DFB-Frauen:Unzufrieden mit dem Torfestival

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Bisweilen akrobatisch unterwegs: Lea Schüller eröffnet gegen Bulgarien mit ihrem Flugschuss das Torfestival des deutschen Nationalteams. (Foto: Mirko Kappes/foto2press/imago)

Beim 7:0 gegen Bulgarien zum Auftakt in die WM-Qualifikation zeigt das deutsche Nationalteam, was die Bundestrainerin sehen will - und doch gibt es Kritik.

Von Anna Dreher, Cottbus/München

Lina Magull hielt kurz inne, bevor sie mit ihrer Antwort begann. "Ehrlich gesagt bin ich mit meiner Leistung nicht ganz so zufrieden", sagte sie. "Klar, ich habe zwei Tore gemacht, aber von meinem Gefühl her entsprach das nicht meinem Anspruch." Und während Magull rückmeldete, wie sie die Leistung des deutschen Nationalteams und ihre eigene bewertete, kam die Bundestrainerin auf das Podium der Pressekonferenz und setzte sich neben die 27 Jahre alte Mittelfeldspielerin. "Ich hätte gerne weitergespielt, um es besser zu machen, aber das durfte ich nicht", fuhr Magull fort, blickte zu Martina Voss-Tecklenburg rüber und grinste.

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Gerade war das erste Spiel der Qualifikation zur Fußball-Weltmeisterschaft 2023 in Australien und Neuseeland zu Ende gegangen. 7:0 im Cottbuser Stadion der Freundschaft gegen Bulgarien, rein vom Ergebnis her ein Auftakt nach Maß. Aber es gab am Samstagabend eben auch Anlass zur Kritik, darüber täuschte der Kantersieg nicht hinweg. "Alles kann besser werden. Wir müssen lernen, geduldiger ins Spiel zu gehen", sagte Magull. "Präzision ist immer wieder ein Thema, was auf unserer Liste steht."

Für das Nationalteam hat die ernste Phase begonnen im Unterfangen, wieder Titel zu gewinnen

Es war klar, dass Bulgarien für die bevorstehenden großen Aufgaben - die EM in England 2022 sowie die WM im darauffolgenden Jahr - nicht als Maßstab genommen werden kann. Wie auch in den nächsten Partien gegen Serbien, Israel, Portugal und die Türkei lautete die Vorgabe gegen den Auftaktgegner folglich, sich stark auf das eigene Spiel zu fokussieren. Für das Nationalteam hat die ernste Phase begonnen im Unterfangen, wieder Titel zu gewinnen. Wo es derzeit international einzuordnen ist, wird sich erst noch zeigen.

Überraschend war dann, wie holprig die deutschen Spielerinnen in die Partie starteten. Ein bisschen wirkte es, als seien sie überrumpelt worden. Denn so defensiv, wie die Bulgarinnen erwartet worden waren, traten sie zu Beginn nicht auf. Was aber vor allem dazu führte, dass die Gastgeberinnen hellwach und gefährlich wurden.

Kaum zu stoppen: Doppeltorschützin Lina Magull (rechts) im Zweikampf mit der Bulgarin Ivana Naydenova. (Foto: Robert Michael/dpa)

In der 21. Minute sah Sara Däbritz, dass Kathrin Hendrich auf der rechten Seite gestartet war. Die gab den Ball direkt weiter zu Bayern Münchens Lea Schüller, die ihn akrobatisch mit dem Unterschenkel aus der Luft über die Linie zum 1:0 bugsierte. Der Gesichtsausdruck der Bundestrainerin verriet ihre Gedanken: "Na endlich!" Drei Minuten später profitierten die DFB-Frauen von einem inkonsequenten Klärungsversuch, an dessen Ende Magull wuchtig zum 2:0 traf. Sie setzte noch einen drauf, nachdem der Ball in der 33. Minute wie beim Flipper von deutschen auf bulgarische und zurück auf deutsche Füße sprang.

Direkt nach der Pause veränderte Voss-Tecklenburg ihre Formation auf drei Positionen, was deren Rhythmus aber nicht sonderlich störte. Seit den ersten Treffern war das deutsche Spiel flüssiger und dynamischer geworden, das Team blieb hartnäckig, wie es die Bundestrainerin vorab gefordert hatte. Woran es jedoch fehlte, war auch Spielruhe - obwohl die Bulgarinnen längst keinen Druck mehr ausüben konnten. "Wir hatten heute Situationen, da müssen wir gar nicht hektisch oder nervös sein", sagte die 53-Jährige, als Magull das Podium wieder verlassen hatte. "Dass wir Qualität haben, sieht man. Aber wir brauchen mehr Konstanz in unseren Aktionen."

Bulgarien ist in der zweiten Hälfte vor allem mit Verteidigen beschäftigt - diverse Male ohne Erfolg

5000 Zuschauer hätten gemäß der Corona-Hygienevorschriften ins Stadion gedurft, lediglich 1534 kamen. Die Aussicht auf das maue Interesse hatte Voss-Tecklenburg schon am Freitag enttäuscht: "Wir sind eine Nation, ein Fußball. Es geht auch um eine Symbolik nach draußen. Wir haben hochmotivierte, professionelle, spielfreudige Spielerinnen, die Unterstützung verdienen." Auch am Dienstag gegen Serbien (16 Uhr, ZDF) wird in Chemnitz kein ausverkauftes Stadion erwartet.

Diejenigen, die am Samstag zuschauten, sahen in der zweiten Hälfte noch ein Torfestival. Bulgarien war mit Verteidigen beschäftigt - diverse Male ohne Erfolg. 67. Minute, 4:0 durch die eingewechselte Linda Dallmann. 72. Minute, Kopfball zum 5:0 durch Schüller nach einer Ecke. 76. Minute, Tabea Waßmuth mit einer frechen Direktannahme zum 6:0. Zum Abschluss zeigte Dallmann beim 7:0 noch ihre feine Technik (82.). Und es hätte noch öfter gejubelt werden können. Die Chancenverwertung war ein weiterer Kritikpunkt angesichts des hohen Anspruchs, den der achtmalige Europa- und zweimalige Weltmeister an sich hat.

Manch junge Spielerin brauche, egal gegen welchen Gegner, eben noch etwas Zeit, um in eine Partie rein zu finden, sagte Voss-Tecklenburg. Aber, und das war ihr ebenso wichtig wie die Bemängelung mancher Aspekte, sie habe auch viele tolle Dinge gesehen. "Wenn ich anschaue, wie Jule Brand reinkommt und Fußball spielt, als sei sie gerade auf dem Schulhof", sagte sie, "dann ist das einfach schön zu sehen". Die 18 Jahre alte Offensivspielerin der TSG Hoffenheim zählt zu den Entdeckungen der vergangenen Monate - und lieferte gegen Bulgarien einen weiteren Beweis, dass die Kadermischung aus erfahrenen und jungen Spielerinnen gut passt. Auch wenn noch nicht alle mit allem zufrieden sein können.

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