Hertha BSC:Felix Magath? Felix Magath!

Hertha BSC: Wieder in der Bundesliga: Felix Magath.

Wieder in der Bundesliga: Felix Magath.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Nach dem Sturz auf Tabellenplatz 17 entlässt Hertha BSC Trainer Tayfun Korkut - und vertraut sich tatsächlich dem berüchtigten "Quälix" an. Magath bekommt einen Vertrag bis Saisonende und soll retten, was in der Hauptstadt noch zu retten ist.

Von Javier Cáceres, Berlin

Es war schon am Samstagabend klar, was am Sonntag bei der Hertha vollzogen werden würde. Spätestens, als Herthas Manager Fredi Bobic, 50, bei der früheren Legende Lothar Matthäus, 60, im mobilen Studio des TV-Senders Sky stand und sagte, dass sich die Hertha-Verantwortlichen "erst mal ganz in Ruhe besprechen" würden, und schließlich ergänzte: "Wir werden uns morgen auf jeden Fall dazu äußern." Da sah man zumindest den ersten Teil des Spektakels kommen.

Am Sonntag, kurz nach 11 Uhr, war es dann auch vorbei für den Trainer Tayfun Korkut, 47, in Berlin. "Nach intensiver Analyse und Bewertung der aktuellen sportlichen Situation hat sich die Geschäftsführung von Hertha BSC dazu entschieden, Tayfun Korkut mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als Cheftrainer der Lizenzmannschaft zu entbinden", teilte der Klub mit.

Spät am Abend wartete Hertha BSC dann aber mit einer veritablen Sensation auf. Als Nachfolger wurde - bis Saisonende - ein alter Bekannter aus der Sparte Schleifer benannt: Felix Magath, den sie aus guten Gründen auch "Quälix" nennen.

Seit seinem Abschied vor zehn Jahren beim VfL Wolfsburg hat der inzwischen 68-jährige Magath nicht mehr in der Bundesliga gearbeitet. Seine letzte Trainerstation war 2017 bei Shandong Luneng in China. So groß die Überraschung auch war, so passend wirkt die Berufung Magaths in der aktuellen Gesamtlage, in der die bekanntlich nach einem Spree-Ausflugsdampfer benannte Hertha auf einen Eisberg namens Abstieg zurast. Um einen Ex-Spieler Magaths, Jan Aage Fjörtoft, zu paraphrasieren, der den Schleifer in Frankfurt kennenlernte: Man weiß zwar nicht, ob Magath die Hertha rettet. Aber bei Saisonende werden die Dampfer-Passagiere fit sein.

"Die Vita von Felix Magath spricht für sich", wurde auch Manager Fredi Bobic in einer Mitteilung Herthas zitiert. Der Coach werde an den richtigen Stellschrauben drehen. Das klingt arg danach, dass so einige Wege der Hertha demnächst zu Sprints in Richtung Teufelsberg führen werden. Es sei denn, der Trainer findet noch Zeit und Geld, einen eigenen Hügel aufzuschütten wie damals in Wolfsburg den "Mount Magath". In Wolfsburg wurde Magath 2009 Meister.

Der Rauswurf von Korkut ist Fredi Bobic offenkundig schwer gefallen. Unter anderem auch deshalb, weil er wie die Korrektur eines Fehlers gelesen werden muss, an den Bobic auf nachgerade sadistische Weise erinnert wurde - von Lothar Matthäus. Der Weltmeister von 1990 schlug am Samstagabend vor, den Vollblut-Herthaner Pal Dardai, 45, mit der Rettung zu betrauen. Wozu man wissen muss, dass Lothar Matthäus nicht nur Sky-Experte ist, sondern sich Dardai verbunden fühlt. Verbunden genug, um zu wissen, wie es um die Beziehungen zwischen den ehemaligen Hertha-Spielkameraden Bobic und Dardai bestellt ist, seit Bobic den Ungarn Ende November entließ - um Korkut zu holen.

Kovac, Funkel, Gisdol - die Liste der Namen, über die zwischenzeitlich spekuliert wurde, war lang

Mit Korkut habe es einen "verheißungsvollen Start mit sieben Punkten aus den ersten vier Spielen" gegeben, teilte Bobic am Sonntagvormittag mit, ebenfalls schriftlich. Nur: Das änderte sich in der Rückrunde dramatisch. Im Jahr 2022 gab es bislang keinen Sieg, mit dem 0:2 von Gladbach sieht die Hertha beim Blick zurück nur noch die SpVgg Fürth. Aber einem Menschen mit Humor / kommt das Leben komisch vor ... , so dichtete einst der Autor Peter Hacks. Die Verteidiger Dedryck Boyata und Marton Dardai - dem Sohn von Pal Dardai - lachten sich kurz nach der Gladbacher 1:0-Führung auf der Auswechselbank einen ähnlich großen Ast wie seinerzeit Kanzlerkandidat Armin Laschet nach der Flutkatastrophe im Ahrtal. Nun ist mit Magath eher Schluss mit lustig. In Frankfurt gab es einst Spieler, die Magath - nach dem früheren irakischen Diktator - "Saddam" tauften, der aber im Gegensatz zu Magath nicht bloß Teebeutel am Löffel trockendrückte.

