Handball:Zur Not noch einmal mit Pekeler

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Wird er rechtzeitig fit? Jannik Kohlbacher (li.) gegen Kiels Patrick Wiencek, ist immerhin zur Nationalmannschaft gereist. (Foto: David Inderlied/dpa)

Handball-Bundestrainer Alfred Gislason sieht den Magdeburger Sieg im Bundesliga-Spitzenspiel - und muss hoffen, dass seine Kreisläufer rechtzeitig zur Olympia-Qualifikation fit werden.

Von Ralf Tögel

Natürlich war Alfred Gislason unter den 6600 Zuschauern in der Halle, schließlich hat er nur ein halbes Stündchen Fahrtstrecke mit dem Auto von seinem Wohnort in die Berliner Chaussee in Magdeburg. Dort trägt der Champions-League-Sieger seine Heimspiele aus, der Handball-Bundestrainer ist häufiger bei Partien des SC Magdeburg zugegen. Das Spitzenspiel des Bundesliga-Tabellenführers Füchse Berlin beim gastgebenden Verfolger war folglich ein Pflichttermin bei seinem Vorhaben, sich gut unterhalten zu lassen.

Was er zu sehen bekam, dürfte ihm gefallen haben, denn Magdeburg gewann eine hochklassige und temporeiche Partie 31:28. Damit gelang den Sachsen-Anhaltern eine - zumindest kleine - Vorentscheidung im Titelkampf. Die Füchse bleiben zwar in der Tabelle vorn (41:7 Punkte), aber die Magdeburger haben eine Partie weniger gespielt und nun einen Minuspunkt weniger auf dem Konto. Das Spiel war zugleich ein weiterer Beleg dafür, dass der Meistertitel in der Bundesliga der Wertigste im Welthandball ist, woran ja Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning vor der Partie erinnert hatte. Darauf wird der Hauptstadtklub weiter warten müssen, denn Magdeburg ist derzeit auch im internationalen Vergleich das Maß der Dinge und hat im Titelrennen nun alle Vorteile auf seiner Seite.

Handball-Bundestrainer
:Eine Kröte für Gislason

Nur wenn Alfred Gislason mit den deutschen Handballern die Olympia-Qualifikation schafft, verlängert sich sein Vertrag bis zur Heim-WM 2027. Frauen-Bundestrainer Markus Gaugisch erhält ebenfalls einen Vertrag bis 2026 - ohne Bedingung.

Von Ralf Tögel

Besonders im Hinblick auf Breite und Qualität im Kader ist die Auswahl von Magdeburgs Trainer Bennet Wiegert der Konkurrenz einen Schritt voraus; zudem agiert das isländische Trio Omar Ingi Magnusson, Gisli Krisjansson und Janus Smarason derzeit in Galaform. Gepaart mit den Fähigkeiten des schwedischen Nationalspielmachers Felix Claar und des dänischen Weltmeister-Kreisläufer Magnus Saugstrup gab dies den Ausschlag für den Sieg gegen die Füchse Berlin.

Selbstredend rekrutiert sich auch deren Team nahezu ausschließlich aus Nationalspielern und hat im Dänen Mathias Gidsel den wohl gegenwärtig weltbesten Handballprofi in seinen Reihen. Aber die Magdeburger haben sich in zahlreichen hochklassigen Vergleichen in Bundesliga und europäischer Königsklasse eine enorme Wettkampfhärte angeeignet, die oftmals den Unterschied in den letzten entscheidenden Minuten bringt.

Der DHB hofft, dass Johannes Golla und Jannik Kohlbacher die Olympia-Qualifikation spielen können

Neben dem hohen Unterhaltungswert bot das Spiel dem Bundestrainer zudem beruflich eine Reihe von Aufschlüssen. Denn in Füchse-Spielmacher Nils Lichtlein und Magdeburgs Rechtsaußen Lukas Mertens gab es zwei Spieler zu beobachten, die helfen sollen, ihm den Job zu retten. Am Donnerstag spielen die deutschen Handballer in Hannover gegen Algerien (17.45 Uhr, Sport1) um die Teilnahme an den Olympischen Spielen, am Samstag folgt in diesem Qualifikationsturnier die Begegnung gegen Kroatien (14.30 Uhr, ZDF), und am Sonntag heißt der Gegner Österreich (14.10 Uhr, ARD). Der Deutsche Handballbund (DHB) hat den Vertrag mit Gislason bis inklusive der Weltmeisterschaft 2027 in Deutschland verlängert - aber nur, wenn der 64-jährige Isländer das Olympiaticket löst.

Wovon er überzeugt ist - auch wenn ihn auf dem Weg dahin unschöne Kunde aus Erlangen und Flensburg ereilte. In Erlangen nämlich verloren die Rhein-Neckar Löwen nicht nur ihr Bundesligaspiel, sie mussten auch auf Jannik Kohlbacher verzichten, der vorzeitig vom Platz musste und die Partie mit einem dicken Eisbeutel auf der linken Schulter verfolgte. Gleiches galt für den Kapitän des Nationalteams, Johannes Golla, der beim Sieg der Flensburger über Göppingen umknickte und ebenfalls vorzeitig passen musste. Das Kreisläufer-Duo zählt zu den gesetzten Akteuren der deutschen Auswahl; Golla ist weder in Angriff noch in der Abwehr zu ersetzen und hatte bei der Europameisterschaft kürzlich die meisten Einsatzzeiten und großen Anteil am vierten Platz.

Schreckmoment: Flensburgs Johannes Golla wird im Spiel gegen Göppingen behandelt. (Foto: Marcel von Fehrn/Eibner/Imago)

Leichte Entwarnung gab am Montag DHB-Sportvorstand Axel Kromer: "Wir gehen nach jetzigem Stand davon aus, dass beide am Donnerstag spielen können." In Absprache mit den Vereinen würden sich Golla und Kohlbacher beim DHB weiteren Untersuchungen unterziehen, er sei aber zuversichtlich, sagte Kromer, dass sie bald ins Training integriert werden können. Zumal es nicht darum gehe, "Kondition zu bolzen", sondern um taktische Feinheiten. Gislason muss bereits auf die verletzten EM-Akteure Kai Häfner und Martin Hanne verzichten, weshalb Franz Semper und Luca Witzke in Hannover zum Team stießen. Auch Kreisläufer Justus Fischer ist wegen eines Daumenbruchs nicht einsatzfähig.

Der DHB hat für dieses Olympia-Qualifikationsturnier eine Liste von 35 Spielern gemeldet, von der Akteure nachnominiert werden können. Und natürlich befinden sich auch die Namen von Kreisläufern darunter, nämlich die von Tim Zechel und Hendrik Pekeler. Sollte Gislason tatsächlich dazu gezwungen sein, würde die Wahl wohl auf Pekeler fallen, jedenfalls teilte Kromer mit, dass Gislason bereits mit ihm telefoniert habe.

Der 32-jährige Kieler hatte im Januar nach 122 Länderspielen und 210 Toren seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklärt, sich aber in Absprache mit Gislason exakt für diesen Fall ein Hintertürchen offen gelassen, wie der Bundestrainer bestätigte: "Falls Golla und zwei weitere Kreisläufer kaputtgehen in der Olympiavorbereitung, wird er uns aus alter Verbundenheit helfen." Allerdings nur für die Qualifikation, in Paris würde Pekeler nach eigener Aussage nicht zur Verfügung stehen.

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