FC Bayern gegen Fürth:Sehnsucht nach feinstem Wienerisch

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Beeindruckende Physis, so viel steht fest: Dayot Upamecano (links) im Training mit Tanguy Nianzou. (Foto: Philippe Ruiz/Imago)

Dayot Upamecano wurde beim FC Bayern mit dem Anspruch vorgestellt, fortan das Wort in der Abwehr zu führen. Nun ist ausgerechnet die Kommunikation im Spiel das Problem.

Von Sebastian Fischer

Hasan Salihamidzic hat sich damals, im Sommer 2021, sehr gefreut, diese Anekdote zu erzählen. Ein paar Wochen zuvor hatten sich fast alle verdienten Abwehrspieler des FC Bayern verabschiedet, David Alaba, Jérôme Boateng und Javi Martinez. Die Mannschaft brauchte also einen Neuen, der das Spiel absichert und von hinten anleitet. Darum ging es in der Geschichte.

Neben dem Sportvorstand auf dem Podium saß Dayot Upamecano, und Salihamidzic erzählte: "Als er den Vertrag unterschrieben hat, hat er den Stift zur Seite gelegt und gesagt: So, jetzt möchte ich eine kleine Rede halten!" Diese Rede des Zugangs von RB Leipzig habe vom Stolz gehandelt, beim FC Bayern zu sein. Aber beeindruckt hatte den Sportchef weniger der Inhalt als die Form: "Wie gut er da schon vor allen gesprochen hat, das erwarten wir von ihm." Denn: "Dass er lautstark seine Kommandos gibt, das brauchen wir."

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Rund sieben Monate später hat der FC Bayern zum ersten Mal unter Trainer Julian Nagelsmann und gleich zum Start der wichtigsten Saisonphase zwei Spiele hintereinander nicht gewonnen. Auf ein 2:4 beim VfL Bochum folgte ein 1:1 im Champions-League-Achtelfinal-Hinspiel in Salzburg. Die Münchner haben weiterhin sechs Punkte Vorsprung in der Bundesliga, sie haben beste Chancen aufs Viertelfinale. Sie treten am Sonntag gegen den Tabellenletzten Fürth an, der Negativlauf im Miniaturformat könnte also unter wahrscheinlichen Umständen enden. Aber dass sich eine neue Abwehr einspielt, in der die Kommandos stimmen? Das ist weiterhin der Wunsch.

Gegentore sind oft nicht die Schuld der Verteidiger

Als Nagelsmann in Salzburg das Gegentor analysierte, vor dem Verteidiger Lucas Hernández überlaufen worden war, sprach er das explizit an. "Es ist ein Kommunikationsthema", sagte der Trainer. Hernández habe nicht gewusst, ob ein Spieler hinter ihm sei. "Da müssen wir im Coaching zulegen." Upamecano? Saß als Ersatzspieler auf der Bank.

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Seit Wochen wird nun schon über die Abwehr der Bayern geredet, aus mehreren Gründen. Zunächst kam die Nachricht vom Abschied von Nationalspieler und Innenverteidiger Niklas Süle im kommenden Sommer, dann fielen die vier Gegentore in Bochum. Upamecano spielte schwach, blieb zur Pause in der Kabine und kam in Salzburg nicht zum Einsatz. Seine Kollegen in der Defensive wirkten auch nicht besonders sicher.

In der Pressekonferenz am Freitag sprach Nagelsmann wieder über das Thema Defensive. "Die Tore rühren nicht daher, dass wir hoch anlaufen und deswegen tiefer verteidigen werden", sagte er, so viel zur Taktik. Es gehe vielmehr um Balance, Fehlerminimierung, Vertrauen. Die Verteidiger? Seien in den vergangenen Jahren nicht immer Stammspieler gewesen, was auf Süle und Hernández zutrifft, hätten wenig gemeinsame Erfahrung gesammelt und bräuchten eine "gewisse Eingewöhnungszeit, gerade was die Kommunikation angeht".

