SZ-Elf des Turniers:Die Besten einer Team-WM

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Drei Spielerinnen des Turniers: Nouhaila Benzina, Aitana Bonmatí, Amanda Ilestedt (von links) (Foto: James Gourley/Imago, Mark Baker/AP, Jon Olav Nesvold/Imago)

Es war keine Weltmeisterschaft der Individualistinnen, aber elf Spielerinnen darf man hervorheben: Die SZ-Elf des Turniers, mit einer USA-Besiegerin, der "Iniesta des Frauenfußballs" und einer Torjägerin, auf deren Wade eine ganze Nation schaute.

Von Anna Dreher und Felix Haselsteiner, Sydney

Ob es nun wirklich die beste Weltmeisterschaft der Geschichte gewesen ist, mag strittig sein, aber in jedem Fall war das Turnier in Australien und Neuseeland eines, das vier Wochen lang eher von Systemen und Kollektiven geprägt wurde als von Individualistinnen. Inmitten zahlreicher Teams, die als Einheit erfolgreich waren, fand die SZ allerdings dennoch elf Spielerinnen, die herausragten, durch Tore, Paraden, Pässe - und durch Zeichen, die sie auf dem Feld setzten.

Tor

Zecira Musovic

(Foto: Hannah McKay/Reuters)

So enttäuscht Zecira Musovic nach dem Ausscheiden Schwedens im Halbfinale wirkte, so ehrlich stimmte sie einer Reporter-These zu: "Ja, für mich persönlich war es ein gutes Turnier", sagte die 27-Jährige, die als Nummer zwei des FC Chelsea zur WM reiste und aus Australien zurückkommen wird mit dem Titel "Weltmeisterinnen-Bezwingerin". Im Achtelfinale war Musovic mit unzähligen Paraden mehr oder weniger allein verantwortlich für das Ausscheiden der USA, davor und danach war sie sicherer Rückhalt einer der besten Defensivreihen des Turniers. Stark auf der Linie, gut am Ball - und in Interviews mit einem gesunden Selbstvertrauen ausgestattet, so bleibt Musovic in Erinnerung. Kaum vorstellbar ist allerdings, dass jemand wie sie in Zukunft nicht Stammtorhüterin in ihrem Verein ist.

Abwehr

Nouhaila Benzina

(Foto: Charlotte Wilson/Offside Sports Photography/Imago)

Das 0:6 Marokkos gegen Deutschland sah die 25-jährige Verteidigerin noch von der Bank aus, gegen Südkorea gab Nouhaila Benzina dann ihr historisches Debüt: Sie wurde zur ersten Fußballerin, die bei einer WM mit Hidschab spielte. Das muslimische Kopftuch zu tragen, ist bei der Fifa seit 2014 erlaubt und wurde zu einem bedeutenden Zeichen bei einem bedeutenden Spiel: Das 1:0 markierte den ersten WM-Sieg für Marokko sowie den ersten einer arabischen Nation überhaupt. Benzina hatte mit ihrer resoluten Zweikampfführung entscheidend dazu beigetragen - und ist zu einem Vorbild für viele geworden. Mit dem anschließenden Achtelfinaleinzug standen sie und ihr Team zudem für den Aufschwung eines ganzen Kontinentes: Von vier afrikanischen Teilnehmern schafften es mit Nigeria, Südafrika und Marokko drei unter die letzten 16.

Amanda Ilestedt

(Foto: Alessandra Tarantino/AP)

Eine Chance hätte Amanda Ilestedt noch gehabt, doch Schwedens Elfmeter im Spiel um Platz drei schoss Fridolina Rolfö - weshalb ihre Kollegin aus der Innenverteidigung knapp nicht als beste Torschützin des Turniers ausgezeichnet wurde. Eine bronzene Medaille tröstete Ilestedt, es ist ihre zweite nach 2019 und einmal mehr war sie eine der besten Spielerinnen des Turniers. Nicht nur wegen ihrer vier Tore nach Standards, die ihr viel Aufmerksamkeit einbrachten, sondern auch, weil Ilestedt stellvertretend für die Qualitäten der Schwedinnen steht: Physisch dominant verteidigte sie gemeinsam mit Magdalena Eriksson und war ansonsten vor allem eines: mannschaftsdienlich. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass sie sich gar nicht erst für den Elfmeter meldete - und Tore schießt Ilestedt ohnehin am liebsten aus noch kürzerer Distanz.

