DOSB-Präsident Thomas Weikert:Gegenwind im Neuanfang

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Thomas Weikert bei seiner Wahl zum DOSB-Präsidenten im Dezember. (Foto: Michael Reichel/dpa)

Der neue DOSB-Präsident will den aufgewühlten deutschen Sport beruhigen. Doch nun löst die Wahl des künftigen Vorstandsvorsitzenden Irritationen aus - und sogar eine offizielle Protestnote aus den Landessportbünden.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Der neue Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes sparte nicht mit Komplimenten, als er die Schlüsselpersonalie seines künftigen Führungsteams bekannt gab. Man habe einen "hervorragenden Kandidaten" gefunden, ließ sich Thomas Weikert zu Jahresbeginn in einer Mitteilung des Sportdachverbandes zitieren. Und man sei, so fügte er mit Blick auf die jüngsten Turbulenzen im deutschen Sport hinzu, davon überzeugt, "dass er die Voraussetzungen erfüllt, den DOSB in dieser sicherlich nicht ganz einfachen Situation zu führen und Vertrauen und Glaubwürdigkeit wiederherzustellen".

Nächsten Dienstag rückt Torsten Burmester, 58, zum Vorstandsvorsitzenden auf, zum wichtigsten Hauptamtlichen im DOSB, der für alle operativen Dinge verantwortlich ist. Dafür bringt er eine bemerkenswerte Vita mit. Burmester war persönlicher Referent des Bundeskanzlers Gerhard Schröder, später Vize-Chef der Sport-Abteilung im Bundesinnenministerium und Abteilungsleiter im nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerium, zuletzt Generalsekretär beim Deutschen Behindertensportverband. Doch noch bevor Burmester den DOSB-Posten offiziell antritt, schaffen die Umstände seiner Kür neue Diskussionen im Sport. Präsident Weikert erlebt den ersten Gegenwind in seiner noch frischen Amtszeit.

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:"Wir haben einige klare Wünsche an die Politik"

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Von Johannes Aumüller

Die Aufregung war so groß, dass nach SZ-Informationen jüngst einer der wichtigsten Akteure im organisierten Sport eine offizielle Protestnote verfasste: der Sprecher der Landessportbünde, die neben den Spitzenverbänden die zweite große Gruppierung innerhalb des DOSB bilden. Aktuell hat das Amt der Berliner Landeschef Thomas Härtel inne, Mitte Januar übersandte er ein Schreiben an Weikert, das es in sich hat. Zwar finde Burmesters Wahl breite Zustimmung, führt Härtel darin aus, doch sei es bei den Landessportbünden "zu Irritationen (...) hinsichtlich des Auswahlverfahrens gekommen".

"Diese Formulierung kann ich so nicht stehen lassen" schreibt der Sprecher der Landessportbünde an den DOSB-Präsidenten

Insbesondere wehrte sich Härtel gegen die öffentliche Darstellung, dass die Mitgliedsorganisationen des DOSB Kandidaten für den Schlüsselposten vorschlagen konnten. "Diese Formulierung kann ich so nicht stehen lassen", heißt es im Brief an Weikert, der der SZ vorliegt. Den Landessportbünden sei "zu keiner Zeit offiziell adressiert" worden, "dass man unsererseits geeignete Kandidat*innen vorschlagen könne".

Zudem sei Burmester ja schon bei der Mitgliederversammlung in Weimar Anfang Dezember, also bei Weikerts Wahl, "mehr oder weniger auch als Ihre Wunschbewerbung bekannt" gewesen. Im Sinne "einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und transparenten Kommunikation", schließt Härtel, "bitte ich Sie daher den Eindruck zu vermeiden, dass weitere Vorschläge seitens der Landessportbünde in der Kürze der Zeit (...) eine realistische Chance gehabt hätten".

Das ist ein bemerkenswerter Protest, zumal der Sport rund um den im Vorjahr erfolgten Rückzug des umstrittenen Präsidenten Alfons Hörmann aufgewühlte Zeiten hinter sich hat. Und weil es das große Ansinnen der neuen Führung ist, die Wogen zu glätten.

Der DOSB war auf Anfrage bemüht, das Ganze als Missverständnis darzustellen. Das Schreiben sei laut Härtel und Weikert "gegenstandslos", weil beide den Sachverhalt am Montag einvernehmlich geklärt hätten. Eine beauftragte Agentur habe die drei Sprecher der Verbändegruppen um Personalvorschläge gebeten; anders als bei den Sprechern der Spitzenverbände und der Verbände mit besonderen Aufgaben sei aber bei Härtel der Eindruck entstanden, dass er persönlich - und nicht als Sprecher der Landessportbünde - angesprochen worden sei. "Tatsächlich hätte die Ansprache hier eindeutiger erfolgen können", so der DOSB. Härtel habe diese Erläuterung angenommen.

Bei der Auswahl des neuen DOSB-Spitzenpersonals wirkten einige Mechanismen zusammen

Gleichwohl lenkt die Einlassung des Berliner LSB-Chefs den Blick auf die Frage, wie das Auswahlverfahren des Spitzenpersonals in den vergangenen Monaten ablief. Denn offenbar wirkten da beim DOSB einige Mechanismen gut zusammen.

Nach Hörmanns Rückzugsankündigung im Sommer begann die Diskussion um die künftige Aufstellung. Drei Arbeitsgruppen wurden eingesetzt, eine davon zum Thema "Personal". Ein Mitglied dieser AG: Torsten Burmester, damals noch Generalsekretär des Behindertensportverbandes. Am Ende standen drei wichtige Ergebnisse, die Burmester bei einer Sitzung der Spitzenverbände vortrug: dass zur Suche des neuen DOSB-Chefs eine achtköpfige Findungskommission um Ex-Bundespräsident Christian Wulff eingesetzt werde; dass die Agentur Headsahead den Prozess begleiten werde; und dass ein Stellenprofil für den künftigen Präsidenten entwickelt worden sei, welches die Agentur noch schärfen werde.

Nach der Arbeit der Wulff-Kommission und der Agentur Headsahead waren dann drei Kandidaten zugelassen, darunter der CSU-Politiker Stephan Mayer, der sich kurz darauf freiwillig zurückzog. Unter den verbliebenen Bewerbern setzte sich Weikert bei der Mitgliederversammlung Anfang Dezember klar gegen die Fecht-Präsidentin Claudia Bokel durch.

Eine Personalagentur ist sowohl in die Suche nach dem neuen Präsidenten als auch in die Suche nach dem neuen Vorstandschef involviert

Doch kaum war die Wahl vorbei, kam schon wieder die Agentur Headsahead ins Spiel. Diesmal suchte sie den neuen Vorstandschef, weil der Abschied der Amtsinhaberin Veronika Rücker im Zuge des Hörmann-Disputs verabredet war. Rasch war dann diese Personalie erledigt: "Rund zehn Personen" seien laut DOSB vorgeschlagen worden, drei durften sich am 5. Januar dem Präsidium vorstellen, und dieses wählte dann einstimmig: Torsten Burmester.

Heißt: Erst bringt Burmester einen Prozess mit auf den Weg, an dem eine Personalagentur beteiligt und an dessen Ende Weikert der neue Präsident ist. Dann setzt Weikert einen Prozess in Gang, an dem dieselbe Personalagentur beteiligt und an dessen Ende Burmester der neue Vorstandschef ist.

Es kommt in vielen Unternehmen vor, dass sich neue Führungskräfte mit Vertrauten umgeben. Aber der Ablauf - samt markantem Missverständnis - ist doch bemerkenswert. Dass es sich um einen Interessenskonflikt handele, weist der DOSB zurück.

Mayer-Rücktritt, Hörmann-Kommission, Peking-Spiele: Es sind angespannte Tage beim DOSB

Dass in Person von Burmester am Ende "einer der zahlreichen Fachleute aus dem organisierten Sport, die in die AGs Inhalt, Strukturen und Personal berufen worden waren, erfolgreich aus dem (...) Auswahlverfahren hervorging, dürfte nicht überraschen, weil es zwischen beiden Gruppen, ausgewiesenen Fachleuten wie möglichen Kandidat*innen, naturgemäß zu Überschneidungen kommt", erklärt der DOSB. Das Präsidium habe bei der Wahl des Headhunters vor der Wahl zwischen Ausschreibung und freihändiger Vergabe gestanden und sich "angesichts der Aufgaben, vor denen der organisierte Sport steht, für eine zügige und effektive Vorgehensweise entschieden".

Die Aufregung um Burmester erhöht die dieser Tage ohnehin auffällige Angespanntheit rund um den DOSB. Erst zu Wochenbeginn teilte der Bundestagsabgeordnete Mayer seinen Rücktritt als Vizepräsident des Verbandes mit; die neue Bundesregierung hatte dem zuletzt als Parlamentarischer Staatssekretär tätigen CSU-Mann die Erlaubnis für das Amt verweigert, in das er gerade erst gewählt wurde.

Zudem berief der DOSB eine Kommission, die sich mit fragwürdigen Vorgängen der Hörmann-Zeit beschäftigen soll, wobei dem Gremium neben dem früheren BGH-Richter Clemens Basdorf auch die ihrerseits nicht unumstrittene frühere Schwimm-Präsidentin Christa Thiel angehört. Diese war lange Jahre DOSB-Vize, zum Teil sogar noch unter Hörmann. Und rund um die Winterspiele in Peking warten auch genug heikle Themen.

Da muss der DOSB aufpassen, dass er nicht erneut in unruhiges Fahrwasser gerät.

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