FC Bayern entlässt Louis van Gaal:Mit Pauken und Trompeten

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Die Trainer-Ära Louis van Gaal beim FC Bayern ist Geschichte - und sie endet mit einem Zerwürfnis zwischen den Vereinsbossen und dem Fußballlehrer. Besonders Präsident Hoeneß lässt wegen dessen Egomanie kein gutes Haar am Holländer.

Maik Rosner, Nürnberg

Uli Hoeneß saß auf dem Podium und rechnete ab. "Mit der Entscheidung, Jörg Butt aus dem Tor zu nehmen, ging die Scheiße los", sagte der Präsident des FC Bayern. Es fielen weitere Sätze, die die ganze Wut der sogenannten Seele des Vereins zum Ausdruck brachten. Auf jenen Mann, der einst bei den Münchnern mit einem Satz angetreten war, in dem bereits viel von dem provozierenden Ego des neuen Fußballlehrers zu erkennen war, an dem die Zusammenarbeit schließlich zerbrach: "Mia san mia und ich bin ich."

"Mia san mir und ich bin ich": Louis van Gaal ist zwar noch er selbst, aber er ist nicht mehr Trainer des FC Bayern. (Foto: dpa)

Hoeneß fürchtet um seinen Verein, nicht erst seit dem 1:1 beim 1. FC Nürnberg, nach dem man sich zur Trennung von Louis van Gaal entschloss. Die Beurlaubung geriet zu einem Rausschmiss mit Pauken und Trompeten.

"Es war ja nicht nur ein Problem, dass einer mal einen Fehler macht. Es ist eine Unruhe in der ganzen Abwehr dadurch entstanden", schimpfte Hoeneß auf der kurzfristig einberufenen Pressekonferenz am Sonntagmittag: "Und vor allem das Thema Manuel Neuer hätte sich hier nie so hochgeschaukelt, wir hätten nie ein Problem in der Südkurve bekommen. Wir haben uns Probleme gemacht, die völlig unnötig waren, die den ganzen Verein total durcheinander gebracht haben. Das sollte sich Louis van Gaal mal überlegen."

Ratschläge habe der Trainer nicht angenommen, "gestern war das Fass übergelaufen. Es gibt einen alten Spruch: Der Krug geht zum Brunnen, bis er bricht. Gestern ist er gebrochen", sagte Hoeneß weiter: "Der Spaß hat in diesem Verein seit langer Zeit gefehlt. Nicht nur bei uns, sondern auch bei den Spielern. Und dass die Spieler hinter ihm standen, ist ein Märchen." Van Gaal wusste am Samstag noch nicht, was kommen würde. Er saß auf dem Podium in Nürnberg und sprach über seinen Torwart Thomas Kraft, die restlichen fünf Spiele, die man gewinnen müsse, um Platz drei und damit die Teilnahme an der Champions League zu erreichen. Er tadelte Arjen Robben für die Rote Karte, weil er den Schiedsrichter Knut Kircher nach dem Schlusspfiff beleidigt hatte.

Und er sagte einen Satz über Kraft, der noch am Samstagabend für den Trainer selbst Gültigkeit bekam. "Ich muss auch immer meinen Spielern Vertrauen schenken. Aber das hat natürlich eine Grenze", erklärte van Gaal nach dem entscheidenden Fehler des jungen Schlussmanns, der zum Ausgleich geführt hatte.

Um kurz nach halb zehn am Samstagabend war die Grenze des Vertrauens in den niederländischen Fußballlehrer erreicht. Und das hatte auch viel mit dessen Entscheidung in der Winterpause zu tun, Kraft statt des zuvor zuverlässigen Routiniers Jörg Butt ins Tor zu stellen - trotz der Absicht des Vereins, Schalkes Nationaltorwart Manuel Neuer zu verpflichten.

Die gesamte Führung des FC Bayern hatte sich nach der Rückkehr aus Nürnberg in den Vereinsgemächern zusammengesetzt und die sofortige Beurlaubung des Trainers beschlossen. Als der Vorstand dem Trainer die Entscheidung mitteilte, sei das "eine relativ kurze Geschichte" gewesen, sagte der Vorsitzende Karl-Heinz Rummenigge: "Es gab keine emotionale Regung."

Bei Präsident Hoeneß war die Überzeugung schon längst dahin, dass der 59-jährige van Gaal noch der richtige Mann sei, den entthronten und in dieser Saison titellosen Meister zumindest noch zum Minimalziel zu führen, zur Teilnahme an der Hoffnungsrunde für die Champions League. Nun schlossen sich auch Rummenigge, Sportdirektor Christian Nerlinger und Finanzvorstand Karl Hopfner dieser Meinung an. Die kurze Klausur endete mit dem Abschied der "lame duck", von der man sich eigentlich erst am Saisonende trennen wollte. Reduziert worden war die Laufzeit des ursprünglich bis 2012 gültigen Vertrages bereits nach der 1:3-Niederlage in Hannover Anfang März. Gut einen Monat später heißt es nun: Ente ade.

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Im Sommer 2009 war van Gaal angetreten mit dem Ziel, eine Ära offensiv geprägten Fußballs einzuleiten. Nach Meistertitel und Pokalsieg griff die Mannschaft sogar nach dem Henkelpott der Champions League, unterlag im Finale aber Inter Mailand 0:2. Risse im Binnenverhältniss hatte es schon lange davor gegeben.