Bei der Bewertung von Stärke oder Schwäche der Bayern-Abwehr gibt es mehrere Komponenten, eine betrifft den Trainer: Nagelsmann hat das schwere Erbe von Hansi Flick unter anderem mit dem Vorsatz angetreten, die Abwehr zu verbessern, die sich auch schon unter Flick einige Kontergegentore fing - übrigens trotz vieler lauter und präziser Kommandos von Alaba in feinstem Wienerisch. Nagelsmann feilte am Gegenpressing, positionierte einzelne Spieler anders. Wenn es funktioniert, sieht es beeindruckend aus. Und weniger Gegentreffer in der Liga hat kein Team kassiert. Dem entgegen stehen Systemabstürze wie beim 0:5 im DFB-Pokal in Gladbach oder beim 2:4 in Bochum.

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Es gibt auch die Komponente, die den Vorstand betrifft: Während dem FC Bayern eine Vertragsverlängerung mit Alaba plausibel begründet zu teuer war, kosteten allein Upamecano und Hernández rund 122 Millionen Euro Ablöse. Dass die Transferpolitik der Bayern, das ewige Thema mit Flick, nun wieder im Gespräch ist, liegt auch an einer Andeutung Nagelsmanns: Er wünschte sich wohl einen Winterzugang, kam darüber mit dem Vorstand aber nicht überein.

Das führt zur dritten Komponente: die Spieler. Gerade fehlen für die Statik ein paar wichtige Profis, zuvorderst Mittelfeldspieler Leon Goretzka. Gegentore sind oft nicht die Schuld der Verteidiger, für Ballverluste und schwaches Umschalten in der gegnerischen Hälfte können sie nichts. Trotzdem bleibt die Frage, ob die Bayern-Abwehr die hohen Ansprüche erfüllt - und ob sich einer findet, der wie Alaba kommandieren kann, wenn auch nicht unbedingt in feinstem Wienerisch.

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Hernández ist der Typ wilder Zweikämpfer mit Messer zwischen den Zähnen, aber ein souveräner Moderator? Für die Vorstellung braucht man derzeit noch etwas Fantasie. Rechtsverteidiger Benjamin Pavard, der wohl stets ein Innenverteidiger wäre, gäbe es einen anderen starken Rechtsverteidiger, wirkt auch nicht wie prädestiniert für eine Führungsrolle. So etwas wie der Abwehrchef ist derzeit am ehesten Süle. Und Upamecano?

"Upa wird wieder spielen und ein wichtiger Faktor für uns sein, weil er ein großartiger Verteidiger ist", sagt Nagelsmann

Nach dem Bochum-Spiel nahm Nagelsmann ihn im Training zur Seite, sprach mit ihm über seine Fehler. So eine Partie, in der er scheinbar von einem Fehler zum nächsten schlitterte, gab es in dieser Saison schon mal, beim 0:5 in Gladbach. Damals verwies Nagelsmann, der Upamecano aus zwei gemeinsamen Leipziger Jahren kennt, auf die Jugend des Franzosen, 23 ist er erst. Nagelsmann sagte, Upamecano müsse cleverer verteidigen, sich nicht auf seine beeindruckende Physis verlassen. Die Rehabilitation in eigener Sache folgte schnell.

"Supermecano", so wurde er schon oft genannt, wenn er seine Stärken zeigte: wuchtige Zweikämpfe, schnelle Sprints, genaue Pässe, auf höchstem Niveau. Aber Ausreißer nach unten waren auch in Leipzig schon nicht untypisch. Diesmal ging den Fehlern in Bochum zudem eine Corona-Infektion zu Jahresbeginn voraus, er verpasste zwei Spiele und wurde zweimal nur eingewechselt. "Auch Upa wird wieder spielen und ein wichtiger Faktor für uns sein, weil er ein großartiger Verteidiger ist, und dann werden wir uns auch defensiv definitiv wieder stabilisieren", sagte Nagelsmann am Freitag.

Aber wird der Franzose beim FC Bayern auch das, was man früher einen Abwehrchef nannte? Oder muss diese Rolle trotz der Investitionen der vergangenen Jahre erst der Süle-Nachfolger übernehmen, den die Münchner auf einem komplizierten Transfermarkt finden möchten?

Über Dayot Upamecano hat Nagelsmann jedenfalls schon in der Saisonvorbereitung einen Satz gesagt, der jetzt wieder von Interesse sein könnte: Er sei "kein Lautsprecher und wird es auch nicht werden".

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