Erleichterung herrschte unter den Spielern auf der PGA Tour, als am 10. November eine der Neuerungen für die kommende Saison beschlossen wurde. Golfprofis sind eine von Natur aus anspruchsvolle Gruppe von Menschen; erst recht, da seit inzwischen eineinhalb Jahren Saudi-Arabien im großen Stil mit Geldscheinen dazu beiträgt, dass sich unter den besten Golfern der Welt ein latentes Gefühl von Finanzmacht eingebürgert hat. Entsprechend lautstark sind inzwischen die Forderungen nach "mehr" in allen Kategorien - auch bei den Toiletten.
Die PGA Tour hat ihr Versprechen also gehalten und wird ab Januar Veranstalter von Turnieren dazu verpflichten, mindestens vier mobile Plastiktoiletten pro neun Löcher aufzustellen. Sie reagiert damit auf Klagen wie jene des Weltranglistenzweiten Jon Rahm, der im Sommer gesagt hatte, die Golfer wollten gar nicht immer nur Geld und Macht, sondern "verdammt noch mal ein Klo auf jedem verdammten Loch".
Nun denn: Jetzt, da dieses Problem abgeführt ist: Alle glücklich? Weit gefehlt.
Einen kurzen Moment hatte es Mitte des Jahres gegeben, da hatten alle Beteiligten im Golfsport Anlass zur Hoffnung, dass Frieden einkehren könnte in einen beachtlich entzweiten Sport. Überraschend saßen sich damals die Anführer der zwei Seiten - Jay Monahan, Commissioner der PGA Tour, und Yasir Al-Rumayyan, Vorsitzender des saudischen Staatsfonds PIF - im amerikanischen Fernsehen gegenüber. Sie erzählten der Welt, wie sie zueinander gefunden hätten und warum sie ihre teuren Streitigkeiten vor US-Gerichten beiseitelegen würden.
Die Rechtsverfahren wurden in der Tat in Windeseile aufgegeben. Ein dringend benötigter Schritt, vor allem für die PGA Tour, die drohte, vor Gericht auszubluten. Doch das war nur der eine Teil der Zukunftsvision, die Monahan und Al-Rumayyan vorstellten.
In einem Dokument wurde damals die Erklärung abgegeben, US-Tour, Europa-Tour sowie die saudisch alimentierte LIV-Tour planten eine gemeinsame Unternehmung, die ab sofort alle relevanten Golfturniere unter einem Dach vereinigen könnte. Große Ziele bekundeten die Verantwortlichen an jenem Tag im Juni: Die Finanzstärke der Saudis sollte mit dem Profil der traditionellen US-Golfwelt verschmelzen, die zerstrittenen Spieler beider Touren sollten sich vertragen. Und alle Wünsche sollten sowieso in Erfüllung gehen, bis zu den Toiletten auf den Plätzen.
Einen solchen Ausverkauf einer Sportart gab es wohl noch nie. Viele glaubten jedenfalls das Versprechen. Auch die Akteure, die zwar faktisch die entscheidenden Personen im Sport sind, allerdings wenig über die Vorgänge an der Spitze wissen.
Beide Seiten planen für 2024 erst einmal ihre eigenen Turnierserien
Denn nun, im November 2023, deutet sehr wenig darauf hin, dass die beschworene Zusammenkunft wirklich klappt zwischen den Touren, die versprochen hatten, bis zum 31. Dezember ein detailliertes Vertragswerk vorzulegen. Diese Frist werde demnächst verschoben, heißt es aus US-Quellen. Überhaupt stehe der ganze Deal auf einmal infrage, "dead or dying" nannte ihn das Magazin The Athletic in einer Recherche - tot oder sterbend.
Demnach scheitert er offenbar nicht - wie anfangs erwartet - an Details, wie an Turnierplänen und den Fernsehverträgen, sondern an den großen, weltpolitischen Leitlinien, deren Spuren bis ins Weiße Haus und in den Königspalast von Riad reichen.
Auf US-Seite ermitteln weiter Kongressabgeordnete, wie die Konsequenzen aussähen, würde der saudische Staatsfonds Mehrheitseigentümer einer wichtigen amerikanischen Sportinstitution werden. Unter anderem geht es darum, dass die PGA Tour mit der Fusion ihren Status als steuerfreies Non-Profit-Unternehmen aufgeben würde, dann womöglich kartellrechtlich als Monopol angreifbar wäre. Die Missgunst gegenüber der Fusion ist in Washington groß, hieß es zuletzt in mehreren Berichten.
