Hertha gegen Leipzig:Es geht um alles außer Fußball

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Will mit den Berlinern nach oben, steckt aber aktuell tief im Abstiegskampf: Hertha Trainer Tayfun Korkut (links) beim Training vor dem Heimspiel gegen Leipzig. (Foto: Sebastian Räppold/Matthias Koch/imago)

Ein verreister Manager, ein unzufriedener Investor: Vor dem wichtigen Heimspiel der Hertha gegen RB kreisen die Debatten in Berlin um viele Randaspekte - vor allem die Kritik von Lars Windhorst wirkt nach.

Von Javier Cáceres, Berlin

Seit ein paar Tagen hängt an der Auffahrt zum Trainingsgelände des Bundesligisten Hertha BSC ein Plakat an einem Maschendrahtzaun. Ein weißes Laken, auf das unbekannte Hände mit blauer Farbe, also in den Hertha-Vereinsfarben, eine Losung geschrieben haben. "Abstiegskampf annehmen - zusammen", lautet sie. Allein: Das mit dem "zusammen", das ist bei der Hertha vor der Partie gegen RB Leipzig am Sonntagabend ein Problem.

Vor ein paar Tagen meldete sich Suat Serdar, eine der auffälligsten Figuren der dürren Hertha-Saison, wegen einer Corona-Infektion ab. Am Freitag zog Innenverteidiger und Kapitän Niklas Stark nach; und es war nur ein schwacher Trost, dass sich Winterzugang Marc Kempf (vormals Stuttgart) von einer ebensolchen zurückgemeldet hat, weil in Dedryck Boyata und Marton Dardai zwei weitere zentrale Abwehr-Alternativen malad sind und nur noch das 17-jährige Talent Linus Gechter bereit steht.

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Und auf die Defensive kommt es gegen Leipzig durchaus an. Am Donnerstag rang Real Sociedad San Sebastián, einst Arbeitgeber von Hertha-Trainer Tayfun Korkut, den Leipzigern ein 2:2 in den Europa-League-Playoffs ab, mit einer bemerkenswert defensiven und damit eigentlich wesensfremden Ausrichtung, wie Korkut am Freitag bemerkte.

Er war natürlich in Leipzig, das gebot allein schon die Verbundenheit. Zu seiner Zeit als aktiver Spieler wurde er zu einer bis heute verehrten Kultfigur der Real Sociedad. Am Donnerstag aber ging es für ihn nur um die Gegnerbeobachtung, und er gewann eine Reihe von Erkenntnissen über die Probleme der Leipziger mit einer tief stehenden, klug konternden baskischen Mannschaft.

Real Sociedad dient Korkut nur bedingt als Muster. Erstens, weil er mehr Fußball spielen lasse möchte; zweitens, weil ihm die Offensivkräfte vom Schlage des spanischen Nationalspielers Mikel Oyarzabal abgehen. Doch schlimmer wiegt, dass es bei der Hertha in der abgelaufenen Woche um Fußball wieder mal nur am Rande ging, und das bekam Korkut selbst am Freitag zu spüren.

Normalerweise begleitet ihn ein Vorgesetzter zu den Pressebegegnungen. Zum Beispiel: Sportdirektor Arne Friedrich, der am Freitag erfolglos versuchte, sich nach einer Covid-Infektion freizutesten.

Abstiegskampf annehmen - zusammen: Ein Banner am Trainingsgelände von Hertha BSC. (Foto: Sebastian Räppold/Matthias Koch/imago)

Oder: Manager Fredi Bobic, der nach Auskunft des Klubs am Freitag wieder in Berlin weilte, nachdem er in den "gefährlichen, wichtigen, möglicherweise entscheidenden Tagen des Vereins in dieser Saison" in die USA gereist war, wie der Herausgeber der größten örtlichen Zeitung, des Tagesspiegel, empört und ohne jede Rücksicht auf möglicherweise mildernde, familiäre Umstände notierte: "Lieber Super Bowl als Superaktivität, weil er nach der - nicht erfolgreichen Transferperiode - dringend Erholung braucht?" Hertha hatte ohne den Chef Bobic beim Tabellenletzten in Fürth mit 1:2 verloren.

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Für Korkut war die Gesamtlage insofern misslich, als er Fragen abwehren musste, die nicht in seinen Zuständigkeitsbereich fallen. Zum Beispiel: Zur Klartext-Kritik von Hertha-Investor Lars Windhorst, der im Wirtschaftsmagazin Capital gefragt hatte, ob bei Hertha "rational und in die Zukunft denkende Leute das Sagen haben" und ganz offen sein 375-Millionen-Euro-Investment bereut hatte; er hat für diesen Betrag über seine Holding "Tennor" 66,6 Prozent an der Profiabteilung der Hertha erworben.

Hertha hatte in einer Entgegnung eine Unterredung mit Windhorst angekündigt ("Wir werden ihn dazu befragen"); am Freitag aber hatte sie, wie in der Tennor-Zentrale zu hören war, noch nicht stattgefunden. Was letztlich auch nur zum alten Adagio passt, dass in Berlin nie etwas ist, sondern immer nur wird.

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