DBB-Basketballerinnen:Raus aus dem Turnhallenmief

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Leonie Fiebich (hier im Hinspiel in Weißenfels) erzielte in Bosnien-Herzegowina 30 Punkte und verhalf dem DBB-Team damit zur EM-Qualifikation. (Foto: Steffen Proessdorf/Imago)

Zum Basketball aus Deutschland gehören nicht nur Dennis Schröder, die Wagner-Brüder oder Dirk Nowitzki, sondern auch Leonie Fiebich und Marie Gülich. Die EM-Teilnahme des Frauen-Nationalteams muss ein Anfang sein, den Sport zu professionalisieren.

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Wie egal im Moment des Erfolges doch manchmal die Umstände sind. Eine schummrige Turnhallenkabine mit Holzbänken, Graffiti und querliegenden Heizungsrohren an der Wand, das ist vorerst der Ort der größtmöglichen Glückseligkeit für Deutschlands Basketballerinnen. Und vielleicht musste dieses 92:61 ausgerechnet in dieser Umgebung passieren, im Ilidza Cultural & Sports Center in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo. Glamour und funkelnde Großarenen sind ja nicht unbedingt die Sache des deutschen Frauen-Basketballs.

Der schlummert noch immer in der Nische. Aber das soll sich nun mit der gegen Bosnien-Herzegowina erfolgreich beendeten EM-Qualifikation ändern. Zum ersten Mal seit zwölf Jahren spielen Deutschlands Korbwerferinnen in diesem Sommer wieder ein großes Turnier, und wenn je eine alte Weisheit passte wie ein versenkter Dreier im Korb, dann diese: Der Sport muss in Vorleistung gehen, dann eröffnen sich Möglichkeiten, auch an Strukturen zu schrauben.

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Wie es in dieser Hinsicht um das Frauen-Basketball bestellt ist, wurde zu Jahresbeginn in Bergisch-Gladbach deutlich: Mit den Rheinland Lions ging mitten in der Saison ein ganzer Klub insolvent - als Tabellenführer der Bundesliga hatte man sich finanziell übernommen, auf der konfusen Webseite der DBBL ist der Verein in der Ergebnisansicht nun durchgestrichen. Vielerorts fehlen die Mittel für großflächig aufgezogenen Profisport, Erstliga-Standorte tragen Namen wie Eigner Angels Nördlingen, Rutronik Stars Keltern oder Inexio Royals Saarlouis.

Dabei ließe sich die riesige Lücke zwischen Frauen- und Männersport im Basketball durchaus schließen - mit Anschub der Etablierten, wie es derzeit im Frauenfußball geschieht. Neben dem Mitteldeutschen BC betreibt nun immerhin auch Alba Berlin ein Frauenteam auf höchstem Niveau, und wenn es nach DBB-Präsident Ingo Weiss geht, ist die EM mit der Nationalmannschaft nur der Anfang. "Wir haben zuletzt viel für die Herren getan, jetzt sind mal die Damen dran", sagte der Funktionär kürzlich mit einiger Verve.

Er will bei der Vergabe im April nach der Männer-EM 2022 nun die Frauen-WM 2026 nach Deutschland holen. Der aktuelle Schub vor der Europameisterschaft in Slowenien und Israel (15. bis 25. Juni) sollte daran erinnern, dass Basketball "Made in Germany" nicht nur Dennis Schröder, die Wagner-Brüder oder Dirk Nowitzki ist, sondern auch Leonie Fiebich, Marie Gülich oder Svenja Brunckhorst. Gesichter und Vorbilder, die in Europa und teils in den USA Basketball auf höchstem Niveau aufs Parkett zaubern, sind also vorhanden.

Laut Verband steigen an der Basis immer mehr Mädchen in den Sport mit der orangefarbenen Kugel ein, auch wenn sie noch keine 1,90 Meter groß sind. Die Sache ist nur: Sportlich ist Deutschland selbst mit der derzeit vom Nationalteam pausierenden Satou Sabally (in der US-Profiliga WNBA eine echte Attraktion) kaum WM-reif. Der Weg heraus aus dem Turnhallenmief führt über höhere Standards für den Profisport. Mehr Sichtbarkeit entstünde zum Beispiel mit Newslettern zur Lage der Liga oder mit Streaming-Angeboten, um die Nationalspielerinnen besser verfolgen zu können als zuletzt in Sarajevo.

Dort wirkte die Übertragung wie mit einer Handkamera aufgezeichnet. Das war immerhin mehr als nun auf der Homepage des DBB zu finden ist: Bewegtbilder vom größten Erfolg seit mehr als einem Jahrzehnt sucht man dort vergeblich. Es gibt also viel zu tun, wenn man es im Verband ernst meint, das Frauenbasketball zu fördern.

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