Sie begründet sich in offenen Fragen unter den Abgeordneten der demokratischen Partei - wegen der engen Verbindungen zwischen Saudis und dem Republikaner Donald Trump: Dem ehemaligen Präsidenten und seinem Schwiegersohn Jared Kushner wird seit Jahren vorgeworfen, während Trumps Amtszeit politischen Einfluss für Privatkredite aus Saudi-Arabien für Kushners Familie ausgenutzt zu haben.
Paul McGinley über den Ryder Cup:"Die Arroganz der Amerikaner hilft uns sehr"
Vor dem Ryder Cup in Rom spricht der ehemalige europäische Kapitän Paul McGinley über die Schwierigkeiten, aus Einzelsportlern ein Team zu formen, die Kultur des Zusammenhalts - und darüber, was das europäische Team von Harry Kane lernen kann.
Der sogenannte "Sheikdown" ereignete sich zwar schon im November 2017, die Sympathien Trumps für Saudi-Arabien und das Golf-Investment sind im Lichte der US-Wahlen im kommenden Jahr aber drängender denn je: Auf drei Trump-Golfplätzen fanden in diesem Jahr Turniere der LIV-Tour statt, der ehemalige Präsident ist dabei gerne selbst am Ort. Er nutzt die Events für Wahlkampfaktionen, für Golfrunden mit Profis - und mit Al-Rumayyan, der rechten Hand des saudischen Kronprinzen Mohammed Bin Salman.
Der wiederum sorgte bereits Ende September in einem Interview mit Fox News für Aufsehen - und Interesse bei den ermittelnden Abgeordneten -, als er zugab, dass durch einen Deal ein Monopol entstehen würde: "Wir werden keinen Wettbewerb mehr haben", sagte Bin Salman und verkündete mit einem Lächeln: "Wenn Sportswashing unser Bruttoinlandsprodukt um ein Prozent wachsen lässt, dann machen wir weiter Sportswashing."
Das weckte bei der amerikanischen Seite offenbar das Interesse, doch noch andere Investoren zu finden. Verhandlungen über den Einstieg einer der einflussreichsten Sportagenturen der Welt, dem Konzern Endeavor, dem unter anderem die Wrestlingserie WWE gehört, scheiterten Ende Oktober. Laut Endeavor-Vorstand Mark Shapiro beendete die PGA Tour die Unterredungen - unklar ist, ob die Saudis im Hintergrund intervenierten. Laut Abkommen haben sie ein Recht darauf, gegenüber jedem anderen Investor Einspruch zu erheben.
Und dann kam die weltpolitische Lage hinzu: Seit der Terrorattacke der Hamas gegen Israel am 7. Oktober reicht die Frage darüber, wie es zwischen den USA und Saudi-Arabien weitergeht, endgültig über die Politik hinaus. Auch die LIV-Tour ist betroffen, heißt es in einem Bericht der New York Post . Viele Deals und Verhandlungen zwischen Nahem Osten und Westen seien in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen vorerst auf Eis gelegt, auch im Sport: Ein Indiz dafür, was dem Golfsport blühen könnte, sind die gescheiterten Bemühungen einer katarischen Investorengruppe um Anteile am Fußballklub Manchester United. Die jüdische Glazer-Familie als Mehrheitseigentümer zog zuletzt einen britischen Investor vor.
Wie es in diesem Lichte zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen PGA Tour und dem Staatsfonds PIF kommen soll, ist derzeit schwer ersichtlich. Die Interessenlage hat sich zwar nicht verändert: Die Amerikaner brauchen Finanzmittel, die Saudis wollen Einfluss in der US-Elite - doch die Umstände könnten für eine derart historische Fusion die falschen sein.
Für 2024 plant jede Seite daher erst einmal ihre eigenen Turnierserien: Die LIV-Tour veröffentlichte jetzt ihren Zeitplan und verkündete, weiter Spieler von der PGA Tour abwerben zu wollen. Dort müssen sich die Profis vorerst mit den kleinen Erleichterungen des Golflebens befassen.