Golf:Wann ist ein Masters ein Masters?

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Titelverteidiger Jon Rahm aus Spanien spielt inzwischen zwar auch auf der LIV-Tour, darf aber beim Masters antreten. (Foto: David J. Phillip/AP)

Der Weltklasse-Golfsport ist zweigeteilt, hier die US-Tour, dort die Saudi-Tour. Scharf geführt wird die Debatte über den Wert von Turnieren, wenn gute Spieler fehlen. In Augusta, wo sich diese Woche die Elite trifft, will man dem Problem mit Sonderregeln begegnen.

Von Felix Haselsteiner

Einen Monat ist es her, als über Talor Gooch ein Tsunami hereinbrach, den er eigenhändig ausgelöst hatte. Der 32-jährige Golfer aus Oklahoma spielt auf der saudi-arabischen LIV-Tour und gewann dort in der vergangenen Saison die Einzelwertung, weshalb er zu einem der Gesichter der neureichen Tour ausgerufen wurde und man ihm jetzt häufiger ein Mikrofon hinhält. Solche Gelegenheiten nutzt Gooch dann für Thesen, die ganz im Sinne des Stils der neuen Großsponsoren seiner vielen Millionen US-Dollar sind: höchst provokant.

Gooch hatte diesmal im australischen Magazin Golf Digest die These vorgebracht, dass ein etwaiger Sieg des Weltranglistenzweiten Rory McIlroy beim Masters, das diese Woche ab Donnerstag in Augusta stattfindet, einen verringerten sportlichen Wert hätte, weil einige der besten Spieler der Welt nicht partizipieren werden: "Man müsste so einen Sieg mit einem Sternchen markieren", sagte Gooch, der sich - unausgesprochen, aber aus seiner Sicht verständlich - zum Kreis jener weltbesten Spieler zählt.

Die Nutzer in den sozialen Medien reagierten auf bewährte Weise und lieferte eine beachtliche Liste an Vorschlägen für sogenannte Gooch-Sternchen bei Turnieren. Ein herausragendes Beispiel: Tiger Woods' erster Sieg in Augusta 1997 etwa sollte mit einem Sternchen versehen werden - immerhin fehlte damals ja Gooch, der leider mit der Vorbereitung auf seine Einschulung beschäftigt war. Der ehemalige Profi Rocco Mediate sprach im Radio für viele beteiligte Profis, als er sagte: "Was hat er denn eigentlich jemals erreicht, um überhaupt so etwas zu sagen? Dass jemand wie er auf der LIV-Tour gewinnt, ist doch peinlich."

Provokante Thesen: Golf-Profi Talor Gooch, Vertreter der LIV-Tour. (Foto: Jon Ferrey/AP)

Die Wellen des Tsunamis sind inzwischen wieder ausgerollt, auch weil McIlroy auf bösartige Antworten verzichtete und die Internetgemeinde das nächste Thema fand, über das man sich lustig machen könnte. Und doch bleibt eine nicht unbedeutende Frage zurück: Könnte Gooch nicht vielleicht sogar recht haben?

Für eine Antwort muss man eintauchen in die Welt der Qualifikationskriterien für Golfturniere, die komplex sind, allerdings nicht ganz so komplex wie ein Raketenwissenschaftsstudium: Sponsoreneinladungen, Tour-Überschneidungen, ehemalige Sieger mit Ehrenqualifikationen - die Liste der Gründe, warum ein Spieler bei einem Turnier dabei ist, ist so lang, dass teilweise nicht einmal die Protagonisten durchblicken und die Turnierplanung für eine Saison in den meisten Fällen ihren Managern überlassen - nach dem Motto "Schau mal, wo ich reinkomme". Grundsätzlich aber gilt eine Regel: Eine Positionierung unter den besten 50 Spielern in der Weltrangliste garantiert einen Start bei den vier größten Turnieren des Jahres.

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Hier entsteht die große Debatte deshalb, weil die Golfwelt inzwischen zweigeteilt ist, was die Sache - wie bei jeder Scheidung - wesentlich komplizierter macht. Bis Juni 2022 gab es die dominante PGA-Tour sowie kleinere, weltweite Turnierserien wie die European Tour, auf denen überall nach denselben Regeln gespielt wurde (vier Tage, 72 Löcher, ein Sieger) und Spieler Punkte für die Weltrangliste sammeln konnten. Dann kam die LIV-Tour, auf der Saudi-Arabiens findige Gestalter ein neues, verkürztes Format etablierten (drei Tage, 54 Löcher, Team- und Einzelwettbewerb).

