Felix Magath bei Hertha BSC:Zeit für Schauergeschichten

Lesezeit: 4 min

Felix Magath, neuer Trainer von Hertha BSC, spricht während der Pressekonferenz anlässlich seiner Präsentation. (Foto: Jan-Philipp Burmann/dpa)

Der Mann, der Teebeutel triezte, soll die Berliner Hertha vor dem Abstieg retten. Ein Unterfangen wie gemacht für Felix Magath - findet Felix Magath. Ob das vor allem die jüngeren Spieler auch so sehen?

Von Javier Cáceres, Berlin

Bediente man sich einzig bei den Klischees, die über Felix Magath kursieren, so ist es wohl legitim zu behaupten, dass es kaum eine Szenerie gibt, die ihm besser gerecht würde als die Heimstatt von Hertha BSC. Am Montag wurde Magath, 68, als neuer Trainer der Hertha vorgestellt, und diese ist dort zu Hause, wo jahrzehntelang ein vergleichsweise schroffer Ton geherrscht haben muss: auf dem Gelände des Hauptquartiers der britischen Armee auf Berliner Grund. Das passt deshalb, weil den Überlieferungen zufolge die Trainingsplätze bei Felix Magath meist zu Exerzierfeldern mutierten.

Magath. Felix Magath. Es gab Hertha-Fans, die mit der Nachricht am Sonntagabend ins Bett gegangen waren und am Montagmorgen auf ihren Handys prüften, ob sie das in Wahrheit alles nur geträumt hatten. Nur: Es stimmte. Der Mann, der Teebeutel triezte, der an früheren Wirkungsstätten gern allein und manu militari regierte, soll die Hertha vor dem Abstieg retten. "Den letzten Diktator Europas", nannte ihn mal der Ex-Profi Bachirou Salou, nachdem er eine Magath-Herrschaft bei Eintracht Frankfurt überstanden hatte. Ein Satz, den er im Lichte der traurigen Gegenwart so vielleicht auch nicht mehr sagen würde.

MeinungHertha BSC
:Risikoinvestment Felix Magath

Quälix, Schleifer, grüner Tee: Hinter den lustigen Magath-Klischees verbirgt sich ein besorgniserregend reaktionärer Fußballtrainer. Hertha BSC muss ziemlich verzweifelt sein, um auf diese Aktie zu setzen.

Kommentar von Claudio Catuogno

Dennoch, das Image hat überdauert, und Magath ist offenkundig alt genug, dass ihn das nicht mehr stört. Fredi Bobic, den Hertha-Manager, erst recht nicht. "Wir brauchen einen Trainer, der Disziplin einfordert und den man für eine klare und harte Hand im Umgang mit den Spielern kennt", sagte Bobic. "Disziplin gehört nun mal zum Sport, das kann ich nicht ändern. Das habe ich nicht erfunden", bekundete wiederum Magath, der zumindest in seinem Münchner Domizil offenbar für fröhliche Gesichter sorgte: "Meine Frau und meine Kinder haben mich gedrängt, nach Berlin zu gehen."

Ein Rätsel bleibt, wie die Hertha-Spieler reagierten, als sie die Mitteilung von der Magath-Verpflichtung erfuhren

Für Magath spricht, dass er ja tatsächlich einiges als Trainer aufzuweisen hat. Er wurde mit dem FC Bayern zwei, mit dem VfL Wolfsburg ein Mal Meister; darüber hinaus sei es ihm "in der Bundesliga mit sechs, sieben Mannschaften gelungen", den Verbleib in ebenjener zu sichern. "Deswegen sehe ich die Aufgabe bei der Hertha als etwas an, das auf mich zugeschnitten ist", sagte Magath.

Das stimmt womöglich. Und rief in dem der Hertha zugeneigten Teil der Hauptstadt doch gespaltene Reaktionen hervor. Nicht wenige erinnerten sich an die Tage aus dem Jahr 2012, da ein anderer Altmeister bei der Hertha als vermeintlicher Retter engagiert wurde und scheiterte: Otto Rehhagel, damals über 70 Jahre alt, also älter als Magath heute. "Hegel bemerkte irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: Das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce", sagte einmal Karl Marx.

Felix Magath (li.) scheint 1984 nicht mehr überzeugt zu sein von Ernst Happels Direktiven. Die große Zeit des HSV neigt sich damals ihrem Ende zu, in der Mannschaft kriselt es, zwei Jahre später beendet Magath, 1983 Siegtorschütze im Europapokal der Landesmeister, seine Profikarriere. (Foto: Sven Simon/Imago)

Auf der anderen Seite gibt es Herthaner, die da meinen, die einzige Chance, das rettende Ufer per Autoritarismus zu erreichen. Was sie bekommen? Einen überaus selbstbewussten Coach. "Die, die nicht glauben, dass ich die richtige Wahl bin, müssten dann halt erst mal nicht nur kritisieren, sondern einen eigenen Vorschlag machen, wer denn jetzt in der deutschen Bundesliga in der Lage sein soll, diese schwierige Aufgabe zu lösen", sagte Magath - und erntete im Presseraum Schweigen, als er hinzufügte: "Ich bitte gerne um Wortmeldungen."

