Der FC Barcelona will nicht Spalier stehen. Nicht im Dezember, nicht im Februar. Nicht gegen Real Madrid und auch nicht gegen den FC Chelsea. Nicht jetzt in der spanischen Liga und auch nicht demnächst im Achtelfinale in der Champions League. So ein Spalier ist ja eigentlich auch nur was für Hochzeiten, wenn Braut und Bräutigam unter Reis und Applaus aus der Kirche geleitet werden. Allerdings gibt es da ausgerechnet in Spanien eine Tradition, die Real Madrid jetzt vehement einfordert. Der FC Barcelona - also jener Klub, der die Königlichen auf diesem Planeten am allerwenigsten ehelichen will - möge sich doch bitte in Doppelreihe aufstellen an diesem Samstag, kurz vor 13 Uhr.
Nur in Italien gibt es einen echten Titelkampf
So tut man das, sagen die Madrilenen: Hat einer gerade einen Titel gewonnen, dann sei der Gegner zur Ehrengasse verpflichtet. Ja, so sei es, leugnen nicht einmal die Katalanen, jedoch: Der FC Barcelona fühle sich nur zum Spalier verpflichtet, wenn er selbst an einem Wettbewerb teilgenommen habe, und das sei nicht der Fall. Wurde doch die Klub-WM von Real weit weg in Abu Dhabi gewonnen, und zudem gegen Grêmio Porto Alegre, den Meister Südamerikas. Anstelle einer Demutsgeste gibt es nun also viel Spott in den Netzwerken: Barça werde in Madrid nur einmal Geleit stehen, heißt es dort, nach dem Abpfiff, beim Kriechgang der Gedemütigten in die Kabine.
Rituale, wie man sie zu kennen glaubt, wenn der Clásico naht. Real gegen Barça - das ist Europas letzter ganz großer Kick vor der kurzen Weihnachtsruhe. Ein hitziger Kick, denn das Duell wird beeinflusst vom Ergebnis der katalonischen Regionalwahlen, das an diesem Freitagmorgen vorliegen soll. Nicht wenige fürchten, das alles könne zu viel werden für ein Fußballspiel. Denn auf dem Rasen trifft sich die Macht der Kapitale, symbolisiert durch Real, mit einem FC Barcelona, der nicht wenigen als das "unbewaffnete, symbolische Heer Kataloniens" gilt. So jedenfalls stellte sich der 2003 verstorbene Schriftsteller Manuel Vázquez Montalbán seinen Klub vor.
Nimmt man dem Clásico die Folklore, reduziert man ihn auf eine Zahl, so wird auch er durch die "11" repräsentiert. Die "11" scheint gerade so etwas wie das Symbol dramaturgischer Langeweile in Europas großen Ligen zu sein. Elf Punkte Vorsprung haben die Heynckes-Bayern auf Schalke, elf Punkte trennen in England Manchester City und Manchester United, elf Punkte liegen zwischen Barça und Madrid, dazwischen lauern Atlético Madrid und FC Valencia. Paris St. Germain lässt es kaum ruhiger angehen und ist in Frankreich neun Punkte voraus. Nur Italien führt einen Titelkampf, der den Namen verdient. Andernorts sieht es so aus, als hätte Europas Fußball-Prominenz die erste Saisonhälfte vorrangig zur Präparation wie auch zur Schonung für die Knockout-Runden im Frühjahr in der Champions League genutzt.
Jenseits seiner Militanz ist der Clásico deshalb auch eine Referenz an die große Vergangenheit des regionalen Klubfußballs. Wo, wenn nicht dort, streitet man darüber, wer für wen Spalier steht.