Frauen-Basketball:Leonie Fiebich klagt an

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Leonie Fiebich (re.) ist 1,89 Meter groß - und darf sich jetzt MVP der spanischen Liga nennen, in der sie durchschnittlich auf 12,6 Punkte und 6,0 Rebounds kommt. (Foto: Alexander Trienitz/Imago)

Eine Deutsche gewinnt die Euroleague, eine ist die beste Spielerin in Spanien. Deutschlands Basketballerinnen könnten sich zur EM über einen Aufschwung freuen - doch in der heimischen Liga sind "Leute verantwortlich, die keinen Plan haben".

Von Jonas Beckenkamp

Wer mit Leonie Fiebich spricht, bekommt erst einmal von einem "überkrassen Gefühl" zu hören. Immerhin versteht man sie gut, das war vor wenigen Wochen anders. Damals brüllten im Pabellón Príncipe Felipe, einer Basketballarena in Saragossa, 10 800 Fans ihre Freude in die stickige Luft. Fiebich, 23, und ihr Klub Casademont Saragossa hatten den spanischen Pokal gewonnen. Ziemlich überraschend, in einem engen Finale gegen ein Team aus Salamanca.

"Das war Gänsehaut, man hat sein eigenes Wort nicht verstanden. Wir wurden durch dieses Endspiel getragen, weil den Menschen dieser Cup so wichtig ist", erinnert sich die deutsche Basketballerin. Als die Partie endete, hatte sie sieben Punkte, vier Rebounds und drei Vorlagen beigesteuert. Sie schleuderte den Ball in Richtung Hallendecke, dann startete die Fiesta inklusive Bustransfer im offenen Doppeldecker durch die Stadt. Würde man in Fiebichs Schilderungen das Wort "krass" mitzählen, ergäbe sich ein hübscher Stapel.

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:Raus aus dem Turnhallenmief

Zum Basketball aus Deutschland gehören nicht nur Dennis Schröder, die Wagner-Brüder oder Dirk Nowitzki, sondern auch Leonie Fiebich und Marie Gülich. Die EM-Teilnahme des Frauen-Nationalteams muss ein Anfang sein, den Sport zu professionalisieren.

Kommentar von Jonas Beckenkamp

Es läuft bei der gebürtigen Landsbergerin, die einst bei der TS Jahn München und in Wasserburg eine Karriere in Angriff nahm, die sie über Australien bis nach Frankreich und dann in Spaniens Norden führte. Dort wurde sie nun zur wertvollsten Spielerin in Europas bester Liga gewählt. Wenn man die aktuellen Erfolge weiterer deutscher Kolleginnen dazuzählt, ergibt sich das Bild einer aufstrebenden Spielerinnengeneration: Die Berlinerin Satou Sabally, 24, gewann mit ihrem Zweitklub Fenerbahçe soeben die Euroleague - sie spielt in Istanbul, wenn der US-Basketball und ihr Verein Dallas Wings pausieren. Marie Gülich geht mit Valencia als Tabellenführerin in die Playoffs. Und in New York steht Saballys Schwester Nyara, 23, bei Liberty vor ihrer ersten WNBA-Saison.

Auch Fiebich hätte allen Grund, krass froh zu sein, selbst wenn sie mit Blick auf ihre Wahl zur wertvollsten Spielerin sagt: "Aus meiner Sicht muss man es eher so betrachten, dass der MVP eine Auszeichnung fürs Team ist." Es gibt aber auch Themen, bei denen die Flügelspielerin nicht mehr so entspannt klingt. Zum Beispiel die Entwicklung des Frauenbasketballs in Deutschland.

Satou Sabally (li.) holte mit Fenerbahçe am vergangenen Sonntag den Titel in der Euroleague - dabei spielt die Berlinerin sonst eigentlich in der WNBA in Dallas. (Foto: David W. Cerny/Reuters)

Der schlummert trotz der erwähnten Legionärinnen tief in der Nische. In kaum einer Mannschaftssportart ist die Kluft zwischen Frauen und Männern so groß, was die Relevanz angeht, von Zuschauerzahlen wie in Saragossa ist die Bundesliga (DBBL) weit entfernt. Wer sich über die Liga informieren möchte, stößt auf eine Webseite, die zum Nutzerfeindlichsten gehört, was das Internet zu bieten hat. Statistiken, Tabellen, Hinweise auf Live-Übertragungen? Gibt's allenfalls mit großem Klickaufwand oder über eine externe App. Buntes oder Hintergründiges zu den Klubs? Niederschwelliges zum Reinfinden? Schön wär's.

Die Frauen-Bundesliga im Basketball wirkt unprofessionell und bietet dem Nachwuchs kaum Chancen

Fragt man Fiebich nach einer Erweckung ihres Sports durch die Erfolgsmeldungen dieser Tage, reagiert sie knatschig. "Von außen sieht's aus wie Aufschwung, aber es hat sich eigentlich nichts verändert in der Wahrnehmung in Deutschland." Wenn sie in Spanien auf die Straße gehe, werde sie nach Fotos gefragt, dort sei der Basketball der Frauen fast so bedeutsam wie jener der Männer. Dahinter steckt eine Kultur, ein Verständnis, dass jedes Mädchen Basketballerin werden kann, wenn es nicht Fußballerin wird. Frauenbasketball in Deutschland, das heißt immer noch: Turnhallen mit babylonischer Bodenbemalung aus allen erdenklichen Hallensportarten, Auswärtsreisen am Spieltag im Kleinbus, keine beim Klub angestellten Physiotherapeuten. Im vergangenen Winter meldeten die Rheinland Lions mitten in der Saison Insolvenz an - als Tabellenführer.

"Es nervt ein bisschen. Manchmal wissen Leute bei uns gar nicht, was wir machen", findet Fiebich. Sie hat etwas auf dem Herzen, was man schon daran merkt, dass sie kurz nach dem Interview eine Sprachnachricht hinterherschickt. Ein weiteres Problem sei, dass es in der DBBL keine Ausländerbeschränkung gebe. Klubs mit etwas finanziellem Spielraum können so viele Akteurinnen aus anderen Ländern holen, wie sie wollen, und diese auch einsetzen. Der deutsche Nachwuchs bekomme immer weniger Chancen.

In Sachen Ausbau der Liga tue sich "überhaupt nichts", sagt Fiebich. "Was wir leisten, geht unter, was total schade ist." Sie habe sich kürzlich wieder Partien angeschaut und kommt zu dem Schluss: "Die Qualität der DBBL geht krass nach unten, das Niveau ist viel niedriger als anderswo." Am meisten störe sie, "wie die Liga das aufzieht, es wirkt alles so dermaßen unprofessionell". In Spanien sei das anders, "da sind an entscheidenden Stellen ehemalige Spielerinnen, die haben viel mehr Expertise - während in Deutschland Leute verantwortlich sind, die gar keinen Plan haben".

Erstmals seit zwölf Jahren gelang die EM-Qualifikation mit dem Nationalteam

Dann endet Fiebichs Anklage, und sie berichtet doch noch Versöhnliches, es steht schließlich eine EM an. Erstmals seit zwölf Jahren gelang die Qualifikation mit dem Nationalteam. Und auch wenn das Turnier in Israel und Slowenien (15. Juni bis 25. Juni) mit der Saison der WNBA kollidiert (die Rechte an Fiebich besitzen die New York Liberty), ist sie dabei.

"Ich kämpfe seit 2018 mit dem DBB für mehr Aufmerksamkeit und diese lang ersehnte EM", sagt sie, "jetzt ist es Zeit, das zu genießen." Amerika kann warten. Ihr Traum ist ohnehin nicht unbedingt die Glitzerwelt der USA. Wichtiger seien Länderspiele und die Chance auf Olympia 2028. Ihren Vertrag in Saragossa hat sie um ein Jahr verlängert, der Pokalsieg gewährt dem Klub eine Wildcard in der Euroleague. Wie es ist, die zu gewinnen, kann sie jetzt bei Satou Sabally erfragen.

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