Es ist gerade einmal viereinhalb Monate her, da hatte Uli Hoeneß eine sehr deutliche öffentliche Empfehlung ausgesprochen. Der FC Bayern hatte nach der Meisterschaft auch den Pokal gewonnen, eine turbulente Saison war versöhnlich zu Ende gegangen, es stand noch die Feier auf dem Münchner Rathausbalkon an. Hoeneß aber war nicht versöhnt, er sagte: "Als Freund würde ich ihm empfehlen, sich einen neuen Verein zu suchen." Hoeneß gilt nach wie vor als mächtigster Mann des deutschen Fußballs, aber diese Empfehlung ist nicht gut gealtert. Jérôme Boateng, den dessen vermeintlicher Freund Hoeneß loswerden wollte, gehört immer noch zum Kader des FC Bayern. Und er ist auf einmal so wichtig wie noch nie in diesem Kalenderjahr.
Am Montag hat Hoeneß wieder eine sehr deutliche Empfehlung ausgesprochen. Und daran, wie diese Empfehlung in den nächsten Wochen altern wird, wird auch zu erkennen sein, wie es um die Macht von Niko Kovac im Verein steht.
Der FC Bayern ist am Montag nach Athen geflogen, an diesem Dienstagabend wird er bei Olympiakos Piräus das dritte Gruppenspiel dieser Champions-League-Saison bestreiten. Es ist ein Spiel, das in einer turbulenten Phase der Saison stattfindet, der FC Bayern ist in der Liga so schlecht gestartet wie seit neun Jahren nicht mehr, zudem hat sich Niklas Süle am Kreuzband verletzt, der wichtigste Mann in der Innenverteidigung der Münchner. Mit der Mannschaft ist auch Präsident Hoeneß nach Athen geflogen, er hat nebenbei ein paar Sätze zur aktuellen Lage des Klubs gesagt. Und wie so oft, wenn dieser mächtige Mann sich äußert, haben seine Sätze eine gewaltige Wucht entwickelt.
"Wir sind einen Punkt hinter dem Ersten. Wollen Sie uns eine Krise einreden?"
Über Süle hat Hoeneß gesagt: "Die Saison ist vorbei." Sogar die Europameisterschaft im Sommer könne man "vergessen". Eine bittere Prognose, für Süle, langfristig auch für Bundestrainer Joachim Löw, kurz- und mittelfristig zudem für Kovac, der kurz-, mittel- und auch langfristig gerne Trainer des FC Bayern bleiben würde. Hoeneß gilt - zumindest mehr als bei Boateng - als Freund von Kovac, er hat ihn zum FC Bayern geholt, er hat ihn in den turbulenten Phasen der vergangenen Saison geschützt. Vermutlich wollte der Präsident seinen Trainer auch am Montag stützen, immerhin leugnete er alle Turbulenzen. Am Flughafen rief er einem Reporter zu: "Wir sind einen Punkt hinter dem Ersten. Wollen Sie uns eine Krise einreden?"
Dann aber sprach Hoeneß eine Empfehlung aus, die die ohnehin komplizierte Arbeit von Kovac weiter erschwert hat.
Süle war für den Bayern-Trainer der oberste Innenverteidiger, im Januar ernannte er ihn zum Abwehrchef, vor Mats Hummels und Boateng. Der robuste, zweikampfstarke, schnelle Süle entspricht genau dem körperlichen Spiel, wie es sich Kovac und sein Bruderassistent Robert (der einst ein intensiv und körperlich agierender Innenverteidiger war) wünschen. Ohne Süle und den im Sommer nach Dortmund zurückgekehrten Hummels fehlt Kovac nun die Innenverteidigung, die entscheidend war auf dem Weg zu Meisterschaft und Pokal in der vergangenen Saison. Sie fehlt ihm in einer Phase, in der er wieder unter Druck geraten ist, unter anderem, weil derzeit die Statik im gesamten Spiel der Bayern nicht stimmt. Er muss nun auf einer Position eine Lösung finden, wo er sich so klar für einen Spieler eingesetzt hat wie sonst nirgendwo auf dem Spielfeld.