Den Tag, an dem im Profigolf eine neue Zeitrechnung anfing, eröffnete eine bekannte Stimme. "Aufregender Tag, nicht wahr, mein Großer?", sagte Tiger Woods zur Begrüßung in eine illustre Runde. Man sah ihn noch nicht, berichteten später Teilnehmer an einem kurzfristig einberufenen Videocall, zu dem alle Spieler der PGA Tour eingeladen waren, erst später habe der bekannteste Golfer der Welt seine Kamera eingeschaltet. Aber man konnte Woods' freudige Aufregung offenbar schon am Anfang aus seiner Stimme heraushören, als er seinen Kollegen Peter Malnati ansprach, die Nummer 245 der Welt, der gemeinsam mit Woods im Spielerrat der Tour sitzt - und den historischen Deal mitverhandelt hatte, der am Mittwoch vorgestellt wurde.
Die traditionsreiche PGA Tour verabschiedet sich von ihrer ehrwürdigen Vergangenheit, um sich die Zukunft zu vergolden. So lautet die prägnante Zusammenfassung, die im Detail doch ein wenig komplizierter ist, aber ein entscheidendes Merkmal hat: Die finanzstärksten Investoren aus Saudi-Arabien sind vorerst nicht an dieser Zukunft beteiligt.
Stattdessen bekommt die US-Golfwelt eine beachtlich große Finanzspritze aus der alten Welt: Eine Art Best-of der großen, finanzkräftigen US-Sportinvestoren unter dem Dach der sogenannten Strategic Sports Group (SSG) wird kurzfristig 1,5 Milliarden US-Dollar bereitstellen, mittelfristig sogar den doppelten Betrag. Im Gegenzug wird aus der Sporttour ein Unternehmen: Die PGA Tour ist nicht mehr unabhängig und gemeinnützig wie bislang, sondern ein profitorientiertes Unternehmen und offen für Investoren aus dem Private-Equity-Bereich.
In vielen kleineren Sportarten sind derartige Deals und Vorgehensweisen bereits seit Jahren weitverbreitet, um als Gesamtprodukt attraktiver für Investoren zu werden - der Maßstab ist im Falle der US-Golftour allerdings beachtlich groß. Das Investment erfolgt auf einer Bewertung des Gesamtunternehmens von 12,3 Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: Laut Recherchen von Bloomberg bewerten Investoren die deutsche Fußball-Bundesliga derzeit mit 11,6 bis 13,5 Milliarden US-Dollar.
Die Verbindungen reichen bis zum FC Liverpool und zum Baseball-Team der Boston Red Sox
Bis zu 20 Milliarden hätte man innerhalb der USA an Investments einsammeln können, verlautbarte Jay Monahan, der Commissioner der PGA Tour, der nun Vorstandsvorsitzender des neuen Unternehmens wird. Die Wahl fiel letztlich auf SSG, wo unter anderem John Henry den Ton angibt: Der Gründer der Fenway Sports Group, zu der unter anderem der FC Liverpool und das Baseball-Team der Boston Red Sox gehören, hat zahlreiche Mitstreiter aus der Welt der US-Sportinvestoren versammelt, um in eine der wichtigsten amerikanischen Sportarten zu investieren.
Eine wunderbar patriotische Geschichte ließe sich nun daraus erzählen: US-Investoren finanzieren den US-Sport - und der saudi-arabische Staatsfonds PIF, der mit seiner LIV Tour vor eineinhalb Jahren ein finanzstarkes Gegenprodukt gestartet hat, wird dafür abgewiesen.
In Wahrheit laufen die Verhandlungen mit Saudi-Arabien weiter: Das Bestreben, den PIF ebenfalls als Investor an Bord zu bringen, ist weiterhin offiziell verbrieft, Monahan reiste im Januar mitsamt SSG-Investoren zu Verhandlungen in den Nahen Osten. Idealerweise sollen die Saudis noch einige Milliarden mehr mitbringen und letztlich auch die Profis, die sie derzeit der Reihe nach abwerben: Auf den Spanier Jon Rahm folgte vor wenigen Tagen der britische Ryder-Cup-Spieler Tyrrell Hatton, der in der kommenden Saison auf der LIV Tour an den Start gehen wird.
Hinter dem Investoren-Deal steckt daher eine klare Nachricht an die Saudis: Es wäre schön, wenn sie noch mit an Bord kämen - allerdings nicht mehr unter allen Umständen. Auch weil es in den USA weiterhin kartellrechtliche Bedenken gegen die Saudi-Beteiligung gibt, hat die PGA Tour nun ihre Position abgesichert und vor allem für ihre Spieler Möglichkeiten geschaffen, um ähnlich viel Geld zu verdienen wie auf der LIV Tour. Dank der SSG-Milliarden sind die derzeitigen Preisgelder in Rekordhöhe auf mindestens fünf Jahre garantiert.
Gewinner sind vor allem die Spieler, sie werden nun selbst Teilhaber: 200 Mitglieder der PGA Tour werden Anteile am Unternehmen bekommen - der Umfang wird jeweils individuell verhandelt. Woods dürfte der größte Teilhaber aus dem Spielerfeld werden, nur zu verständlich war deshalb, dass er sich im Rahmen des Telefoncalls allzu erfreut zeigte: "Für mich ist es toll, dabei zu sein", sagte der 15-malige Major-Sieger und erklärte den Reiz des neuen Investments: Jetzt habe jeder Spieler nicht nur persönliches Interesse daran, erfolgreich Golf zu spielen - sondern auch daran, das Produkt der Tour insgesamt zu verbessern: "Je mehr wir in die Tour investieren, desto mehr profitieren wir von ihr. Das hat es in der Geschichte des Sports noch nie gegeben. Wir sind die Ersten", sagte Woods.
Die Pionierarbeit soll sich auszahlen, allerdings auch für die unbekannteren Spieler wie Peter Malnati, der in seiner Karriere zehn Jahre lang mit mäßigem Erfolg auf der PGA Tour spielte - nun aber über sein Dasein als Anteilsinhaber nicht mehr nur Preisgelder, sondern auch ein Vermögen aufbauen kann: "Für mich ist das genauso interessant wie für Tiger", sagte Malnati.
Bleibt die Frage: Was hat der Zuschauer davon? Etwas mehr Ruhe dürfte in die Vorgänge in der Golfwelt einkehren, da erst einmal alle mit Finanzmitteln im Überfluss versorgt sind. Das System der zwei konkurrierenden Touren bleibt vorerst erhalten. Bis auch eine Einigung mit den Saudis erzielt ist, werden die besten Spieler der Welt nicht wöchentlich aufeinandertreffen: Auf der LIV Tour beginnt die Saison am Sonntag in Mexiko, während die PGA Tour für das Turnier im kalifornischen Pebble Beach an einen ihrer ältesten Schauplätze zurückkehrt. Alle Traditionen will man dann auch nicht hinter sich lassen.