Australien im WM-Viertelfinale:Das ganze Land feiert mit Sam Kerr

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Erste WM-Minuten: Australiens Sam Kerr (Mitte) kann nach ihrer Wadenverletzung gegen Dänemark wieder spielen. (Foto: Dean Lewins/AAP/Imago)

Nach dem überzeugenden 2:0 gegen Dänemark steht Australiens Elf im Viertelfinale einer WM. Die Vorfreude ist umso größer, weil jetzt auch eine Hoffnungsträgerin endlich im Turnier angekommen ist.

Von Anna Dreher, Sydney

Diesmal applaudierte Sam Kerr nicht dick eingepackt in eine Winterjacke und mit langer Hose von der Seitenlinie aus, diesmal war sie mittendrin, auf dem Rasen des Australia Stadium von Sydney. Als das Achtelfinale abgepfiffen wurde und feststand, dass Australien nach einem 2:0 gegen Dänemark eine Runde weiter war, feierte Kerr das sichtlich - aber gleichzeitig blieb sie gelassen. Befallen von einer neuen Leichtigkeit. Bis zu diesem Abend hatte sie bei dieser Weltmeisterschaft nach einer Wadenverletzung ja noch nicht eine Minute gespielt. Dabei war und ist sie die größte Hoffnungsträgerin des WM-Gastgebers.

Die Kapitänin machte ulkige Bewegungen mit Steph Catley, eingefangen von Kameras sehr zur Freude der 75 784 Zuschauer, die zuvor schon jedes mal gejubelt hatten, sobald Kerr auch nur kurz zu sehen war. "Es war eine riesige Erleichterung, wieder auf dem Platz zu stehen", sagte sie später. Sie habe ihren Job gemacht, ihre Mitspielerinnen aber hätten fantastisch gespielt und sie sei sehr stolz auf das Team. Ihr Trainer Tony Gustavsson meinte: "Ich bin sehr glücklich, dass wir Sam zurück auf dem Feld haben - für sie und für das Team."

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Vor der Partie gegen Dänemark hatte er bereits gesagt, die Australierinnen wüssten, dass sie auf dem Papier wohl nicht den besten Kader stellen würden: "Aber wir haben etwas anderes, das uns niemand nehmen kann, und das ist die Identität, die DNA und der Glaube." Gustavsson arbeitete viele Jahre als Co-Trainer von Jill Ellis, zusammen gewannen sie mit den USA 2015 und 2019 den WM-Titel. Identität, Glaube, DNA, das klang sehr nach dem, was die Amerikanerinnen gerne in ihre Sätze packen. Gustavsson würde gerne nicht nur in der Sprache dieser großen Fußballnation ähneln, sondern auch in Sachen Erfolge. Immerhin: Weiter als die am Sonntag gegen Schweden ausgeschiedenen USA sind die Australierinnen schon jetzt.

Und das, obwohl diejenige, deren Rückkehr ersehnt worden war, wieder zuschauen musste. Kerr konnte auch bei dieser Partie nicht beginnen. Im Fokus der Öffentlichkeit stand die Stürmerin des FC Chelsea dennoch. Viele Fragen kreisten um die 29-Jährige und ihren Gesundheitszustand. Wie brisant die Angelegenheit für manch einen war, zeigte eine kuriose Form der Spionage. Angeblich ließ News Corp einen Helikopter über das Trainingsgelände des Wanderers Football Park fliegen und veröffentlichte anschließend Luftaufnahmen von der nicht-öffentlichen Abschlusseinheit. Kerr hatte auf dem Fahrrad gesessen - und im Spiel dann zunächst auf der Bank.

Große Erleichterung: Sam Kerr (links) und Tony Gustavsson stehen im Viertelfinale. (Foto: Jaimi Joy/Reuters)

War ihre Verletzung doch zu schlimm? Oder das Selbstbewusstsein dieses Teams so groß nach dem 4:0 gegen Olympiasieger Kanada, dass auf sie verzichtet werden konnte? Die Favoritenrolle sind die Matildas aus den vergangenen Jahren nicht gewohnt gewesen. Aber nun waren sie ja nicht nur Gastgeberinnen, angefeuert in ausverkauften Arenen. Sie traten noch dazu mit einer Bilanz von sieben Siegen aus den vergangenen neun Partien seit Jahresbeginn an. Darunter vor der WM Erfolge gegen Frankreich, England und Spanien, die alle als Titelkandidaten angereist waren.

Gegen Dänemark hatten die Australierinnen zuletzt im Oktober 3:1 gewonnen. Beim WM-Wiedersehen löste dann vor allem Kerrs frühere Chelsea-Mitspielerin Pernille Harder, die ab der neuen Saison beim FC Bayern spielt, Unruhe aus. Sie wirkte wacher und cleverer als ihre Gegenspielerinnen, die generell Schwierigkeiten mit den Angriffen der anfangs spielbestimmenden Däninnen hatten. Aber es fehlte eben jene Effizienz, die die Australierinnen schließlich zeigten: erster Torschuss, erstes Tor. In der 29. Minute spielte Mary Fowler einen langen Ball auf Caitlin Foord, die sich auf der linken Seite nicht aufhalten ließ. Sie rannte bis zum Fünfmeterraum und tunnelte Torhüterin Lene Christensen. An der Seitenlinie schaute Kerr zu und tanzte.

Als sie zuvor von der Stadionkamera eingefangen und auf der großen Leinwand gezeigt wurde, brandete der Jubel schon laut auf - und als sie sich schließlich aufwärmte, frohlockte das Stadion. Kerr wäre wohl schon früher aufs Feld gekommen, aber Gustavsson hatte ein gutes Gespür für den Spielfluss und wollte diesen nicht unterbrechen. Aus einem Konter heraus kam wieder Fowler an den Ball, ihr Abschluss wurde abgelenkt und landete schließlich bei Hayley Raso, die im Fallen ins lange Eck abzog zum 2:0 (70. Minute). Wieder wurde es extrem laut, diesmal aber tanzte Kerr nicht, sondern stand bereit für ihre Einwechslung.

In der 80. Minute kam sie für Torschützin Raso, mit einem Lächeln betrat sie den Rasen. Jede ihrer Ballberührungen wurde gefeiert. Kerr beantwortete jegliche Fragen nach ihrem Gesundheitszustand auf die ihr typische umtriebige Art, wenn auch ohne eigenen Treffer. Ihre persönliche Zufriedenheit wie auch das Selbstbewusstsein ihrer Mitspielerinnen aber dürfte wohl gerade gestärkt haben, dass es eben auch ohne sie ging. "Wenn es jemals einen Zeitpunkt gab, an dem man es ganz nach oben schaffen konnte, dann ist es dieses Turnier", schrieb der Sydney Morning Herald: "Es ist wohl das beste Matildas-Team, das wir je gesehen haben."

Fußballerinnen wie Foord, Raso, Fowler und Catley hatten wie schon in den vergangenen Partien bewiesen, dass sie das nötige Format für die Weltbühne haben. Nun hatten sie es weitgehend ohne Kerr ins WM-Viertelfinale geschafft. "Es hat uns das Herz gebrochen, Sam so zu verlieren - kurz vor dem größten Moment unserer Karriere", hatte Catley rund um den Auftakt gegen Irland gesagt. "Aber ich konnte merken, dass dadurch das Feuer in uns allen nur noch ein wenig mehr angefacht wurde." Bisher war für die Matildas stets spätestens im Viertelfinale Schluss, nun soll es weiter gehen. Am Samstag treffen sie auf Frankreich oder Marokko. Mit Sam Kerr.

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