Formel 1:Der kürzeste Grand Prix dauert fast am längsten

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Schon wieder einen Mercedes vor der Nase: das Safety Car. Und hinter sich sah Max Verstappen in Spa vor lauter Nebel und Gischt - nüscht! (Foto: HochZwei/imago)

Drei Runden, alle hinter dem Safety Car: Warum wurde der Große Preis von Belgien gestartet, obwohl im Dauerregen kein reguläres Rennen möglich war? Die Fahrer äußern die Vermutung, dass es nur ums Geld ging.

Von Anna Dreher, Spa

Sebastian Vettel versuchte es mit einem flachen Schuss aufs Tor, aber da war ein Bein im Weg. Nächster Versuch. Diesmal landete der Ball an Mick Schumachers Hüfte, Chance vergeben. Nun muss zu Vettels Verteidigung gesagt werden, dass in der Haas-Garage nicht sonderlich viel Platz war, mit den Regalen voller Kisten und Boxen. Der viermalige Weltmeister gab sich Mühe bei der Ballbehandlung, tänzelte über den weiß glänzenden Boden, aber die Niederlage konnte er nicht mehr abwenden: Vettel und ein Mechaniker, der seinen Helm lieber aufbehielt, verloren 6:8 gegen Schumacher und dessen Mitspieler.

Eigentlich hätten Vettel und Schumacher um diese Zeit bald Feierabend gehabt, statt sich warmhalten zu müssen. Sonntagnachmittag an einem Rennwochenende, da sind die Podestplätze meist vergeben. Aber bei diesem Großen Preis von Belgien ist so manches anders gewesen als sonst. Draußen prasselte seit dem Morgen unnachgiebig Regen vom Himmel, und so erlebte die Formel 1 den von der Distanz her kürzesten Grand Prix ihrer Geschichte - und den ersten, bei dem das Safety Car jede Rennrunde anführte.

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Im Regen ist nach nur zwei Runden Schluss, der Rennleiter steht in der Kritik - und Lewis Hamilton hofft, dass die Fans ihr Geld zurückerhalten. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

Von Anna Dreher

Bisher lag in dieser Statistik die südaustralische Stadt Adelaide vorne, wo das Feld 1991 in rund 24 Minuten über 14 Runden eine Distanz von 52,9 Kilometern zurücklegte. Red-Bull-Pilot Max Verstappen - der vor George Russell (Williams) und Lewis Hamilton im Mercedes gewann - siegte in Spa offiziell nach einer Runde und 3:27,071 Minuten. Insgesamt waren die Autos drei Runden hinter dem Safety Car gekreist. Zwei sind die Minimalanforderung, damit ein WM-Lauf gewertet werden darf und zumindest halbe Punkte vergeben werden können (was nun zum sechsten Mal in der Formel 1 passiert ist). Aber von einem richtigen Rennen wollte hinterher kein Fahrer sprechen, vielmehr rollte eine Welle der Kritik in Richtung Rennleitung.

Die Blicke sind vor allem auf Fia-Rennleiter Michael Masi gerichtet

"Es gab keinen Moment, an dem wir rennfahren konnten, also gab es kein Rennen", sagte etwa Hamilton, dessen WM-Vorsprung auf Verstappen nun auf 202,5 Punkte gegenüber 199,5 Punkten geschrumpft ist. "Ich kenne nicht alle Hintergründe", fügte Hamilton an, "aber mein größtes Bedenken ist, dass die Fans ihr Geld zurückbekommen sollten. Und ich weiß nicht, ob die zwei Runden bedeuten, dass sie das nicht kriegen. Ich denke nicht, dass es das ist, was wir wollen. Wir haben als Sport bessere Werte als das."

75 000 Zuschauer waren an die Strecke gekommen und hatten stundenlang im Dauerregen bei zwölf Grad ausgeharrt. Dass es überhaupt dazu kam, missfiel Hamilton. "Wir wurden rausgeschickt aus einem Grund und einem Grund allein", schrieb er bei Instagram. Vettel hegte im Boxenfunk die gleiche Vermutung: "Worum geht es hier? Ich denke, es geht um das TV-Geld. Ich sage nur, was jeder sieht."

Ein Gruß an die bei starkem Regen ausharrenden Fans: Sebastian Vettel in Spa. (Foto: James Gasperotti/ZUMA Wire/Imago)

Die Blicke waren vor allem auf Fia-Rennleiter Michael Masi gerichtet. Er entschied final, wann was passierte und sah sich daher auch mit Vorwürfen konfrontiert. Der Australier erzählte später, er sei in ständigem Austausch mit den Meteorologen gewesen und habe auf ein besseres Wetterfenster gehofft. "Eine Reihe von Teams haben dieses Fenster gesehen und konnten exakt sehen, was wir versucht haben. Aber dann hat uns das Wetter wieder besiegt", sagte Masi. Ob wohl kommerzielles Interesse hinter der Verzögerung stecke? "Nein, null, niemals", beteuerte Masi.

"Das hat weder mit Geld oder Politik etwas zu tun", erklärte auch Formel-1-Chef Stefano Domenicali gegenüber Auto, Motor und Sport: "Wir bekommen das Antrittsgeld, egal ob der Grand Prix gefahren wird oder nicht. Es ging hier einzig und allein um die Zuschauer. Wir haben alles versucht, ihnen noch etwas zu bieten." Masi war schon in den Tagen zuvor in Kritik geraten, als er trotz starken Regens und schlechter Sicht die Sessions weiterlaufen ließ. Nun stellte er in Aussicht, dass die Regularien für Fälle wie in Spa überarbeitet werden.

Das Rennen auf Montag zu verschieben, ist keine Option gewesen

Dass aus Sicherheitsgründen kein reguläres Rennen stattfinden durfte, darin waren sich alle einig. "Wir sind alle Racer und wir möchten Rennen fahren, aber heute war es leider nicht möglich", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff: "Es wäre zu gefährlich gewesen, da die Sicht für die Fahrer viel zu schlecht war." In der W-Series am Freitag, in der Formel 3, in der Qualifikation der Formel 1 am Samstag sowie schließlich in der Einführungsrunde am Sonntag hatte es Unfälle gegeben.

Aber war es wirklich notwendig, das Prozedere derart in die Länge zu ziehen? Zu den Kuriositäten gehörte ja auch, dass der kürzeste Grand Prix mit drei Stunden und 44 Minuten fast am längsten von allen bisher gefahrenen dauerte, die Wartezeit eingerechnet. In Kanada wurde 2011 wegen Regens ebenfalls lange unterbrochen, hier war nach vier Stunden und vier Minuten Schluss. In Spa nun wurde der für 15 Uhr avisierte Start auf 15.25 Uhr gelegt, bis nach der Formationsrunde hinter dem Safety Car das skurrile Warten begann. Erst um 18.17 Uhr rollte das Feld tatsächlich wieder hinter dem Safety Car los. Um 18.45 Uhr gab die Fia das Ende bekannt.

Das Rennen auf Montag zu verschieben, darin waren sich viele einig, war aus organisatorischen Gründen keine Option. In dieser Woche schon fährt die Formel 1 in den Niederlanden. Bisher ist in Zandvoort zumindest kein Regen vorhergesagt.

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