Wendie Renard

(Foto: Patrick Hoelscher/News Images/Imago)

Mit ihren 1,87 Metern und der Erfahrung aus 150 Länderspielen ragte Wendie Renard einmal mehr heraus, gegen ihre Lufthoheit fand kaum ein Team Mittel. Frankreichs Innenverteidigerin traf nach einem Standard per Kopf und orchestrierte die Defensive - die nächste Turnierenttäuschung allerdings konnte auch sie nicht verhindern. Frankreich hat als einzige Nation in den vergangenen 15 Jahren bei jeder EM oder WM mindestens das Viertelfinale erreicht, doch nach dem historischen Elfmeterschießen gegen Australien war trotz der hohen individuellen Qualität der Titeltraum erneut zu Ende. Aufschwung war trotzdem zu spüren: Die 33-jährige Kapitänin hatte vor ihrer vierten WM mit einer Revolte den Anstoß zum Trainerwechsel gegeben. Unter Hervé Renard spielten die Französinnen dann befreit auf - mit der Aussicht auf Olympia 2024 in Paris.

Mittelfeld

Aitana Bonmatí

(Foto: Hannah McKay/Reuters)

Pep Guardiola fiel bislang nicht als Kommentator der Geschehnisse bei der Weltmeisterschaft auf, aber auf Aitana Bonmatí angesprochen, kam er vor einigen Tagen ins Schwärmen: "Ich bin verliebt in die Art und Weise, wie sie Fußball spielt." Sie sei der "Iniesta des Frauenfußballs" und wer Bonmatí ein wenig kennt, weiß: Das war das bedeutendste Kompliment ihrer Karriere - Guardiolas Barça mit Iniesta im Zentrum animierte sie schließlich einst zum Fußballspielen. Nun trat sie in die Fußstapfen ihres Idols: Sie dominierte Spielfelder von Wellington bis Sydney nach Belieben, bestimmte den Rhythmus des spanischen Spiels und erzielte drei sehenswerte Tore. Und völlig zu Recht wurde sie daher als beste Spielerin des Turniers ausgezeichnet - das hatte beim spanischen WM-Sieg 2010 nicht einmal Iniesta geschafft.

Teresa Abelleira

(Foto: Iihar Khan/AFP)

Was wäre Iniesta ohne Sergio Busquets gewesen - und was wäre Bonmatí ohne Teresa Abelleira. Etwas überraschend spielte die 23-Jährige von Real Madrid von Anfang an in der Startelf, genauso wie der Stürmerin Salma Paralluelo (ausgezeichnet als beste junge Spielerin des Turniers) wurde ihr eine so dominante Rolle noch nicht zugetraut. Doch die Überraschung währte nicht lange: Abelleira war im defensiven Mittelfeld die ordnende Hand im spanischen Spiel. Ihre präzisen Seitenverlagerungen waren wundervoll anzusehen und ein entscheidendes Element auf dem Weg zum WM-Titel, nicht zuletzt im Finale, wo sie genau auf diese Art und Weise das 1:0 einleitete - und danach wieder ihre zurückhaltende Rolle einnahm. Die liegt Abelleira einfach, selbst bei der Siegesfeier: Während ihre Kolleginnen vom FC Barcelona ein Foto machten, hielt sie Abstand und beobachtete die Szene lächelnd aus der Distanz.