Ein Rätsel blieb, wie die Hertha-Spieler reagierten, als sie die Mitteilung von der Magath-Verpflichtung erfuhren. Er habe den Spielern gesagt: "Schaut auf eure Handys. Macht ihr ja eh immer", erzählte Bobic von seiner Weisung an die Profis, nachdem er sie am Sonntagvormittag davon unterrichtet hatte, dass Tayfun Korkut als Trainer abgesetzt sei.

Aus dem Hertha-Kader kennt ein einziger Spieler Magath aus erster Hand: Peter Pekarik

Ein paar Schauergeschichten über Magath dürften sogar die jüngsten Hertha-Profis kennen; die Zitat-Sammlungen sind voller einschlägiger Einlassungen über das echte oder vermeintliche harte Regime, das Magath führt. "Der Lake Michigan ist so groß, der drängt sich als Trainingsoption förmlich auf", sagte er einmal am Rande einer US-Reise mit dem FC Bayern in den USA - der See ist doppelt so groß wie das Bundesland Brandenburg. Der peruanische Stürmer Jefferson Farfán blieb nur deshalb so lange auf Schalke, weil Magath irgendwann weg war: "Ich hätte lieber in Peru Steine geschleppt und Erde umgegraben, als unter Herrn Magath zu spielen." Der Grund? "Wer unter Magath trainiert, freut sich aufs Sterben", berichtete einmal der Ex-Manager Reiner Calmund.

SZ-Podcast "Und nun zum Sport"
:DFB: Neustart nach der Revolution?

Bernd Neuendorf ist Präsident, der umstrittene Rainer Koch nicht mehr Präsidiumsmitglied: Gelingt dem DFB nun der Wandel und die Aufarbeitung aller Skandale?

Von Johannes Aumüller, Anna Dreher und Thomas Kistner

Aus dem heutigen Hertha-Kader kennt ein einziger Spieler Magath aus erster Hand: Rechtsverteidiger Peter Pekarik verließ Wolfsburg im August 2012 gen Berlin. "Ich denke mal, dass sich der ein oder andere Spieler bei ihm mittlerweile auch erkundigt hat, wie schön das jetzt wird in den nächsten Tagen", sagte Magath nun. Immerhin: Einen Hügel aufschütten lassen wie einst in Wolfsburg (Stichwort: "Mount Magath"), muss er nicht. Die Hertha hat einen sogenannten Sprinthügel auf dem Gelände, auf den man die Spieler prima hinaufjagen kann - auch junge Akteure, die offenbar daran erinnert werden müssen, dass der Beruf des Profifußballers Arbeit mit sich bringt. Nur: Ob er den richtigen Draht zu den jungen Menschen findet? Ob Magath up to date ist?

Zweifel daran hat Bobic nicht. Magath sei "nie weg vom Fenster" gewesen, trotz seiner nahezu zehnjährigen Absenz aus dem Bundesligageschäft; letztmals hat er vor fast fünf Jahren eine Mannschaft trainiert - in China. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das wesentlich für meine Arbeit ist", sagte Magath, man könne sich "auch in England oder China" weiterentwickeln, "das erweitert nur den Horizont".

Beim FC Fulham zum Beispiel, wo er 2014 als Tabellenletzter gehen musste, lernte er einen schottischen Profi namens Mark Fotheringham kennen, der ihm nun als Co-Trainer assistieren soll und der - als 38-Jähriger - näher an der aktuellen Spielergeneration sei als er selbst. Fotheringham hat beim Karlsruher SC und beim FC Ingolstadt als Assistent gearbeitet, er spricht perfekt Deutsch, betonte Magath, ehe er über den schottischen Akzent seines Mitarbeiters witzelte: "Höchstens mit Englisch könnte es problematisch werden." Wenn dies das größte Problem in den kommenden Wochen wird, wäre der Hertha sehr geholfen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Hertha BSC
:Felix Magath? Felix Magath!

Nach dem Sturz auf Tabellenplatz 17 entlässt Hertha BSC Trainer Tayfun Korkut - und vertraut sich tatsächlich dem berüchtigten "Quälix" an. Magath bekommt einen Vertrag bis Saisonende und soll retten, was in der Hauptstadt noch zu retten ist.

Von Javier Cáceres

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: