FC Bayern in Salzburg:Mal wieder Zeit für Heldenfußball

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Joshua Kimmich war um Ordnung bemüht - doch es wimmelte überall vor giftigen Salzburgern. (Foto: Getty Images)

Das Ausgleichstor zum 1:1 von Kingsley Coman in der 90. Minute sichert dem FC Bayern in Salzburg zwar eine gute Ausgangsposition im Champions-League-Achtelfinale. Die anfällige Defensive bleibt dennoch ein Thema.

Von Sebastian Fischer, Salzburg

Kingsley Coman wird man immer mit diesem einen Tor verbinden. Ein Stadion ohne Fans in Lissabon, eine Flanke von Joshua Kimmich, der Kopfball mit so gut wie geschlossenen Augen zum 1:0 gegen Paris. Es war das Tor, das den FC Bayern abhob vom Rest Europas und ihn 2020 zum Champions-League-Sieger machte.

Coman, 25, hat seitdem noch viele weitere Tore geschossen, fünf in der Champions League, und das fünfte nun war wieder ein wichtiges. Es hob den FC Bayern allerdings noch nicht ab vom Rest der europäischen Konkurrenz. Es stellte vielmehr erst mal sicher, dass der deutsche Rekordmeister zur Konkurrenz überhaupt weiterhin dazugehört, mit guten Chancen aufs Weiterkommen.

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89 Minuten lang sieht es aus, als würde der FC Bayern die zweite Niederlage hintereinander einstecken müssen - dann retten sich die Münchner mit einem späten Tor. Das 1:1 in Salzburg bietet alle Chancen aufs Weiterkommen.

Von Sebastian Fischer

Genauer: Comans Tor zum 1:1-Ausgleich in der 90. Minute des Achtelfinal-Hinspiels in Salzburg sorgte dafür, dass fast 30 000 euphorische Zuschauer plötzlich aufhörten, im sicheren Gefühl, den Favoriten schon wieder gestürzt zu haben, ihre Klatschpappen in die Handflächen zu schlagen.

"So stellt man sich Fußball vor", hat Thomas Müller nach dem Spiel gesagt, aber damit das Publikum gemeint, nach langer Zeit war ja mal wieder ein Stadion ausverkauft, in dem die Bayern zu Gast waren. Zum eigenen Fußball sagte Müller eher, dass die "Details zu ungenau waren". Kimmich sagte: "Wir sind momentan nicht in einem Flow, in dem alles von allein geht." Und Bayern-Trainer Julian Nagelsmann sagte: "Um in Europas Elite mitzuhalten, haben wir noch ein bisschen was zu tun."

Nun war das natürlich nur der selbstkritische Teil der Analysen. Alle Protagonisten hoben auch die Dominanz hervor, mit der die Bayern spätestens mit Beginn der zweiten Hälfte auf den Rückstand durch Junior Adamu in der 21. Minute reagiert hatten. Es ging ja auch um die Reaktion auf das blamable 2:4 in Bochum in der Bundesliga am vergangenen Wochenende. 551 zu 148 angekommene Pässe, so lautete immerhin eine recht eindrucksvolle (und natürlich vollkommen wertlose) Statistik zugunsten der Münchner. Doch erst sehr spät im Spiel führte diese Dominanz auch zu klaren Torchancen.

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Der Franzose versucht es immer wieder, bis er schließlich doch noch trifft. Hernandez sieht einen D-Zug an sich vorbeipreschen und Gnabry drückt und drängelt wie am Skilift in Flachau. Die Bayern in der Einzelkritik.

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Früher hat man es mal Heldenfußball genannt, wenn der FC Bayern weniger systematisch, sondern eher mit der Kraft der individuellen Überlegenheit Spiele gewann. Nun legt Nagelsmann zwar sehr viel Wert auf Systematik, aber etwas Heldenfußball braucht es gerade trotzdem. In der 73. Minute hatte man den Eindruck, dass es Coman nun reicht, mit den immer tiefer in der eigenen Hälfte verteidigenden Österreichern. Er begann vom linken Flügel einfach zu dribbeln, kam durch, scheiterte an Salzburgs Torwart. In der 90. Minute lauerte er dann in der richtigen Position, Benjamin Pavard hatte den Ball nach vorne geschlagen, mehr Hoffnung als Plan, Müller verlängerte ihn mit dem Kopf, Coman traf.

