Hertha BSC:Risikoinvestment Felix Magath

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Felix Magath ist jetzt Feuerwehrmann in Berlin. (Foto: Martin Hoffmann/Imago)

Quälix, Schleifer, grüner Tee: Hinter den lustigen Magath-Klischees verbirgt sich ein besorgniserregend reaktionärer Fußballtrainer. Hertha BSC muss ziemlich verzweifelt sein, um auf diese Aktie zu setzen.

Kommentar von Claudio Catuogno, München

Bisher waren die 374 Millionen Euro, die der Unternehmer Lars Windhorst in den Hauptstadtklub Hertha BSC gepumpt hat, ohne nennenswerte Effekte verpufft. Jetzt ist immerhin eine Wertsteigerung zu erkennen. Der Unterhaltungswert ist am Sonntag steil nach oben geschossen, nachdem die Hertha verkündet hat, dass Felix Magath, 68, bis Saisonende das Traineramt übernimmt.

Noch ehe in den sozialen Witzbuden das erste Staunen mithilfe von Datumsgags ("Ist heute 1. April?") überwunden war, kamen schon die unvermeidlichen Medizinbälle ins Spiel, begleitet von der Prognose, dass der "Quälix" respektive "Schleifer" Magath die Hertha-Spieler jetzt bestimmt täglich den Kreuzberg (66 Meter) hinaufscheuchen wird, während er ihnen das Trinken und bestimmt auch das Atmen verbietet. Wobei, welche Spieler eigentlich? Die aktuellen wird Magath ja alle rauswerfen, um nächste Woche 42 neue zu holen.

Es gehört zur Ambivalenz des Felix Magath, dass er die Magath-Klischees immer gleichzeitig belächelt und kultiviert hat. Sein Markenkern, die Unergründlichkeit, ist auch eine zur Schau gestellte Trotzgeste - die ironische Distanzierung von jenem Gewerbe, das ihn reich, berühmt und zynisch gemacht hat. Aber ein bisschen Wahrheit steckt halt in jedem Klischee, und so handelt es sich bei Magath letztlich um einen besorgniserregend reaktionären Trainer, was seine Arbeit mit jungen Menschen und was seinen Blick auf den modernen Fußball angeht.

Als er 2009 den VfL Wolfsburg verließ, erzählt er gerne, waren da "alle kaputt"

Außer Frage steht, dass er damit Erfolge hatte. Als er den VfL Wolfsburg im Mai 2009 durch seinen freiwilligen Abschied von sich selbst erlöste, da "waren alle kaputt", so erzählt er das gern. Aber es waren halt auch alle deutscher Meister.

Ein Bild aus Wolfsburger Tagen: Diego (rechts) beim Zirkeltraining, natürlich mit Medizinbällen. (Foto: Imago Sportfotodienst)

Nur: Um bei der Hertha jetzt Kondition zu bolzen, ist acht Spieltage vor Schluss der falsche Moment. Sein übliches Spieler-Revirement scheitert am geschlossenen Transferfenster. Dass Magath, um den vom Hertha-Manager Fredi Bobic windschief zusammengestellten Kader zu stabilisieren, tief in taktische Details einsteigen wird, muss auch niemand erwarten. Und um die Spieler mit seiner Aura in einen sektenartigen Zustand der Gefolgschaft zu versetzen, fehlt vermutlich Zeit. Was zu der Frage führt: Was soll Magath in Berlin jetzt genau tun? Seine Erfahrung, seine Ruhe einbringen. Und die zuletzt oft vermisste Disziplin gewährleisten. Das wäre schon eine Menge. Aber ob das reicht?

Wenn die Entlassung des Trainers Tayfun Korkut, den er selbst erst vor wenigen Monaten geholt hatte, vom Hertha-Manager Bobic das Eingeständnis eines Fehlers war, dann ist die Magath-Verpflichtung das Eingeständnis weitreichender Ratlosigkeit. Ein Befreiungsschlag, bei dem man nicht weiß, ob er nach vorne oder nach hinten losgeht. Ein Risikoinvestment irgendwo zwischen Totalverlust und Top-Rendite. Denn selbstverständlich darf man auch das für möglich halten: dass Felix Magath die Hertha vor dem Abstieg rettet. Einfach, indem er mit ruhiger Hand in einer Tasse grünem Tee rührt.

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