Profi-Golfer Dubuisson:Cactus Kid hat genug

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"Er sieht aus wie ein Hollywood-Star": Der Franzose Victor Dubuisson genoss viel Bewunderung auf dem Höhepunkt seiner Karriere. (Foto: Karim Sahib/AFP)

Victor Dubuisson galt als einer der begabtesten Ballkünstler des Golfsports, nun beendet der Franzose mit nur 33 Jahren seine Karriere: Er sagt, er komme mit dem Leben auf der Tour nicht mehr klar. Glücklich sei er trotzdem.

Von Gerald Kleffmann

Über Victor Dubuisson gibt es diverse Geschichten, die ihn in seiner Kauzigkeit treffend einfangen. Der Franzose war früher zum Beispiel nicht der geduldigste Mensch. Berichten zufolge soll er so manches Mal seine Tasche mit den Golfschlägern am Flughafen gelassen haben - weil er an der Gepäckausgabe partout nicht länger auf diese nach der Landung warten wollte.

Später ließ er sich dann, wie dieser Tage der renommierte Golfjournalist Michael McEwan auf X schilderte, jedes Mal einen neuen Satz Schläger von seinem Ausrüster zusammenstellen, ehe es diesem reichte und er den Vertrag mit dem Golfprofi aufkündigte. Auch Dubuissons Verhältnis zu französischen Medien galt als schwierig. Als er einmal bei der French Open antrat, gönnte er sich einen Seitenhieb. Dubuisson weigerte sich, Fragen von heimischen Reportern zu beantworten und lud stattdessen Schüler einer Schule ein, die ihn dann löchern durften. Er machte vieles anders und auf seine Weise.

Beliebt und respektiert war er trotzdem. Jeder, der sich nur ein wenig auskannte, wusste auch, dass dieser Victor Dubuisson nicht mit gängigen Kriterien zu beurteilen war. Schon seine äußere Erscheinung gereichte nicht wirklich an das übliche Bild gestandener Golfprofis heran. Dubuisson war nicht muskelbepackt, er hatte kein breites Kreuz, dafür einen Bart, der an die Musketiere erinnerte und ihm den Spitznamen D'Artagnan einbrachte.

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Er wirkte eher wie ein introvertierter Künstler, der bei seinem Schaffen stets auf Distanz zur eigenen Branche geht. Sein Talent, sein Ballgefühl und seine zauberhaften Schläge, die er wie Pinselstriche in die Golfplätze zeichnete, waren in jedem Fall außergewöhnlich. Mit den Besten der Besten wurde er verglichen, und daher ist wenig überraschend nun die Anteilnahme in der sogenannten Golfcommunity groß. Einstige Profis, Experten, Medien in Frankreich, England, den USA bedauern, dass Dubuisson seine Karriere beendet hat. Mit 33 Jahren hat er, so seine Begründung, keine Lust mehr auf jenen Sport, in dem ihm nicht wenige eine große und langjährige Karriere prognostiziert hatten.

"Ich habe das Gefühl, an meine Grenzen gestoßen zu sein, und weiß, dass ich anderswo Freude finden kann"

Die Art, wie er diesen Schritt vollzog, passte zu Dubuisson. Eigentlich wollte er in Abu Dhabi am ersten, neu eingeführten Qualifikationsturnier für die lukrative LIV Tour teilnehmen, die hauptsächlich aus dem saudi-arabischen Staatsfonds finanziert wird. Er war auch angemeldet. Doch dann machte Dubuisson Schluss, noch vor dem ersten Schlag. "Ich habe das Gefühl, an meine Grenzen gestoßen zu sein, und weiß, dass ich anderswo Freude finden kann, davon bin ich überzeugt", teilte er in einem Interview mit der französischen Sportzeitung L'Équipe mit. "Ich verbrachte 15 Jahre allein auf der Tour, zusammengerechnet. Mir fehlte der Kontakt zu Menschen." So kam er zu dem Entschluss, aus seinem alten Leben auszusteigen. "Es fiel mir immer schwerer, mit dem Leben auf der Tour klarzukommen", erklärte er. Kurz und knapp moderierte er seine Entscheidung ab: "Ich schlage ein neues Kapitel auf, aber das Leben geht weiter."

Allein dieses Interview war mal wieder ein echter Dubuisson.

Seitdem er im Golfkosmos aufgetaucht war, gab er Rätsel auf, mysteriös blieb er selbst für Kollegen auf der europäischen Tour, die ihn eigentlich kennen sollten. "Ich weiß nicht, was ich von Victor halten soll", sagte einmal der Engländer Lee Westwood, "er ist ziemlich schüchtern und sehr unberechenbar." Einig waren sich viele in den Vorschusslorbeeren. "Dieser Junge ist der nächste europäische Superstar. Er ist vielleicht der Beste, mit dem ich seit Rory McIlroy gespielt habe, und das sagt einiges", sagte etwa der Nordire Graeme McDowell, der mit Dubuisson ein spektakuläres Duo beim Ryder Cup 2014 bildete. Zu jener Zeit war Dubuissons Reputation strahlend wie ein Stern. Keiner wusste eben nur richtig, woher er kam, wie er tickte. Einmal deutete er eine sehr schwierige Kindheit in Cannes an, wo er aufwuchs, mehr erklärte er nie. Aber Golf, dieses Spiel beherrschte er.

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Bester Amateur der Welt war Dubuisson, mit 15 spielte er erstmals die Open de France, die French Open. 2013 gewann er sein erstes Turnier auf der European Tour, in Istanbul, vor einem gewissen Tiger Woods - mehr ging nicht. "Victor hat etwas Besonderes an sich. Er hat Flair und Charisma. Ich mag es, dass er anders ist", sagte Paul McGinley, der 2014 als Ryder-Cup-Kapitän eng mit Dubuisson arbeitete. "Er sieht aus wie ein Hollywood-Star. Er würde sich im Showbusiness genauso gut schlagen wie auf dem Golfplatz."

Der Erfolg führte Dubuisson schließlich nach Amerika, auf die PGA Tour, ein legendärer Auftritt bei einem Turnier in Arizona brachte ihm den Spitznamen Cactus Kid ein; zwischen Kakteen und Geröll hatte er wiederholt akrobatisch den Ball aufs Grün gespielt. Der Ruhm war ihm jedoch nie geheuer, seine Handynummer soll er gewechselt haben, um Anrufen zu entgehen. Manchmal wirkte er wie abgetaucht, dann hieß es, er lebe in Honduras oder Andorra, um Steuern zu sparen. Das Fischen, das ist verbürgt, wurde mehr und mehr seine Leidenschaft.

In den vergangenen Jahren war Dubuisson nur noch selten auf den Touren zu sehen, meist schnitt er bescheiden ab. Seinen Rückzug kann sich der frühere Weltranglisten-15. leisten, um die zehn Millionen Dollar Preisgeld hat er verdient. "Ich sehe mich immer noch als kleines Kind mit meiner kleinen Tasche und meinen Decathlon-Schlägern. Ich war überhaupt nicht für diesen Beruf prädestiniert", sagte er noch im L'Équipe-Interview und versicherte: "Viele Leute werden sagen, dass ich mehr hätte tun können und dass ich die Nummer eins der Welt hätte sein können. Aber ich bin mehr als zufrieden. Ich lebe nicht die ganze Zeit in Reue. Wenn ich zurückblicke, wo ich angefangen habe, und sehe, wo ich bin, kann ich sagen, dass ich sehr glücklich bin."

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