FC Bayern:Hoeneß' zielloses Geschimpfe

Der Bayern-Präsident will seinen Torhüter verteidigen, doch der Rundumschlag ist vor allem respektlos gegenüber Marc-André ter Stegen. Das wird Manuel Neuer mehr schaden als weiterhelfen.

Kommentar von Martin Schneider

Die Debatte war ja eigentlich schon geführt. Irgendwann, nach allen Torhüter-Statements und nach allen Elfer-Paraden hatte fast jeder gemerkt, dass das deutsche Nummer-Eins-Problem einfach nicht aufzulösen ist. Marc-André ter Stegen hält Weltklasse, Manuel Neuer hält auch Weltklasse - ist aber dazu noch Kapitän der Nationalmannschaft und einen Spielführer kann man nicht ohne Weiteres auf die Bank setzen. Man kam also zu dem Schluss, dass am Stammplatz von Manuel Neuer nicht gerüttelt wird, auch, wenn das hart für ter Stegen ist. Pech für die Nummer Zwei, weiter im Text.

Dann kam der FC Bayern. Dann kam Uli Hoeneß.

Der Präsident machte nicht ein, nein, er machte einen Keller voller Fässer auf. Ter Stegen habe "überhaupt keinen Anspruch" zu spielen. Die westdeutschen Medien würden ihn unterstützen, die süddeutschen aber nicht Manuel Neuer. Er werde es sich in Zukunft nicht mehr gefallen lassen, dass "unsere Spieler" vom DFB beschädigt werden. Er werde "den Leuten Feuer geben". Und das waren nur die Kernaussagen.

Löw hat Manuel Neuers Status nie in Frage gestellt

Vieles von dem, was Hoeneß sagt, ist seltsam bis problematisch. Unter "kurios" kann man mit viel gutem Willen noch abheften, dass Hoeneß offenbar der Meinung ist, regionale Medien müssten ihren regionalen Nationaltorhüter "unterstützen". Wobei man da übrigens anmerken könnte, dass Neuer in Gelsenkirchen geboren ist, also in Westdeutschland und ter Stegen nicht mehr in Gladbach spielt. Aber gut.

Schwieriger ist da schon, dass Hoeneß offen ankündigt, dem DFB "Feuer zu machen", was ja in letzter Konsequenz nichts anderes heißt, dass er Joachim Löw in die Aufstellung reinreden will. Der Witz daran ist, dass ja aktuell immer Manuel Neuer spielt - das war ja der Auslöser der ganzen Diskussion. Man kann Joachim Löw schon einen kleinen Schlingerkurs vorwerfen, wenn er etwa im März auf der Torhüterposition einen "kleinen Neubeginn" ankündigt, ter Stegen Spiele in Aussicht stellt und sich daran nicht hält. Aber davon mal abgesehen - wie soll etwa Dortmunds Hans-Joachim Watzke das "Feuer machen" verstehen? Oder jeder andere Klub-Boss? Spielt jetzt der Spieler, dessen Verein am lautesten poltert?

Am problematischsten sind Hoeneß Aussagen direkt Richtung Marc-André ter Stegen. Er attackiert - erneut - einen Spieler, der sich nichts hat zu Schulden kommen lassen. Denn egal wie man in dieser Debatte steht, ist es doch absolut unstrittig, dass ter Stegen wenigstens ein Recht darauf hat, frustriert sein zu dürfen. Nichts anderes hat er in seinen ersten Statements gesagt und wenn man einer der besten Torhüter der Welt ist, in der Nationalelf aber keine echte Chance hat - dann sollte man doch zumindest das Offensichtliche aussprechen dürfen. Wenn Hoeneß nun sagt, ter Stegen habe "überhaupt keinen Anspruch" zu spielen und solle mit solchen Aussagen nicht an die Öffentlichkeit, ist das schlicht undifferenziert, bevormundend und respektlos gegenüber dem Sportler und dem Menschen. Hoeneß schimpft einfach nur ohne Rücksicht vor sich hin.

Hoeneß hat aus der berühmten Pressebeschimpfungskonferenz nichts gelernt

Dass die geschlossene Positionierung des FC Bayern (auch Karl-Heinz Rummenigge, Hasan Salihamidzic und Niko Kovac äußerten sich, aber sehr viel überlegter als Hoeneß) ihr Ziel erreicht, also Manuel Neuer hilft - das ist mehr als fraglich. Neuer selbst ist seit Tagen bemüht, die Debatte wieder runter zu fahren, will selbst gar nichts mehr sagen. Er ist übrigens auch in einer schwierigen Zwischenposition, weil er als Kapitän einerseits für die ganze Mannschaft, also auch für ter Stegen, mitdenken muss, andererseits aber einen sportlichen Konkurrenzkampf zu führen hat. Die Debatte hat nun jedenfalls ein anderes Gewicht als vor dem Zeitpunkt, als Hoeneß und der FC Bayern beschlossen, sie zur Klubangelegenheit zu machen. Einfacher ist es für die beiden Torhüter dadurch nicht geworden, auch für Neuer nicht.

Hoeneß selbst hat aus der berühmten Pressebeschimpfungskonferenz aus dem vergangenen Herbst offenbar nichts gelernt. Schon damals war die ursprüngliche Intention, sich vor die eigene Mannschaft zu stellen - heraus kamen seltsame Interpretationen von Journalismus, des Grundgesetzes und die Attacke in Richtung des Spielers Juan Bernat, der damals mit der Sache wirklich gar nichts zu tun hatte. Die Tirade vom Mittwoch war ebenfalls wieder ein Rundumschlag aus der alten Zeit. Hoeneß denkt, er kann es sich immer noch erlauben, als Führungsfigur des FC Bayern ohne Rücksicht auf Details und Zwischentöne vor sich hinzureden.

Hoeneß selbst hat das übrigens gemerkt, er sagte vor Kurzem in einem Interview mit der Vereinshomepage, seine Art von Klartext sei offenbar nicht mehr erwünscht. Jetzt hat er trotzdem wieder seine Art von Klartext gesprochen. Im November tritt Hoeneß übrigens als Präsident des FC Bayern zurück. Er sagte aber, man werde trotzdem weiter von ihm hören.

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