Affäre um Kuss in Spaniens Fußball:Weltmeisterin Hermoso verklagt Verbandsboss Rubiales

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Jennifer Hermoso wehrt sich gegen Luis Rubiales - damit beschäftigt die Affäre um den Kuss des spanischen Verbandschefs nun auch die Justiz. (Foto: John Cowpland/AP)

Auch nach der Trennung von Cheftrainer Jorge Vilda und der Berufung von Montse Tomé kommt Spaniens Frauenfußball nicht zur Ruhe. Das Team der Weltmeisterinnen wartet auf weitere Konsequenzen aus der Affäre um Präsident Rubiales.

Von Javier Cáceres

Der bisherige Nationalcoach ist abgesägt, eine Nachfolgerin bestellt - doch auch zweieinhalb Wochen nach dem Gewinn des Weltmeistertitels kommt Spaniens Frauenfußball weiterhin nicht zur Ruhe. Am Tag nach der Ernennung von Montse Tomé, 41, geisterten am Mittwoch anonyme Stimmen aus dem Weltmeisterinnen-Team durch Spaniens Sport-Medien, die ein zwiespältiges Echo der Aktiven wiedergaben. Einerseits wurde die Absetzung des lange umstrittenen Jorge Vilda goutiert.

Andererseits wird die Nachfolgelösung mit Skepsis begleitet. Tomé hat zwar eine Karriere als Profispielerin und Nachwuchscoach vorzuweisen, aber keine Erfahrung als Cheftrainerin auf höchstem Niveau. Zudem war Tomé als Assistentin auch die rechte Hand von Vilda - unter anderem beim WM-Sieg, der von der berühmten "Kuss-Affäre" um den derzeit gesperrten Verbandschef Luis Rubiales überschattet wurde.

Erste Frau in der Chefposition: Die bisherige Assistentin Montserrat "Montse" Tomé löst den bisherigen Nationaltrainer Jorge Vilda ab. (Foto: Saeed Khan/AFP)

Vilda selbst wurde vom Verband in allen Ehren verabschiedet. In einem Kommuniqué wurde sein "tadelloses" Verhalten gerühmt. Die berühmte Rebellion der 15 Nationalspielerinnen aus dem Jahr 2022 fand keinerlei Erwähnung. Vilda selbst meldete sich in der Nacht zum Mittwoch im Rundfunksender Cadena SER zu Wort. "Ich glaube, meine Entlassung ist nicht gerecht. Ich habe sie nicht erwartet", sagte er. Er habe 17 Jahre lang für die Entwicklung des Frauenfußballs gekämpft, darauf sei er stolz.

In den Augen der spanischen Öffentlichkeit war Vilda nach dem WM-Sieg als Nationaltrainer untragbar geworden - spätestens nach der außerordentlichen Verbandsvollversammlung, bei der Rubiales sich Tage nach den Eklats vom Finaltag rechtfertigt hatte und zum Gegenangriff auf die Feministinnen übergegangen war. Rubiales erklärte unter anderem, dass sein berühmt-berüchtigter Kuss auf den Mund von Weltmeisterin Jenni Hermoso "einvernehmlich" gewesen sei. Hermoso bestreitet das. Wie am Mittwoch in Justizkreisen bestätigt wurde, hat Hermoso am Dienstag vor der spanischen Generalstaatsanwaltschaft Anzeige gegen Rubiales erstattet. Damit steht einer Anklage gegen Rubiales wegen eines mutmaßlichen sexuellen Übergriffs offenbar nichts mehr im Wege.

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Rubiales hatte zuvor erklärt, dass der "Fake-Feminismus" eine Geißel Spaniens sei. Und bot Vilda öffentlich eine Vertragsverlängerung um vier Jahre an - bei Bezügen, die auf 500 000 Euro jährlich angehoben und damit fast verdreifacht werden sollten. Mit dem Verband hat Vilda sich nun auf die Auflösung seines bis 2024 laufenden Vertrags geeinigt.

Vilda geriet in der Folge unter scharfe Kritik - unter anderem, weil er am Ende der Rubiales-Rede stehend applaudiert hatte. "Wenn um dich herum 150 Personen applaudieren, ist es sehr schwierig, der einzige zu sein, der es nicht tut", erklärte Vilda nun. Er habe aber keinesfalls irgendwelche machistischen Verhaltensweisen beklatschen wollen. Vilda bestritt zudem, Hermoso auf dem Rückflug der Siegerinnen-Mannschaft aus Australien bedrängt zu haben, auf dem "Entschuldigungsvideo" von Rubiales aufzutreten. "Das ist ihre Wahrheit", sagte Vilda. Eine anonyme Barcelona-Spielerin bezichtigte Vilda in der Zeitung El País vom Mittwoch der Heuchelei. Er denke genauso wie Rubiales und habe sich am Tag nach der Vollversammlung des Verbandes nur deshalb von Rubiales distanziert, weil er "seinen Job sichern wollte". Erfolglos. Der Posten ist nun erstmals in der Geschichte Spaniens in Frauenhand.

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Der Präsident des Fußballverbandes bleibt somit vorerst weiter im Amt. In einem Statement betont er erneut, er werde "politisch und medial gelyncht".

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Unklar blieb am Mittwoch die nahe Zukunft des spanischen Nationalteams. Rund 80 Spielerinnen - darunter die 23 Weltmeisterinnen - haben schriftlich erklärt, der Elf fernbleiben zu wollen, bis der Verband sich von Grund auf erneuert habe. Die Zeit drängt. Am 22. September steht ein Nations-League-Spiel gegen Schweden an, da geht es auch um die Qualifikation für die Olympischen Spiele.

Davon unabhängig steht der Auftakt der neuen Saison im Weltmeisterland wegen eines Tarifkonflikts infrage. Die Profivertretung fordert rückwirkend für die vergangene Saison ein Mindestgehalt von 20 000 Euro pro Saison, es soll in dieser Spielzeit auf 25 000 Euro und im darauffolgenden Jahr auf 30 000 Euro anwachsen. Dazu geht es um Fragen des Mutterschutzes. Der Ligaverband - die Arbeitgeberseite - hat eine Erhöhung des Mindestlohns auf 18 000 Euro jährlich in Aussicht gestellt, die binnen drei Jahren auf 25 000 anwachsen sollen. Für Mittwochabend war eine weitere Verhandlungsrunde anberaumt - vor dem Hintergrund einer Streikdrohung der Fußballerinnen. Eine Einigung galt als unwahrscheinlich.

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