Jonas Hofmann beim DFB:Zurzeit der wichtigste deutsche Angreifer

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Jonas Hofmann jubelt nach seinem Ausgleich in Budapest. (Foto: Attila Kisbenedek/AFP)

Siegchance vergeben, aber auch wieder getroffen: Eine der unerwarteten Lehren dieser Länderspielreihe besagt, dass die Nationalelf ohne Jonas Hofmann ziemlich aufgeschmissen wäre.

Von Philipp Selldorf, Budapest

Jonas Hofmann startete aus der Tiefe durch, erhielt im richtigen Moment den Steilpass, lief dann noch einige Meter aufs Ziel zu und schob den Ball links an Péter Gulacsi vorbei zum 2:1 ins Toreck.

So hat es sich am 2. Mai begeben, als Borussia Mönchengladbach unter heimischem Flutlicht RB Leipzig in der Bundesliga besiegte, und eben diese Szene hätte sich am Samstagabend in Budapest nahezu detailgetreu wiederholen können, als Hofmann von Kai Havertz den Ball bekam und allein auf Gulacsi zustürmte. Doch dass ihm 40 Tage zuvor der Streich schon einmal geglückt war, erwies sich nicht als Vor-, sondern als Nachteil. Der schlaue ungarische Torhüter erinnerte sich womöglich der Szene aus Mönchengladbach. Diesmal lief er dem Angreifer nicht entgegen, er blieb stehen und stellte Hofmann vor die Wahl, und dieser tat dann prompt das Falsche.

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Nach einer langen Saison zeigen sich beim 1:1 in Budapest Spuren der Ermattung bei der deutschen Nationalmannschaft. Dennoch sind Spieler und Bundestrainer sichtbar unzufrieden mit der Partie - und üben Selbstkritik.

Von Philipp Selldorf

Was ihm durch den Kopf gegangen sei in jener 72. Minute, als er das 2:1 und seinen zweiten Treffer vor Augen hatte, wurde Hofmann später gefragt. "Zu viel!", erwiderte er umgehend. Offenbar kam es dadurch zum geistigen Kurzschluss. Statt zu schießen, versuchte er den mitgelaufenen Timo Werner zu bedienen, obwohl er es doch besser wusste. "Das Komische ist: Ich habe den Gegner links von mir gesehen und spiele ihn trotzdem (den Ball). Da haben irgendwie die Synapsen nicht richtig gezündet."

Es passt zum Teamspieler Hofmann, 29, dass er sich dazu verpflichtet fühlte, seiner Mannschaft ein "Sorry" zuzurufen. "Ich muss das Siegtor machen, das muss ich auf meine Kappe nehmen", sagte er. In Wahrheit hatten die Kollegen wieder mal Anlass, Hofmann Danke schön zu sagen, weil er mit einem anderen schnellen Lauf den Ausgleich initiiert hatte. Nico Schlotterbeck erkannte die Bewegung am rechten Bildrand und schickte einen langen Pass, den der Adressat technisch gekonnt entgegennahm, während Gulacsi ins Leere lief.

Hofmann überzeugt mit Verlässlichkeit und Spielintelligenz

Eine der unerwarteten Lehren dieser Länderspielreihe besagt, dass die Nationalelf ohne Jonas Hofmann ziemlich aufgeschmissen wäre. Beim 1:1 in Italien bereitete er das einzige Tor (indirekt) vor, gegen England und Ungarn besorgte er selbst die Treffer. Aus dem Gladbacher Flügelspieler, den Hansi Flick zu Beginn seiner Dienstzeit vermeintlich verlegenheitshalber zum Rechtsverteidiger mit Vorwärtsgang umfunktionierte, ist wieder ein Flügelspieler und außerdem der gefährlichste, sogar wichtigste deutsche Angreifer geworden. Die primären Abwehrpflichten auf seiner Seite erledigte in Budapest Thilo Kehrer. Hofmann darf das als sozialen Aufstieg interpretieren.

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Der Flügelspieler passt, als er schießen sollte. Timo Werner tut instinktiv das Falsche - und Nico Schlotterbeck zeigt eine hervorragende Unschuldsmiene. Die DFB-Elf in der Einzelkritik.

Von Philipp Selldorf

Anders als die Kollegen Leroy Sané, Serge Gnabry oder Jamal Musiala ist Jonas Hofmann nicht der Typ des Offensivspielers, für den englische oder spanische Klubs zentnerschwere Ablösesummen bezahlen, und er ist auch kein Profi, der wegen seines längst nicht ausgeschöpften Potenzials irre Transfermarkt-Fantasien weckt. Dafür ist er der Mann, der ziemlich verlässlich sein Können ausspielt und dank seiner intelligenten Sprints in die Tiefe besonderen Wert hat. Die Borussia muss kämpfen, um den Nationalspieler zu halten, der gerade seine späte DFB-Karriere (er debütierte 27-jährig) zur Blüte bringt. Von den zwölf Länderspielen seit Jogi Löws Abdanken verpasste Hofmann lediglich zwei - wegen eines Muskelfaserrisses.

Die 13. Partie der Ära Hansi Flick wird nun zum Heimspiel für den Rechtsaußen. Ob er beim Wiedersehen mit Italien in Mönchengladbach der Startelf angehören soll, ist kein Thema, über das der Trainerstab lange diskutieren muss.

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