Golfer Jon Rahm:Batman wechselt nach Riad

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"Es ist wahr: Ich spiele jetzt bei LIV Golf": Jon Rahm verkündet seinen Wechsel bei Fox News. (Foto: Screenshot Fox News)

Jon Rahm verkündet seine Teilnahme an der saudi-arabischen LIV Tour, erhält dafür angeblich knapp eine halbe Milliarde US-Dollar - und wird zur wichtigsten Schachfigur im Wettstreit der Touren. Was fehlt, sind moralische Bedenken.

Von Felix Haselsteiner

So erwartbar sie gewesen waren, nach den wochenlangen Gerüchten, so unwirklich wirkten dann doch die Bilder, die am Donnerstagabend in den USA über die Fernsehgeräte liefen. In eine schwarze Trainingsjacke mit dem großen LIV Logo auf der Brust gekleidet, saß einer der besten Golfspieler der Welt bei Fox News im Hauptprogramm, im "Special Report". In einer Sendung, die eigentlich für politische Themen reserviert ist und nicht für talentierte Schlägerschwinger, die etwas mitzuteilen haben: "Es ist wahr: Ich spiele jetzt bei LIV Golf", sagte Rahm.

In der kommenden Saison also wird der 29-Jährige auf der vom saudischen Staatsfonds PIF finanzierten LIV Tour und nicht mehr auf der US-amerikanischen PGA Tour antreten. Für diese Karriereentscheidung erhält er nach Recherchen des Golf Channel angeblich 565 Millionen US-Dollar, andere Medien sprachen von eher 400 bis 500 Millionen - so oder so: Er bezieht eine wahnwitzig hohe Summe Geld und wird dafür zu einem Golf spielenden Testimonial, das selbst für saudi-arabische Verhältnisse einen rekordverdächtig hohen Werbewert haben dürfte.

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Denn Rahms Wechsel ist ein Mahnmal für die Entwicklung der gesamten Sportwelt. Es stellt unter Beweis, dass auch Moralisten ein Preisschild haben und dass tatsächlich fast jeder käuflich ist. Rahms Entscheidung, zur LIV Tour überzulaufen, wirkt wie ein Wechsel des Superhelden Batman von Gotham nach Riad, weil der spanische Weltranglistendritte im Golf sich - wie sonst nur Tiger Woods (Captain America) und Rory McIlroy (Superman) - lange Zeit für das Richtige eingesetzt hatte.

Ein erklärter Gegner der LIV Tour und ihrer disruptiven Art, den Sport aufzukaufen und einzunehmen, war Rahm seit Beginn der Debatte vor eineinhalb Jahren gewesen. Einerseits aus praktischen, sportlichen Gründen: "54 Löcher, kein Cut - das ist für mich kein Golfturnier", erklärte er im Juli über das verkürzte Format, in dem LIV-Turniere gespielt werden. Andererseits aus moralischen Gründen. Im Frühjahr sagte Rahm, er habe längst genug verdient, um nie wieder Golf spielen zu müssen, es folgte ein berühmter Satz, der monatelang zitiert wurde: "Würde sich mein Lebensstil ändern, wenn ich 400 Millionen Dollar bekäme? Nein. Es würde sich kein bisschen ändern."

Für die Saudis dürfte das einer Aufforderung gleichgekommen sein, eben noch mehr zu bieten. Rahm gab nun zu Protokoll, dass das Geld schon ein Faktor gewesen sei und er die Entscheidung "im Sinne seiner Familie" habe treffen müssen. Und natürlich gebe es auf der LIV Tour Dinge, die ihm nicht gefallen, das Format zum Beispiel, aber: "Mit denen kann ich leben."

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Heuchelei wird dem einstigen Bedenkenträger nun vielerorts vorgeworfen - nur gilt das auch längst für die traditionsreiche PGA Tour aus den USA. Die moralische Überhand über Saudi-Arabien hat die amerikanische Seite verspielt, seit am 6. Juni dieses Jahres die Bosse beider Organisationen, der PGA- und der LIV-Tour, eine Absichtserklärung zur künftigen Zusammenarbeit verkündeten. Die tiefe Feindschaft der PGA Tour mit den Saudis wurde damals öffentlich beendet und Moralfragen wurden abgeschafft im Sinne des großen Deals, der allerdings noch gar nicht ausverhandelt ist: Bis zum 31. Dezember läuft die Frist noch, dann wollen der saudische Staatsfonds PIF und die PGA Tour ihren Plan für die Zukunft des Golfsports verkünden. Wie der aussieht und ob er überhaupt zustande kommt, weiß niemand.

Dass jetzt 24 Tage vor dem geplanten Ende der Verhandlungen die Saudis einen der wichtigsten Spieler abwerben, ist daher auch ein kühler Schachzug: Spätestens jetzt muss allen auf der US-Seite klar sein, was der PGA Tour blüht, wenn sie die Forderungen des neuen Geldgebers nicht akzeptieren. Schrittweise dürften dann weitere Spieler der Größenordnung Superheld zur LIV Tour wechseln - bis irgendwann keiner von den Avengers mehr übrig bleibt, um die alte Welt zu verteidigen.

Diese politische Komponente ist den Profis und ihren Beratern längst bewusst, im Hintergrund - das deuteten Spieler zuletzt schon an - versucht die Mehrheit der Golfer, sich jeweils einen eigenen Saudi-Exit abzusichern, falls der große Deal nicht klappen sollte. Sie profitieren von einer weiteren Folge von Rahms Wechsel: Die bisherigen Drohmittel der amerikanischen und europäischen Touren, wie der Ausschluss von Turnieren und die Nichtnominierung für den Ryder Cup, sind passé.

Rahm ist als Figur zu groß, als dass es sich etwa die europäische Tour leisten könnte, ihn auszuschließen. Die Spanish Open in Madrid ohne den bedeutendsten aktiven spanischen Golfer zu spielen, ist so wenig vorstellbar wie ein europäisches Ryder Cup Team ohne ihn. "Sie werden jetzt die Regeln ändern müssen für Jon", sagte McIlroy dazu in einem Interview. Seinem europäischen Kollegen und guten Freund machte er keine persönlichen Vorwürfe - McIlroy hat längst eingesehen, dass seine immer wieder vorgetragenen Argumente gegen die Saudis nicht mehr ziehen: "Die Golflandschaft" habe sich eben "längst verändert", sagte er.

Es gilt im Lichte der Verhandlungen der US-Tour mit den saudischen Finanziers die Regel, dass jeder auf sich schaut. Daher passt es in gewisser Weise zu der rücksichtslosen Mentalität, die ihm auf dem Golfplatz so viel Erfolg gebracht hat, dass Jon Rahm nun die kurzfristig sicherste Entscheidung getroffen: die für das Geld der Saudis.

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