Handball-Bundestrainer:Eine Kröte für Gislason

Lesezeit: 3 min

Bundestrainer Alfred Gislason (r) klatscht mit Renars Uscins (l) ab. (Foto: Sören Stache/dpa)

Nur wenn Alfred Gislason mit den deutschen Handballern die Olympia-Qualifikation schafft, verlängert sich sein Vertrag bis zur Heim-WM 2027. Frauen-Bundestrainer Markus Gaugisch erhält ebenfalls einen Vertrag bis 2026 - ohne Bedingung.

Von Ralf Tögel

Alfred Gislason saß entspannt auf dem Podium im Keller der riesigen Kölner Arena, als er bei der Handball-Europameisterschaft zum letzten Mal offiziell das Wort ergriff. Er hatte die 31:34-Niederlage gegen Schweden im Spiel um Platz drei zu erklären, somit stand der undankbare vierte Platz im Abschlusszeugnis des Bundestrainers. Gislason, 64, nutzte diese letzte Gelegenheit trotzdem für Werbung in eigener Sache: Er habe seinen Arbeitgeber wissen lassen, dass er mit dieser Mannschaft bis zur Heim-WM 2027 weiterarbeiten will. Mehrmals, fügte der Isländer noch an. Zumal er "einen steinigen Weg" hinter sich habe, womit Gislason auf den umfangreichen Umbruch im Team anspielte.

Eine Medaille hätte dieses Turnier mit ausverkauften Hallen und einer großer Begeisterung zwar aus Sicht des Gastgebers veredelt und die Argumente des Bundestrainers verstärkt, der vierte Platz gab aber das momentane Leistungsvermögen der Auswahl recht präzise wieder. Jeweils knappe Niederlagen gegen den neuen Europameister Frankreich, Endspielgegner und Weltmeister Dänemark und den entthronten Titelverteidiger Schweden; diese Nationen werden auch bei den Olympischen Spielen im Juli und August die Favoriten sein. Immerhin hatte die Auswahl des Deutschen Handballbunds (DHB) Spanien und Norwegen hinter sich gelassen, die in der Weltrangliste vor ihr stehen. Der DHB ist in diesem Ranking Siebter, hinter den genannte Ländern und Afrikameister Ägypten. In Paris soll der nächste Angriff auf das Triumvirat des Welthandballs erfolgen: mit Alfred Gislason.

Handball-Bundestrainer
:Freie Fahrt für Gislason

Der Deutsche Handballbund möchte den Bundestrainer mit einem langfristigen Vertrag ausstatten - sogar bis zur Heim-WM 2027. Nur die Olympia-Qualifikation sollte er auf dem Weg nicht vergeigen.

Von Carsten Scheele

Der DHB hat nun verkündet, was von der Fachwelt erwartet wurde: "Wir halten gerade mit Blick auf die kommenden Heim-Weltmeisterschaften im Jahrzehnt des Handballs weiter Kurs", ließ DHB-Präsident Andreas Michelmann in einer Presseerklärung mitteilen, man habe "mit Blick auf andere Nationen gelernt, dass Kontinuität ein Schlüssel für sportlichen Erfolg ist". Daher wurde nicht nur mit Gislason bei den Männern, sondern auch mit Frauen-Bundestrainer Markus Gaugisch, 49, verlängert. Dessen neuer Vertrag läuft bis zum 30. Juni 2026, was die WM im kommenden Jahr einschließt, die der DHB gemeinsam mit den Niederlanden ausrichtet. Erstes Ziel für Gaugisch ist die Olympia-Qualifikation von 11. bis 14. April, beim Heimturnier in Neu-Ulm gegen Montenegro, Slowenien und Paraguay sind die DHB-Frauen Favorit. Die beiden erstplatzierten Teams erhalten das Olympia-Ticket.

Für die Aussicht auf die Heim-WM 2027 nimmt Gislason das Druckmittel Olympia in Kauf

Gleiches gilt für die deutschen Männer, die bereits einen Monat früher gegen Kroatien, Österreich und Algerien (14. bis 17. März) um die Fahrkarte nach Paris spielen. Der DHB ist auch hier Gastgeber und schickt in Hannover den Favoriten ins Qualifikationsturnier, trotz der EM-Niederlage im bedeutungslosen Spiel gegen Kroatien und dem Remis gegen Österreich. Allerdings wurde für Gislason, dessen Vertrag bis zum 28. Februar 2027 datiert ist, eine Hürde eingebaut, wie der DHB versteckt in einem der hinteren Absätze mitteilte: "Voraussetzung für die Laufzeit ist eine erfolgreiche Qualifikation für die Olympischen Spiele. Sonst endet der Vertrag in 2024." Aus DHB-Sicht eine sinnvolle Klausel; vergeigt der Bundestrainer Olympia, könnte sofort der Neuaufbau mit einem jüngeren Nachfolger gestartet werden, Kandidaten wären Florian Kehrmann, 46, und Maik Machulla, 47. Doch damit rechnet intern beim DHB niemand.

Diese ungewöhnliche Auflage ist auch den Ergebnissen der Vergangenheit geschuldet, Platz 12 bei der WM 2021 und das Olympia-Aus im Viertelfinale von Tokio waren enttäuschend, ebenso Platz sieben bei der - wenig aussagekräftigen - Corona-EM vor zwei Jahren. Dagegen zeigten Rang fünf bei der WM im Vorjahr sowie nun das EM-Ergebnis eine positive Entwicklung der Mannschaft, die Gislason extrem verjüngt hat. Führungskräften wie Juri Knorr und Julian Köster, beide 23, sowie Kapitän Johannes Golla, 26, sind weitere Leistungssprünge zuzutrauen. Was auch für die vier U21-Weltmeister gilt, die Gislason zuletzt erfolgreich in den Kader eingebaut hat.

Der Plan des Isländers liegt auf der Hand: Bei den kommenden Großturnieren (WM 2025 und EM 2026) will er den Kader finden, der bei der Heim-WM 2027 ernsthaft um den Titel mitspielen kann. Damit würde er zum Finale der eigenen Trainerkarriere, Gislason ist dann 67 Jahre alt, einen Unsterblichkeitsstatus im deutschen Handball erlangen. Und dafür schluckt er auch gerne die Kröte der Olympia-Auflage.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusInterview mit Alfred Gislason
:"Ich brauche Spieler, die selbständig denken"

Handball-Bundestrainer Alfred Gislason spricht über sein junges Nationalteam, seine sehr direkte Art im Umgang mit den Spielern - und er erklärt, weshalb er Hansi Flick vermisst.

Interview von Carsten Scheele und Ralf Tögel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: