Neulich ist Pep Guardiola fremdgegangen. Zwar arbeitet er nach gesicherten Erkenntnissen immer noch als Trainer in der Bayern-Familie, aber das hielt ihn nicht davon ab, der Scouting-Abteilung des Deutschen Fußballbundes (DFB) ein paar Dienste zu erweisen. Guardiola hatte aus nächster Nähe Informationen gesammelt und vom Spielfeldrand erst dem Mittelfeldspieler Joshua Kimmich zugeschaut und dann Julian Weigl, ebenfalls Mittelfeldspieler. Kimmich (20) und Weigl (20) zählen zur Gattung der sogenannten "Sechser", einer Spezies mit Zukunft.
Weil sie als besonders entwicklungsfähig gelten und im van Gaalschen Sinn auch gut "fußballen" können, gelten sie als Lieblingswesen von Guardiola. Sein Scouting-Bericht zu Kimmich fiel so aus: "Jogi Löw hat eine neue Option. Ich bin mir sicher: Er wird früher oder später Nationalspieler." Das sagte Guardiola nach dem 5:0 der Bayern gegen Dinamo Zagreb. In der Zentrale der Bayern hatte Kimmich zum wiederholten Mal eine sehr ordentliche Rolle gespielt - oder wie Guardiola blumig formulierte: "Er hat Wahnsinn gespielt", dieser Kimmich sei eine "Wahnsinnsinvestition in die Zukunft".
"Ich kannte ihn nicht", sagt Guardiola
Der Münchner mit dem Bubengesicht verkörpere "absolut alles, was ein Fußballer braucht. Er ist sehr intelligent, sehr aggressiv gegen den Ball, gut im Umschalten, kopfballstark, hat gute Augen, sieht sehr gut, wo freier Raum ist. Er ist ein wahnsinniger Spieler." Ähnliche Heldentaten bescheinigte Guardiola auch Weigl, den er beim Spiel gegen Dortmund live vor sich herumwuseln sah. Auf der Kommandobrücke des BVB hatte der viele kluge Dinge vollbracht, die nach dem 1:5 seiner Dortmunder natürlich ein wenig untergingen.
"Ich bin von ihm begeistert. Ich kannte ihn nicht", musste Pep G. zugeben - dabei hatte Weigl jahrelang beim Stadtrivalen 1860 München gespielt. "Er bringt fußballerisch alle Voraussetzungen mit. Er ist sehr wichtig für Dortmund, ohne ihn würde es für Dortmund anders aussehen. Genauso wie Kimmich wird er auch irgendwann Nationalmannschaft spielen." Von Pep Guardiola kennt man solche Schwärmereien, aber dass der Bayern-Coach dem Bundestrainer gleich zwei deutsche Mittelfeldmänner so anpreist, ist doch neu.
Mit Löw verbindet Guardiola die Sehnsucht nach der Neuerfindung des Spiels. Lösungen finden, den Gegner sezieren, Ballbesitz - das ist ihr Forschungsgegenstand. Insofern ergibt es Sinn, dass sich beide für die Protagonisten jener Position erwärmen, die in der Moderne des Fußballs als bedeutsamste gilt: die Sechserposition. Noch haben Weigl und Kimmich von Löw keine Einladung für die Nationalelf erhalten, sie kommen gemeinsam ja auch erst auf zwölf Bundesliga-Einsätze - Kimmich spielte einmal über 90 Minuten. Und doch stehen sie stellvertretend für einen Trend, der dem Sechserland Deutschland bald noch mehr DFB-taugliche Jungprofis bescheren könnte.
Auf keiner Position schwappt der Talentpool derart über, nirgends kann Löw so viel tüfteln. Neben den Etablierten um Toni Kroos, 25, Bastian Schweinsteiger, 31, Sami Khedira, 28, und Ilkay Gündogan, 24, steht ihm auch eine Gruppe Zweitsechser zur Verfügung: In ihr warten diverse Benders, beide 26, Christoph Kramer, 24, Sebastian Rudy, 25, Emre Can, 21, und Leon Goretzka, 20, auf ihre Chance. Besonders letzterer hat es dem Trainerteam des DFB angetan - ihm vermieste im vergangenen Sommer erst erhebliches Verletzungsunglück die WM-Teilnahme.