FC Bayern in der Bundesliga:Gemeinheiten aus der Heldenloge

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Arjen Robben, Leon Goretzka und Franck Ribéry: Nicht alle von ihnen sind die Zukunft des FC Bayern. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Beim 3:1 gegen Hannover gibt es aufseiten des FC Bayern reihenweise Debatten.
  • In den Fokus rückt eine harte Kritik von Franz Beckenbauer am Spiel der Mannschaft.
  • Trainer Niko Kovac will aber weiter an seinem strikten Konzept festhalten.

Von Claudio Catuogno, München

Tor für Bayern, aber der Trainer Niko Kovac jubelte nicht. Er drehte sich zur Seite und atmete tief durch, ohne seinen grimmigen Gesichtsausdruck abzulegen, er sah aus wie ein völlig erschöpfter Fahrlehrer, dessen Prüfling es gerade im 23. Versuch geschafft hat, rückwärts einzuparken. Und nun muss man halt schauen, wie viele Kotflügel und Außenspiegel dabei zu Schaden gekommen sind. Dann sagte Kovac nur ein Wort: "Arjen!"

In dieser Szene aus der 84. Minute des Bundesligaspiels zwischen dem FC Bayern und Hannover 96 steckte alles drin. Die ganze Bandbreite aus Freude und Frust, die den FC Bayern gerade umhüllt wie ein mysteriöser Frühlingsschneesturm.

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Freude zum Beispiel, weil es Franck Ribéry war, der zum finalen 3:1 getroffen hatte für die Bayern, kurz nach seiner Einwechslung für Serge Gnabry Mitte der zweiten Halbzeit. Ribéry zählt zu jenen von den Fans sehr verehrten Bayern-Oldies, die längst auf emotionaler Abschiedstournee sind. Dass der 36-jährige Franzose den Klub im Sommer verlassen wird, hatte sich lange angedeutet; am Sonntag machte er es in einem Statement offiziell ("Man hat mich in meiner Karriere nie fallenlassen, das werde ich nie vergessen"). Vielleicht war dieses Kotflügel-Außenspiegel-3:1 sein letzter Treffer für die Bayern?

Und Freude auch, weil der Zwei-Tore-Vorsprung es endlich zuließ, auch Arjen Robben, 35, zu einem umjubelten Comeback zu verhelfen: Fünf Monate nach seiner jüngsten Verletzung flitzte auch der Holländer also mal wieder über den Rasen der Arena, hin und wieder rieb er dabei feixend wie ein Kind die Handflächen aneinander, so sehr freute er sich, wieder dabei zu sein. Dass er es war, der einen finalen Freistoß schießen durfte (knapp drüber), nannte Robben ein "Geschenk der Mannschaft", und angesichts der Lobgesänge von den Tribünen empfand er "nichts als Dankbarkeit". Tja, so schön kann der Fußball beim FC Bayern sein, jedenfalls für jene, mit deren Namen die Erfolge der Vergangenheit verbunden sind und die sich um die Zukunft nicht mehr allzu viele Gedanken machen müssen.

2020 werde es für Ribéry und Robben ein Abschiedsspiel geben, kündigte Klubchef Karl-Heinz-Rummenigge an: "Sie haben die erfolgreichste Dekade des FC Bayern mit fantastischem Fußball mitgeprägt." Wie es für beide weitergeht, ist noch unklar, aber vielleicht auch nicht so wichtig. In irgendeiner Elf wird für Robbéry schon noch Verwendung sein, zur Not in der Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft.

Und damit zum Frust.

Ehe sich der Trainer Niko Kovac am Samstag vom Rasen wegdrehen und das Kommando "Arjen" geben konnte, hatte er am Spielfeldrand das gesamte Repertoire empörter und/oder verzweifelter Gesten vorgeführt: Er riss die Hände nach hinten, stieß die Brust nach vorne, stopfte die Hände in die Taschen seines Daunenmantels, um sie keine zwei Sekunden später wieder hervorzuholen, er pfiff auf den Fingern, kratzte sich am Kinn, wies hier- und da- und dorthin oder wirbelte die Hand über den Kopf wie ein Lasso.

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Und wenn man Kovac später gefragt hat, warum er nicht zufrieden war, dann sagte er etwas, das tief blicken ließ in die Gedankenwelt dieses Trainers und zugleich in die Problemwelt des FC Bayern: Ihm habe die Breite im Spiel gefehlt, sagte Kovac, denn "wenn du in der Mitte den Ball verlierst, geht da schnell die Post ab". Und bei allen Bemühungen, das 3:1 zu erzielen, sagte Kovac, habe ihm "die Restverteidigung nicht gefallen". Deshalb habe er versucht, "Einfluss zu nehmen, was mir aber nicht gelungen ist, weil ich zu leise bin".

Womöglich ist Kovac das aber auch deshalb nicht gelungen, weil seine Mannschaft diese Defensiv-first-Strategie einfach nicht mehr so gerne hören will, zumal als Tabellenerster gegen einen Tabellenletzten in Unterzahl. Zugleich war die Verunsicherung aber auch auf dem Platz zu spüren: Das wird doch nicht noch schiefgehen? Jedenfalls sah das Bayern-Spiel in der zweiten Halbzeit nicht mehr nach Dominanz und aufkommender Meisterschafts-Vorfreude aus - nachdem zuvor Robert Lewandowski (27.) und Leon Goretzka (40.) einen beruhigenden Vorsprung herausgeschossen hatten, ehe Jonathas einen umstrittenen Handelfmeter zum 2:1 nutzte und kurz darauf vom Platz flog (). "Zweite Halbzeit war schlecht", sagte der Sportdirektor Hasan Salihamidzic.

Und den Soundtrack dazu hatte Franz Beckenbauer schon vor dem Anpfiff geliefert, als er bei einer Ehrung in die Mikrofone gesagt hatte, die aktuelle Bayern-Elf sei "verwöhnt" und komme ihm vor wie eine "Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft".

Freude. Frust. So ein Gefranzel vor dem Anpfiff, eine kleine Gemeinheit aus der eigenen Heldenloge reicht beim FC Bayern gerade schon, um vieles andere zu überlagern. Sogar die Tatsache, dass es nun ja ziemlich sicher wieder reichen wird für die nächste deutsche Meisterschaft, zumal der Verfolger Borussia Dortmund später am Abend weitere Punkte vergab.

Also: Hat Beckenbauer recht? Unrecht? Ein bisschen recht? Auch da variierten hinterher die Meinungen. Joshua Kimmich gab Beckenbauer "eindeutig recht", in vielen Spielen habe man "viel zu wenig" gezeigt. Thomas Müller zog die Sache eher ins Lächerliche. Klar sei die Mannschaft verwöhnt, sagte er den Journalisten: "Von euch! Wer lesen kann, hat's gut beim FC Bayern." Ein bisschen ging dabei unter, dass es Beckenbauer nur um den Vergleich mit Europas Spitze gegangen war: Liverpool, Barça, Ajax.

Wie weit hängt der FC Bayern diesen Teams inzwischen hinterher, selbst wenn er hierzulande bald wieder die übliche Silberware durch seine Bierduschen schleppt? Das bleibt die Kernfrage. Als Beckenbauer das letzte Mal die Uwe-Seeler-Gedächtnismannschaft bemühte, 2001 in Lyon, wollte er aufrütteln - kurz darauf gewann Bayern die Champions League. Aber diesmal, sagte der Sportchef Salihamidzic, "sind wir da ja leider schon ausgeschieden".

© SZ vom 06.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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