Die Pfiffe und Buhrufe der Fans von Manchester United waren nicht zu überhören. Das Missfallen über die Auswechslung des im Sommer verpflichteten Mittelstürmers Rasmus Höjlund (75 Millionen Euro von Atalanta Bergamo) im Premier-League-Heimspiel gegen Brighton & Hove Albion nach etwa einer Stunde schien sogar deutlich lauter auszufallen als später der Jubel über das Anschlusstor von Hannibal Mejbri. Allerdings ließ sich der Unmut des United-Stammpublikums in diesem Moment nicht recht zuordnen: Richtete sich die Empörung gegen den zuletzt angeschlagenen Höjlund? Den formlosen und trotzdem eingewechselten Ersatzspieler Anthony Martial? Gegen Trainer Erik ten Hag, das Spiel, den missratenen Saisonstart - oder ganz allgemein gegen den unter der Besitzerfamilie Glazer immer weiter abstürzenden Verein?
Das Bedenkliche an den Protesten im Old Trafford am Samstag war, dass sie nicht mal mehr originell sind. Ebenso wenig wie das 1:3 (0:1) im Duell mit dem smarten Brighton, das nun das vierte Ligaspiel in Serie gegen United gewonnen hat. Die Torschützen hießen Danny Welbeck, Pascal Groß und João Pedro. Durch die dritte Niederlage im fünften Ligaspiel - eine solche Bilanz ist dem Rekordmeister in der Premier-League-Ära nie zuvor widerfahren - beträgt der Rückstand auf den an der Tabellenspitze dauersiegenden Stadtnachbarn City (3:1 bei West Ham) schon neun Punkte.
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Die Leitmedien in England rechneten dem steinreichen United amüsiert vor, dass die Brighton-Startelf insgesamt nur etwa 17 Millionen Pfund Ablöse gekostet habe - in etwa so viel, wie ein Spitzenverdiener bei United pro Saison kassiert. Dieser trüben Bilanz hielt der Trainer ten Hag entgegen, dass Brighton ebenfalls sehr viel Geld ausgebe. Seine wichtigste Botschaft vor dem Champions-League-Auftakt beim FC Bayern am Mittwoch: Die Mannschaft müsse jetzt Charakter, Glaube, Entschlossenheit und Widerstandskraft zeigen. Nur, wie soll das gelingen? Zumal es dem Klub genau an jenen Eigenschaften schon seit vielen Jahren mangelt?
Innerhalb eines Monats hat United drei Spieler aus dem Profikader gestrichen
Zur Wahrheit gehört, dass ten Hag als Trainer die allgemeine Konzeptlosigkeit nicht zu verantworten hat. Vor ihm haben sich im Post-Alex-Ferguson-Zeitalter schon andere renommierte Angestellte bei United vergeblich abgemüht. Jedes neuerliche Scheitern verschärfte dabei den Eindruck, dass ein Trainer allein die Führungslosigkeit der Fußballabteilung rund um die berüchtigt unwissenden Glazer-Geschwister nicht wird beheben können. Trotzdem verzichtete ten Hag darauf, seine Anstellung im Sommer 2022 an die Verpflichtung kompetenter Mitstreiter im Management zu knüpfen - obwohl der zuvor als Interimstrainer tätige Ralf Rangnick (inzwischen österreichischer Nationaltrainer) zuvor zum Beispiel seine Bereitschaft für ein solches Engagement signalisiert hatte.
Offensichtlich schien ten Hag von seinen Trainer-Fähigkeiten damals sehr überzeugt gewesen zu sein. Schon in seiner ersten Saison musste er dann jedoch mehrere kritische Situationen überstehen, wie eine 0:4-Pleite in Brentford und später ein 0:7-Debakel beim FC Liverpool. Mit versiertem Coaching gelang es ihm jeweils, die Skepsis der Öffentlichkeit zu widerlegen. Auch, indem er mit seinem Team im Februar überraschend den League Cup gewann.
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Aber die wiederkehrenden Krisen griffen seine Autorität zunehmend an. Und weil ihm aus dem Klub niemand öffentlich zur Hilfe kommt, wirkt es derzeit so, als wäre der Niederländer in dieser angespannten Lage ziemlich auf sich allein gestellt; konfrontiert mit altbekannten Schwierigkeiten, die insbesondere aus einer missglückten Transferpolitik resultieren.
Innerhalb eines Monats hat Manchester United drei Spieler aus dem Profikader gestrichen: Zuerst legte der Klub im August eine weitere Zusammenarbeit mit dem einst aufgrund versuchter Vergewaltigung angeklagten Angreifer Mason Greenwood auf Eis; dann beurlaubte der Verein vor zwei Wochen den Flügelspieler Antony bis auf Weiteres, der von mehreren Frauen der Körperverletzung beschuldigt wird; am Donnerstag erklärte United, dass Jadon Sancho (der als viertteuerster United-Transfer im Sommer 2021 für 85 Millionen Euro aus Dortmund geholt wurde) vorerst alleine trainiere. Sancho hatte nach seiner Nicht-Nominierung für das Spiel gegen den FC Arsenal (1:3) in einem mittlerweile gelöschten Instagram-Beitrag seinem Trainer widersprochen, wonach er unzureichend trainiert habe. Angeblich soll sich Sancho zudem nicht anständig dafür entschuldigt haben, was sein angespanntes Verhältnis zu ten Hag weiter belastet.
Zu fast allen kritischen Fragen weicht ten Hag aus
Während sich die Chefetage derzeit bloß über schriftliche Statements auf der Vereinsseite äußert, muss sich der Trainer den unliebsamen Themen regelmäßig in den Medienrunden stellen. Zu fast allen Fragen weicht ten Hag aus. So auch im Fall Sancho, zu dem sich jeder seine eigene Meinung bilden könne, so der 53-Jährige. Er, ten Hag, blende die Personalie aus und fokussiere sich auf das nächste Spiel. Damit sagt er zwar nichts Falsches - vermittelt aber den Eindruck von Unsicherheit. Bisher galt wenigstens Stringenz in Teamführung und Kommunikation als eine der Konstanten seiner Amtszeit.
Und die Pfiffe bei der Auswechslung des Stürmers Höjlund, der noch nicht fit genug ist für die gesamte Spieldauer? Auch darauf ging Erik ten Hag eher ungeschickt ein. Er bewertete die Reaktionen als "positiv".