Dardai Jr. lachte quasi stellvertretend für den Papa, der Kolportagen zufolge schon länger darüber schmunzelt, dass die Ironie bei der Hertha gerade herzhaft zubeißt. Dardai war im Sommer 2019 noch vom damaligen Manager Michael Preetz hinauskomplimentiert worden, weil sein Fußball als nicht attraktiv genug galt (was er er auch nicht war). Dann kam Dardai im Januar 2021 zurück, weil seine Nachfolger Ante Covic, Jürgen Klinsmann, Alexander Nouri und Bruno Labbadia die Hertha allesamt nicht vom Fleck bekamen; Ende November 2021 wurde er dann wieder von Bobic beurlaubt.

Die Ironie: Ausgerechnet zum Ende der Amtszeit Korkuts feierte der Dardaismus fröhlich Urständ. Korkut hatte seine Mannschaft am Dienstag vor laufenden Kameras zusammengestaucht, was eigentlich nicht seine Art ist, bei seinem Vorgänger hingegen schon mal vorkam, erst recht bei Magath. Dann stellte Korkut in Gladbach - wider die eigene Natur und ganz im Sinne des Dardaismus - acht defensive Spieler auf. Und vorn verließ sich Korkut auf Davie Selke - eine Entscheidung, die vor Agnostizismus nur so strotzte. Weil: Die Antwort auf die Frage, ob Selke ein bundesligatauglicher Stürmer ist, kann man nur so beantworten, wie Agnostiker die Frage nach der Existenz Gottes beantworten: Es ist nicht geklärt. Wobei man sich da keine Sorgen um Selke machen muss: Es ist bei der Hertha alles andere als einsam um ihn in dieser Frage.

Auffällig auch: In der Startelf standen lediglich zwei von Bobic verpflichtete Spieler. Neben Ishak Belfodil nämlich nur noch Marc-Oliver Kempf, der Ende Januar vom VfB Stuttgart gekommen war und in vier Spielen für die Hertha zwei Elfmeter gegen die Hertha verursachte (und gegen Leipzig die rote Karte sah). In den Augen vieler Hertha-Fans steht er deshalb unter dem - selbstredend hanebüchenen - Verdacht, ein Angehöriger der fünften Kolonne des ebenfalls abstiegsgefährdeten VfB Stuttgart zu sein.

"Am liebsten würden wir ganz andere Sachen tauschen", stöhnt Manager Bobic über den Kader

Am Samstag war es Kempfs Foul an Gladbachs Stürmer Marcus Thuram, das den von Alassane Pléa verwandelten Strafstoß zum 1:0 für Gladbach heraufbeschwor. In der zweiten Halbzeit kassierte Hertha nach einer Ecke das 2:0 (59. Minute). Manager Bobic gab zu verstehen, dass da Niklas Stark wohl vergessen hatte, für den späteren Torschützen Matthias Ginter zuständig zu sein. Aber die Passivität Selkes, als Ginter neben ihm zum Kopfball aufstieg, war schon sagenhaft und sicher nicht dem Trainer Korkut anzulasten. Derlei schwant offenbar auch Bobic. "Am liebsten würden wir ganz andere Sachen tauschen", stöhnte der Manager im ZDF, was ja nichts anderes ist als ein Misstrauensvotum gegen weite Teile eines dysfunktionalen Kaders. "Ich kann Ihnen sagen, Tayfun Korkut haut alles rein", sagte Bobic noch. Selke fand ebenfalls, dass Korkuts Plan schon auch gut gewesen sei: "Wir haben es über weite Strecken hinbekommen, über weite auch nicht", bekundete er. Die Strecken, über die sie es nicht hinbekommen haben, waren alles in allem die längeren.

Und nun? Die Hertha bekam ab dem Sommer 2019 von ihrem Investor Lars Windhorst mal eben 374 Millionen Euro zugesteckt; im Lichte der getätigten Transfers würde man dem Klub im Nachhinein wünschen, er hätte das berühmte Bonmot von George Best zum Businessplan erhoben. Sprich: das Geld für Alkohol, Frauen und schnelle Autos auszugeben und den Rest zu verprassen. Hertha hingegen? Steht längst nicht mehr nur vor Scherben, sondern vor einer existenziellen Krise; die gleichwohl nicht verhindert, dass Präsident Werner Gegenbauer, was Erklärungen für die Öffentlichkeit anbelangt, weiter als missing gilt. Wobei: Er wurde am Samstag auf der Ehrentribüne in Gladbach und Sonntagfrüh auf dem Parkplatz vor der Hertha-Geschäftsstelle gesehen. Und trug eine erstaunliche Nachricht heim: dass die ganzen Spekulationen um Markus Gisdol, Friedhelm Funkel und Niko Kovac Kokolores waren, und Magath in die Liga zurückkehren wird.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: