Die Attacke aus dem Allgäu wirkte wohlüberlegt. Kurz vor den Spielen, im Kielwasser des großen Olympiadampfers, kann man als einstiger Präsident des deutschen Sportdachverbands schon noch mal seine Botschaften platzieren, auch wenn sie im Kern längst bekannt sind. Die nächste Salve des Alfons Hörmann, sie klingt also so: Auch Thomas Weikert, sein Nachfolger auf der Kommandobrücke des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), soll an einer Kampagne gewerkelt haben, um den umstrittenen Hörmann aus dem Amt zu drücken.
Weikert, bekräftigte Hörmann jetzt in der Augsburger Allgemeinen und der Allgäuer Zeitung, sei wohl "weit früher und auch aktiv an der gesamten Entwicklung beteiligt gewesen". Schweres Geschütz, mal wieder, dem Weikert, der gerade mit dem deutschen Olympiatross in Peking gelandet ist, recht unbeeindruckt auswich. Er kenne keine Kampagne, beteuerte er. Und auch wenn das Ganze zunächst vom Verdacht umweht wird, hier schieße ein verbitterter Verlierer übers Ziel hinaus - ganz so einfach ist es womöglich nicht.
Es ist unbestritten, dass Hörmann mit der Art, wie er sein Amt führte, viel Kritik auf sich zog; zu einem gewissen Grad hat er das mittlerweile auch eingeräumt. Auch sind viele Vorgänge aus den vergangenen Monaten noch immer ungeklärt. Im Zentrum kreist vieles um jenen anonymen Brief, der im Mai 2021 auftauchte und im Namen der DOSB-Mitarbeiterschaft das Bild von einer "Kultur der Angst" im Verband malte - verantwortlich dafür sei vor allem Hörmanns Führungsstil.
Die DOSB-Spitze ließ daraufhin zwei Sprachgutachten erstellen, um den Urheber zu finden; sie vertiefte sich dann in den Verdacht, die frühere DOSB-Vorständin Karin Fehres stecke hinter dem Brief, was Fehres scharf zurückwies. Im Dezember wurde nach großem Hin und Her das gesamte Präsidium ausgetauscht, auch Vorstandschefin Veronika Rücker verlor ihr Amt, im Zuge der Fehres-Causa. Das alles soll eine vom DOSB-Präsidium berufene Prüfkommission demnächst durchleuchten, und die Fülle an Vorgängen machen dies auch dringend nötig.
Anfang März hielt Hörmann eine denkwürdige Pressekonferenz
Genauso wichtig ist es freilich, dass die Kommission auch die Vorwürfe der alten Führung würdigt und prüft. Nichts wäre fataler, als wenn an der neuen Mannschaft nach so kurzer Zeit schon wieder Zweifel kleben blieben. Vieles, was Hörmann bislang öffentlich vortrug, wirkte bedingt überzeugend: Dass sich vier hochrangige Verbandsvertreter im März 2021 trafen, zwei Monate also, bevor der anonyme Brief ans Licht kam, um dabei über Alternativen zu einem schon da angezählten Präsidenten zu diskutieren - das ist an sich nichts Ungewöhnliches, nicht nur im organisierten Sport.
Spannender ist es da schon, wenn man bedenkt, dass Hörmann kurz vor dieser Runde eine denkwürdige Pressekonferenz hielt: Anfang März, als die DOSB-Spitze das Aus der Rhein/Ruhr-Bewerbung für die Sommerspiele 2032 moderieren musste. Hörmann griff damals das Internationale Olympische Komitee (IOC) frontal an, von "Falschaussagen" war die Rede. Kurz darauf klinkte sich der IOC-Präsident Thomas Bach, Hörmanns Vorgänger, mit einer Retourkutsche in die Debatte ein. Das allein zeigte schon, welche Folgen es haben kann, wenn man sich im Reich des Herrn der Ringe nicht folgsam zeigt. Und sonst?
Es bleibt abzuwarten, welche Belege noch in Hörmanns Schriftsätzen stecken, die mehr als 500 Seiten umfassen sollen, wie er jetzt bekannte. Das sollte die neue DOSB-Führung vor einem unabhängigen Gremium ja leicht widerlegen können - wenn die Vorwürfe denn wirklich so substanzlos sind.