Georgia Stanway

(Foto: Ding Ting/Xinhua/Imago)

Er liegt schon ein bisschen zurück, aber womöglich wäre diese WM für England ganz anders gelaufen, hätte Georgia Stanway sie nicht mit einem Elfmeter eröffnet. Erst im zweiten Versuch nach einer VAR-Entscheidung traf die 24-Jährige vom FC Bayern zum 1:0 beim knappen Sieg gegen Haiti - und blieb danach vier Wochen lang die Konstante. Während um sie herum immer wieder Spielerinnen ausfielen - unter anderem Gestalterin Keira Walsh und Offensivspielerin Lauren James - übernahm Stanway der Reihe nach alle möglichen Aufgaben: Sie verteidigte, sie schaltete sich in der Offensive ein und rettete England gleich mehrmals in engen Spielen. Allein die Geschichte mit den Elfmetern blieb ein Manko: Ihr Fehlschuss im Elfmeterschießen im Achtelfinale gegen Nigeria hätte die WM für England beinahe verfrüht beendet.

Linda Caicedo

(Foto: James Chance/Getty Images)

Manchmal verschwand Linda Caicedo während einer Partie. Wenn sie dann wieder auftauchte, waren ihre Bewegungen, Sprints, Dribblings und Schüsse umso eindrücklicher. Gegen Deutschland beispielsweise tanzte die Kolumbianerin die Abwehr aus, um dann einen feinen Abschluss folgen zu lassen. Die 18-Jährige traf zweimal bei diesem Turnier, das nach der U17- und der U20-WM ihr drittes innerhalb eines Jahres war, noch dazu auf dem dritten Kontinent. Während die Kolumbianerinnen schon vor der WM bekannt dafür wurden, eine sehr robuste Spielweise zu pflegen, mischte Caicedo das spielerische Element eindrücklich dazu. Wer über sie sprach, beschrieb sie oft als "Phänomen". In Europa dürfte sie künftig häufiger zu sehen sein: Caicedo ist zu Real Madrid gewechselt.

Angriff

Hinata Miyazawa

(Foto: Grant Down/AFP)

Anwesend war die beste Torschützin des Turniers zum Finale nicht mehr, aber womöglich waren bis dahin ihre Tränen schon versiegt: Schluchzend hatte die Japanerin Hinata Miyazawa nach dem Viertelfinal-Aus gegen Schweden noch ein Interview gegeben, dann hatte sie abreisen müssen - womit fast in Vergessenheit geriet, dass Japan bis zum Achtelfinale das dominanteste Team der WM war. Fünf Tore erzielte allein Miyazawa, immer auf dieselbe Art und Weise: Ein langer Pass, ein schneller Lauf, ein perfekter Abschluss, das war ihre Spielweise, der erst Schweden Einhalt gebieten konnte. Für eine individuelle Auszeichnung reichte es dennoch: Der goldene Ball für die beste Torschützin wird ihr noch zugestellt werden.

Sam Kerr

(Foto: Rick Rycroft/AP)

In den ersten Tagen drehte sich viel um ihre verletzte Wade. Ausgerechnet die Rekordtorschützin und derzeit wohl beliebteste Sportlerin Australiens fiel aus. Aber auch ohne ihre Überfigur wuchsen die Gastgeberinnen vom Außenseiter zum Mitfavoriten. Ab der Schlussphase des Achtelfinals war Kerr wieder fit und entfachte die bereits enorme Begeisterung um die "Matildas" zusätzlich. In Erinnerung bleiben dürfte vor allem ihr Schuss aus 24 Metern im Halbfinale gegen England: präzise, entschlossen, unhaltbar. Die 29-Jährige hatte später noch beste Gelegenheiten, doch vielleicht war der Druck am Ende zu groß - für Kerr zählt nach dem vierten Platz gegen Schweden bei dieser WM mit Blick auf den australischen Fußball vor allem eins: "Hoffentlich ist das der Start von etwas Neuem."

Lauren Hemp

(Foto: David Gray/AFP)

Lauren Hemp war bei diesem Turnier schon diverse Male in den Fokus gerückt. Drei Tore hatte die 23-Jährige bis zum Finale geschossen und andere vorbereitet. Davon besonders wichtig: Ihr Treffer zum 2:1 beim Halbfinalsieg gegen Australien- und ihre clevere wie feine Vorlage zum 3:1 von Alessia Russo. Danach gab sie das klare Ziel "Titel" aus, mit dem die Engländerinnen aber ohnehin angereist waren. Gegen Spanien aber griff kein Plan und dann kam auch noch Pech dazu: Hemp traf in der 16. Minute die Latte.

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