Das wäre ein wenig so, als würde die Fußball-Bundesliga nur noch 70 statt 90 Minuten spielen und trotzdem erwarten, noch Startplätze für die Champions League zu bekommen. Was wiederum die Gemeinschaft hinter der Golf-Weltrangliste, der OWGR, genauso sah: Sie entschied, keine Weltranglistenpunkte für LIV-Turniere zu vergeben - damit begann die Diskussion, die nun zum Masters wieder aufflammt.

Goochs erfolgreiche Saison auf der Saudi-Tour führte ihn von einem Ranking unter den 100 besten Spielern der Welt auf Platz 568, obwohl er nachweislich besser spielte als die Mehrheit der 567 Spieler vor ihm. Das wiederum kann nicht im Sinne des Sports sein, bei aller berechtigter Kritik am vereinfachten Format, in dem auf der LIV-Tour gespielt wird.

Ein negativer Effekt auf die Einschaltquoten ist belegt

Die OWGR allerdings hat ihren Standpunkt noch einmal verfestigt, die Saudi-Seite hat das inzwischen unter Protest akzeptiert. Weshalb sich die Gooch-Frage stellt: Braucht es ein Sternchen für gewisse Turniere? Auffällig ist das Fehlen vieler großer Namen auf der PGA Tour schon: Bei der bedeutenden Players Championship im März waren Brooks Koepka, Cameron Smith und Jon Rahm nicht vertreten, also drei Sieger der vergangenen fünf Major-Turniere. Ein negativer Effekt auf die Einschaltquoten ist belegt, die sportlichen Konsequenzen der Absenzen dürften im Golf mindestens genauso einzuordnen sein wie in anderen Sportarten.

Die Frage nach dem sportlichen Wert wird immer wieder diskutiert: Im Tennis etwa kam der Sieg des Österreichers Dominic Thiem bei den US Open 2020 in Abwesenheit von Roger Federer und Rafael Nadal sowie nach einer Disqualifikation von Novak Djokovic zustande - ist er weniger wert? Und dass der FC Bayern im selben Jahr in einem einmaligen Format ohne Hin- und Rückspiel die Champions League gewann, würde Gooch womöglich ebenfalls erwähnen und ein Sternchen setzen.

Die Suche nach Antworten auf die Frage, wann ein Turnier ein Turnier ist, erscheint ebenso unergiebig zu sein wie die Suche nach Lösungen für das Dilemma im Golfsport, wo alle Beteiligten gerne häufiger die wirklich besten Spieler auf demselben Platz gegeneinander spielen sehen wollen - wo es aber im dualen Saudi-US-System vorerst keine Zusammenkunft geben wird. Es bleiben nur die Major-Turniere und ihre Sonderregeln zur Ehrenrettung: Beim Masters gehen 13 LIV-Spieler aufgrund solcher Spezialfälle an den Start - und die Veranstalter haben durchaus Feingefühl bewiesen: Der Chilene Joaquin Niemann - derzeit herausragend in Form - erhielt eine Sondereinladung des Augusta National Golf Club aufgrund seiner Verdienste in jüngster Zeit (und sicherlich auch wegen der Aussicht auf bessere Auslandsvermarktung des Turniers in Lateinamerika).

Gooch hingegen bekam so eine Sondereinladung nicht. In gewissen Fällen bleibt Augusta ein hartes Pflaster - wo nichts vergessen wird. Schon lange vor seinen kontroversen Kommentaren hatte Gooch sich im prestigeträchtigsten Klub der Welt ein besonderes Sternchen hinter seinem Namen verdient, das ihn als Persona non grata ausweist. Bei seinem Debüt 2022 hatte er sich einen Fauxpas geleistet, über den man in Augusta bis heute den Kopf schüttelt und der ein weiteres, schönes Beispiel für die unzähligen Eigenheiten im Golfsport ist: Gooch hatte beim Üben auf dem Grün eine kurze Hose getragen.

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