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Im Herbst 2009 stand van Gaal bereits zum ersten Mal auf der Kippe, und seither verstärkten sich die Dissonanzen mit Hoeneß zusehends. Die Erfolge nach dem ersten Krisenherbst wirkten als Kitt im Machtkampf. Doch seit in dieser Saison innerhalb einer Woche alle möglichen Titel verspielt worden waren, stand van Gaal endgültig auf Abruf. Allein die Ratlosigkeit, wer ihn ersetzen könne, hielt ihn zunächst im Amt. Nun soll sein bisheriger Assistent Andries Jonker, 48, den einen Punkt Rückstand auf Hannover 96 auf Platz drei aufholen. "Andries hat eine bemerkenswerte Antrittsrede gehabt und er hat gesagt, er wird das Gute übernehmen, aber er wird auch Dinge ändern, die aus seiner Sicht veränderungswürdig sind", sagte Rummenigge am Sonntag.

Jonker war auch Anfang März schon eine Überlegung gewesen, doch man hielt noch an van Gaal fest. Seinem bisherigen Assistenten zur Seite stehen nun Hermann Gerland, 56, Spiel-Analytiker Marcel Bout, 47, und Torwarttrainer Walter Junghans, 52. Mit van Gaal wurden auch seine Assistenten Frans Hoek, Jos van Dijk und Max Reckers beurlaubt. In der kommenden Saison wird Jupp Heynckes, 65, die Mannschaft übernehmen.

Bereits am kommenden Sonntag kommt der Freund von Hoeneß mit Bayer Leverkusen nach München. Heynckes könnte mit einem Sieg dafür sorgen, dass sich die Bayern tatsächlich in der kommenden Saison mit dem kleinen europäischen Nischentheater namens Europa League begnügen müssen statt auf der hell ausgeleuchteten und großen Bühne der Champions League wieder auftreten zu dürfen.

Beim 1. FC Nürnberg endete van Gaals Amtszeit mit einem Schlussakkord in Moll. Robben, der wichtigste Spieler der Münchner, hatte nach dem Abpfiff die Rote Karte gesehen, weil er Schiedsrichter Kircher beschimpft hatte. Es ging um ein Handspiel von Andreas Wolf, das Kircher nicht mit einem Elfmeter geahndet hatte. Robben ging auf den Unparteiischen los, und zwar mit Worten, "die in den Bereich der Beleidigung gehen", wie Schiedsrichter Kircher zu Protokoll gab. Was genau der Niederländer zu ihm gesagt hatte, wollte er nicht verraten. Auch Robben nicht. Der sagte dafür: "Ich war einfach sehr sauer, sehr enttäuscht. Auch wegen des Spiels und unserer Leistung. Aber das war nicht gut. Es tut mir wirklich leid."

Wie lange Robben gesperrt wird, ist noch offen. Sicher ist zumindest, dass er nicht mehr viel von dieser missratenen Saison auf dem Platz erleben wird, wo die Hoffnungen meist auf seinen besonderen Momenten ruhen. Fünf Spiele sind es ja nur noch, ehe am 14. Mai der Vorhang fällt. Nun könnte sogar Kraft wieder weichen müssen und Butt ins Tor zurückkehren. Dabei hatten die Münchner bereits nach vier Minuten geführt, durch Thomas Müllers Tor nach Vorabreit Robbens. Doch dann unterlief Kraft nach einer Stunde sein schwerster Fauxpas in einer Reihe von Unkonzentriertheiten, als ihm ein Zuspiel auf Philipp Lahm missriet und Christian Eigler die Einladung zum 1:1 umgehend wie sehenswert annahm.

Jonker wird in der aufgewühlten Gemengelage beim FC Bayern nun für ein vernünftiges Betriebsklima sorgen müssen. Dass es darum nicht besonders gut steht, verrieten die weiteren Äußerungen Robbens, dem nicht nur auf dem Fußballplatz zuweilen Eigensinn anzumerken ist. "Wir müssen kommende Saison Champions League spielen. Dafür muss man auch alles machen. Wenn wir dann wieder so ein Spiel weggeben, bin ich einfach sehr sauer", sagte er und verzichtete auf ein selbstkritisches Urteil: "Wir müssen einfach in jedem Spiel 200 Prozent geben. Und wenn wir das nicht machen, dann ist es vorbei."

Auf die Europa League, das hat er ja schon mehrfach zum Ausdruck gebracht, hat er keine Lust. "Das ist erstens keine Art, und zweitens darf das nicht passieren", sagte Mitspieler Mario Gomez zu Robbens Entgleisung gegenüber dem Schiedsrichter. "Ich kann das schon verstehen, dass er sauer ist. Aber er darf nicht nach dem Spiel den Schiedsrichter beleidigen. Das gehört sich natürlich nicht", befand Bastian Schweinsteiger. Doch der Ärger um Robben war schnell nicht mehr das beherrschende Thema. Es war van Gaal Rausschmiss. Der hatte am Samstag noch gesagt. "Wir müssen 15 Punkte in fünf Spielen holen, um noch Dritter zu werden." Doch er ist nicht mehr Teil des Mia san mia. Van Gaal ist jetzt nur noch van Gaal, der Ehemalige.

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