu spät, ehrlich gesagt", sagte er kurz angebunden zur Terminierung der Nachtpartien. "Das Fernsehen entscheidet. Das ist die Welt, in der wir leben." Die Sender würden eben "das Geld geben".

Nach dem Turnier will Nadal etwas zu sich und seinem Fuß sagen

"Das Publikum war einfach wundervoll seit Beginn des Turniers", sagte Nadal dann noch später in der Nacht und merkte an: "Wahrscheinlich wissen sie, dass ich nicht mehr allzu oft hier sein werde." Da schimmerte Endzeitstimmung bei Nadal durch. Wie er den Sieg geschafft habe, trotz seiner chronischen Fußbeschwerden, die ihn beim Turnier in Rom zuletzt schwer humpeln ließen, wollte er nicht in diesem Augenblick erklären. "Es ist nicht der Moment, darüber zu reden." Man konnte es aber sehen, Ende des zweiten Satzes, als er seiner Entourage ein Zeichen gab, das fast wie die Ankündigung einer Aufgabe aussah. Aber Nadal gibt nicht auf - und nach einer Pause vor Satz drei lief er wieder wie ein Karnickel über den Platz.

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Nach den French Open wolle er dazu etwas sagen, kündigte der Spanier an. Die Sicht Djokovics zur späten Ansetzung indes teilte er. Das Match selbst wollte er nicht ganz vorne in der ewigen Rivalität der beiden einreihen. "Es war nur ein Viertelfinale, nicht das Finale, das ist der Unterschied", sagte er. "Aber es war immer noch ein super Klassiker und in einem großen Rahmen."

Nadal hat noch etwas vor in Paris, zweifellos. Aber auch Alexander Zverev hat das. Er erreichte mit einem furiosen 6:4, 6:4, 4:6, 7:6 (7) gegen Carlos Alcaraz wie 2021 die Runde der letzten vier. Am Freitag, Nadals 36. Geburtstag, spielen sie um den Finaleinzug. Immerhin: Dann wird es keine Night Sessions mehr geben. An diesem Mittwoch findet die letzte Spätvorstellung dieser French Open statt, der Däne Holger Rune, 19, und der Norweger Casper Ruud, 23, bestreiten das Duell.

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