Das Verteidigungsverhalten beim Gegentor? "Nicht wirklich giftig", sagt Nagelsmann

"Völlig verdient" nannte Nagelsmann das Ausgleichstor, das fast hinfällig gewesen wäre, Minuten zuvor hatte Salzburg die Großchance aufs 2:0 vergeben, Pavard kurz vor der Torlinie gerettet. "Wir haben so gespielt, wie es sich gehört für uns", sagte der Trainer über die zweite Hälfte. In Bochum hatte er die Leistung der Mannschaft und auch sich selbst deutlich kritisiert. "Total anders", sagte er, sei dieser Auftritt in Salzburg nun gewesen. Allerdings: Manches war auch ähnlich. Deshalb brauchte es ja Comans Heldentat.

Salzburgs Stärken liegen im maschinengleichen Umschalten und im rasanten Kontern, das gehört inzwischen zum Fußball-Allgemeinwissen. Ihre schnellsten und besten Konterspieler exportieren die Österreicher schließlich seit Jahren nach halb Europa, der nächste wird der deutsche Nationalspieler Karim Adeyemi sein.

Um die Stärken wussten natürlich auch die Münchner, verhindern konnten sie ihre Entfaltung beim Gegentor trotzdem nicht. Nach einem Ballverlust im Angriff ließen sie ein langes Zuspiel auf Adeyemi geschehen. Der lief einfach an Bayern-Verteidiger Lucas Hernández vorbei, Pavard verhinderte in der Mitte den nächsten Pass nicht, weil er den Kontakt zu seinem Gegenspieler längst verloren hatte - und Torschütze Adamu war auch frei. Die Parallele, mindestens zum ersten von vier Gegentoren in Bochum, war offensichtlich.

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Im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League liegen die Münchner gegen Salzburg lange in Rückstand. Den Ausgleichstreffer erzielt Kingsley Coman in der 90. Minute.

Nagelsmann hatte umgestellt, Kimmich in der Mitte zur Sicherheit Corentin Tolisso als zweiten Sechser an die Seite gestellt, aus der Viererkette in der Abwehr eine Dreierkette gemacht, den in Bochum mal wieder so schwachen Dayot Upamecano auf die Bank gesetzt. Aber es hakte wieder viel im Münchner Spiel. Und der Trainer kam nicht daran vorbei, auch diesmal das Verteidigungsverhalten zu kritisieren. "Nicht wirklich giftig", so beschrieb er es beim Gegentor.

Nagelsmann sprach zwar auch von einem "Kommunikationsthema": Hernández hätte besser gecoacht werden müssen. Vielleicht hätte Manuel Neuer etwas Hilfreiches gerufen, wenn er da gewesen wäre, der Nationaltorwart, der nach seiner Knie-OP zum zweiten Mal von Sven Ulreich vertreten wurde. Nagelsmanns Worte waren aber eher als Kritik an den übrigen Verteidigern zu verstehen. "Da müssen wir im Coaching zulegen", sagte er, "von der Mitte nach außen". Darüber hinaus darf man von Hernández, immerhin der teuerste Verteidiger der deutschen Fußballgeschichte, wohl auch erwarten, dass er einen Stürmer nicht einfach vorbeilaufen lässt, auch wenn ihn niemand dabei anleitet und es sich um einen sehr schnellen Stürmer wie Adeyemi handelt.

Doch es gehört zu den Themen dieser Tage beim FC Bayern, dass selbst der teuerste Abwehrspieler im Kader noch beweisen muss, dass er auf höchstem Niveau für die Bayern verteidigen kann. 2020, beim Champions-League-Sieg, hieß der Abwehrchef David Alaba. Lucas Hernández stülpte sich bei der Jubelfeier zwar kunstvoll den Henkelpokal über den Kopf. Aber er war nur Ersatzspieler.

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