Fußball-WM:Senegals Last-minute-Transfer

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So sehen Sieger aus: Ismail Jakobs (rechts) und Nicolas Jackson nach dem 2:1 Senegals gegen Ecuador. (Foto: Buda Mendes/Getty Images)

Der ehemalige deutsche U21-Nationalspieler Ismail Jakobs steht mit Senegal im WM-Achtelfinale. Seine Spielberechtigung kam wenige Stunden vor Turnierbeginn, vor ein paar Monaten dachte er noch nicht an Katar. Damit ist er kein Einzelfall.

Von Sebastian Fischer

Folgt man dem Glauben von Ismail Jakobs, war es quasi vorherbestimmt, dass er nun zum Team Senegals gehört, das im WM-Achtelfinale auf England trifft. Jedenfalls veröffentlichte er auf seinem Instagram-Kanal ein Foto, das ihn als Kind im Trikot des 1. FC Köln bei einer Jugendfußballpartie zeigt, im Hintergrund der Aspire Tower von Doha. Dazu schrieb Jakobs: "God's Plan", Gottes Plan.

Nach irdischen Maßstäben war der Weg von Jakobs, 1999 in Köln als Sohn einer deutschen Mutter und eines senegalesischen Vaters geboren, zu dieser WM alles andere als geplant. Er war von schwer vorhersehbaren Wendungen gekennzeichnet. So wie bei einigen Spielern bei diesem Turnier.

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Im Juni 2021 wurde Jakobs mit der deutschen U21 Europameister. Im Juli 2021 spielte er nur deshalb nicht bei Olympia für Deutschland, weil er so gut wie zeitgleich nach 43 Bundesligaspielen für den FC zur AS Monaco nach Frankreich wechselte. Erst im September 2022 lief er erstmals in zwei Freundschaftsspielen für Senegal auf. Und noch am Tag von Senegals erstem WM-Spiel in Katar war Jakobs' Verbandswechsel von der Fifa nicht bestätigt worden. Wenige Stunden vor dem Anpfiff der Partie gegen die Niederlande fehlte seine Spielberechtigung. Deshalb stand Jakobs beim 0:2 nicht in der Startelf.

Mehr als 130 Fußballer spielen bei der WM in Katar für Länder, in denen sie nicht geboren wurden. Manche von ihnen debütierten erst in den vergangen Monaten für ihren neuen Verband. Das ist nicht neu, 2010 spielte etwa Kevin-Prince Boateng erst kurz vor der WM zum ersten Mal für Ghana. Diesmal, vielleicht dem ungewöhnlichen Austragungstermin des Turniers mit all seinen Unwägbarkeiten geschuldet, gibt es allerdings eine Reihe an Beispielen.

Offenbar sind mehrere Bundesligisten daran interessiert, Jakobs aus Monaco auszuleihen

Abdelhamid Sabiri, ehemals deutscher U21-Nationalspieler, läuft seit September für Marokko auf. Bryan Mbeumo, einst für Frankreichs Junioren im Einsatz, spielt seit Kurzem für Kamerun. Beim 3:2 gegen Südkorea standen vier Fußballer für Ghana in der Startelf, die im Sommer noch keine ghanaischen Nationalspieler waren: Saris Abdul Samed und Mohammed Salisu sowie Tariq Lamptey, 20 Einsätze für englische Juniorennationalteams, und Iñaki Williams, der schon ein Testspiel für Spaniens A-Elf bestritt.

Otto Addo, im Hauptberuf Talente-Betreuer bei Borussia Dortmund und seit Februar Ghanas Chefcoach, musste zum Thema eine kleine Debatte moderieren: "Es kann eine Gefahr sein, neue Spieler zu holen", sagte er. "Besonders wenn die Spieler, die vorher da waren, etwas sehr Gutes erreicht haben. Es gibt eine Gruppendynamik, die will ich nicht stören." Doch er versicherte: Die Neuen würden gut aufgenommen. Der Verband hatte gezielt nach Spielern mit ghanaischen Wurzeln gesucht.

Im Fall von Senegal gab es in jüngerer Vergangenheit tatsächlich einen großen Erfolg: Die Mannschaft, damals angeführt vom nun verletzten Sadio Mané, gewann zu Beginn des Jahres die Afrikameisterschaft. Ismail Jakobs dachte damals wohl noch nicht daran, dabei zu sein. Der Kontakt zum Verband, heißt es, sei erst in der Vorbereitung auf die WM intensiver geworden. Für Senegal war der Bedarf auf seiner Position offensichtlich: Saliou Ciss, Stamm-Linksverteidiger beim Afrika-Cup-Sieg, ist inzwischen vereinslos. Und Jakobs dürfte nicht zuletzt auch die Aussicht auf die Turnierteilnahme gereizt haben.

Was seine Spielberechtigung anging, gab es dann offenbar ein paar Tücken. So war Jakobs zum Beispiel bei seinen neun Einsätzen für Deutschland zwar U21-Nationalspieler, der Verbandswechsel war also möglich. Allerdings war er bei der U21-EM im Sommer 2021 schon älter als 21. Dem Vernehmen nach dauerte es jedenfalls etwas, bis die für solche Fälle korrekten Formulare unterschrieben waren. Zwei Stunden vor dem Spiel gegen die Niederlande bekam Trainer Aliou Cissé vom Teammanager die frohe Botschaft mitgeteilt.

Eingewöhnungsschwierigkeiten hatte er dem Augenschein nach keine, spätestens seit dem zweiten WM-Spiel läuft es für ihn hervorragend. Bei den Siegen gegen Katar und Ecuador spielte er von Beginn an, bereitete ein Tor vor. Offenbar sind mehrere Bundesligisten daran interessiert, ihn aus Monaco auszuleihen, wo er kein Stammspieler ist. Erst mal hat er aber noch andere Pläne. Nach dem fürs Weiterkommen entscheidenden Erfolg gegen Ecuador am Dienstag sagte er: "Wir wollen Weltmeister werden."

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