FC Bayern nach dem Achtelfinal-Hinspiel:Den Künstlern fehlt das Fundament

FC Bayern nach dem Achtelfinal-Hinspiel: Erschreckend wie "Der Schrei" von Edvard Munch - die Bayern-Abwehr um Rekordmann Lucas Hernández.

Erschreckend wie "Der Schrei" von Edvard Munch - die Bayern-Abwehr um Rekordmann Lucas Hernández.

(Foto: Frank Hoermann /Sven Simon/Imago)

Der kleine Disput zwischen Sportvorstand Hasan Salihamidzic und TV-Experte Lothar Matthäus lenkt den Blick auf die Abwehr des FC Bayern - die trotz hoher Investitionen immer noch nicht fertig gebaut ist.

Kommentar von Christof Kneer

Diese beiden Bayern hatten ihre Aufgabe schon vor dem Anpfiff erledigt. Für Aktionen außerhalb des Spielfeldes verteilen die Medien leider keine Zensuren, aber täten sie es, hätten Hasan Salihamidzic und Lothar Matthäus mindestens die Kicker-Note Zwei verdient. Matthäus war ein nützlicher Fernsehexperte, indem er eine kontroverse Diskussion anzettelte, die den FC Bayern ärgerte. Und Salihamidzic gelang es, diesen Ärger nicht beleidigt, sondern auf lässige Weise spitz klingen zu lassen. "Lothar muss natürlich was sagen, er ist ja Experte", meinte Salihamidzic, aber ihm sei das "vollkommen wurscht".

Im Interesse des Trainers Julian Nagelsmann steht zu hoffen, dass Salihamidzics Desinteresse an Matthäus' Thesen vielleicht grundsätzlicher Natur ist, sich aber nicht aufs konkrete Fallbeispiel bezieht. Matthäus hatte zu Recht die Funktionstüchtigkeit der Abwehr in Frage gestellt und dabei auch auf das "Preis-Leistungs-Verhältnis" der Verteidiger Lucas Hernández (80 Millionen Euro Ablöse) und Dayot Upamecano (42 Millionen) abgezielt, was eine gewisse persönliche Betroffenheit in die Debatte brachte. Salihamidzic ist der politisch Verantwortliche für Transfers, unter seiner Federführung wurden diese 122 Millionen Euro vom Klubkonto entnommen. Und Matthäus dürfte wie die meisten Ex-Fußballer der Meinung sein, dass all denen, die da heute auf dem Feld rumrennen, ein Spieler helfen würde, wie er früher einer war.

Aus den Spielen in Bochum und Salzburg ergibt sich ein klarer Arbeitsauftrag fürs Ressort Salihamidzic

Tatsächlich beginnt die kleine folkloristische Fingerhakelei an genau dieser Stelle inhaltlich spannend zu werden. Wer den Bayern in Salzburg beim Spielen zusah, wunderte sich tatsächlich, wie bereitwillig sie sich zunächst in jene wilde Hin-und-her-Rennerei verwickeln ließen, die zum Markenkern des Salzburger Fußballs gehört. Einem derart atemlosen Spielansatz setzen die Münchner normalerweise kontrollierten Favoritenfußball entgegen; sie warten, bis der Gegner sich müde gehechelt hat und bringen dann mal kurz ihre Weltklasse zum Einsatz. An diesem Abend waren die Bayern zwar zunehmend überlegen - aber souverän? Souverän waren sie nie.

Ein einzelnes Spiel mag nicht groß genug sein, um daraus weitreichende Schlüsse zu ziehen, aber in Tateinheit mit der 2:4-Niederlage in Bochum ergibt sich daraus doch ein Arbeitsauftrag für das Ressort Salihamidzic. Zwar brauchen die Bayern in den Fußballjahren 2022 ff. nicht mehr jene Art von vormodernen Führungsspielern, wie es Lothar Matthäus oder Stefan Effenberg waren; dennoch haben die Spiele gezeigt, dass sich die Akquise-Abteilung nicht an der eigenen Klubgeschichte versündigen sollte. Große Bayern-Teams waren immer auf mächtigen Achsen erbaut, die zwar vorne auf die großen Stürmer zuliefen, aber hinten begannen. Im Moment besitzt der FC Bayern mehr offensive Artisten als je zuvor, und wenn Goretzka wieder fit und Kimmich wieder Kimmich wird, wäre auch die Mitte wieder mit genügend Autorität ausgestattet - aber einen oder gar zwei Spieler, die in der Abwehr für Stabilität, Kommunikation und eine seriöse Spielentwicklung bürgen, hat der FC Bayern nach David Alabas Abschied nicht mehr, trotz extremer Investitionen in diesen Mannschaftsteil. Das meint Julian Nagelsmann, wenn er nun erstmals und noch vorsichtig über Transfers spricht.

Der Umbau der Bayern-Elf ist doch noch nicht abgeschlossen, das ist eine klare Erkenntnis dieser beiden Spiele. Nagelsmanns Künstlern fehlt noch das verlässliche Fundament, auf dem sie tanzen können - erst recht, wenn (noch) bessere Gegner als Salzburg kommen.

Zur SZ-Startseite
FC Red Bull Salzburg v FC Bayern München: Round Of Sixteen Leg One - UEFA Champions League

FC Bayern in Salzburg
:Mal wieder Zeit für Heldenfußball

Das Ausgleichstor zum 1:1 von Kingsley Coman in der 90. Minute sichert dem FC Bayern in Salzburg zwar eine gute Ausgangsposition im Champions-League-Achtelfinale. Die anfällige Defensive bleibt dennoch ein Thema.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: