Van Gaals Ära beim FCB war ein ständiges Auf und Ab. Er kam als dominanter Fußballlehrer, stand kurz vor dem Aus - und führte den Klub ins Finale der Champions League. Jetzt muss er gehen. Seine Zeit beim Rekordmeister in Bildern Louis van Gaal auf der Flucht: Anatolij Timoschtschuk, Danijel Pranjic, Bastian Schweinsteiger und Daniel Van Buyten (von links nach rechts) wollen dem Trainer nach dem Gewinn der deutschen Meisterschaft die traditionelle Weißbierdusche verpassen. Kaum zu glauben, dass zwischen diesem Bild und der Verkündung der Trennung von van Gaal gerade einmal neun Monate liegen. Doch von Anfang an.
Vor der Saison 2009/2010 wird Louis van Gaal als neuer Trainer des FC Bayern vorgestellt. Nach dem Experiment Jürgen Klinsmann und der Aushilfe Jupp Heynckes will der Verein einen "Fußballlehrer" engagieren. Bei seiner Antrittsrede sagt van Gaal: "Mia san mia, wir sind wir und ich bin ich. Selbstbewusst, arrogant, dominant, ehrlich, arbeitsam, innovativ, aber auch warm und familiär." Da musste Uli Hoeneß doch ein wenig schmunzeln.
Den Spielern teilte der neue Trainer dann gleich mit, dass er wenig von Buddhafiguren hält - sondern dafür etwas von Stoppuhren. In diesem Fall zeigt van Gaal Philipp Lahm, dass der wohl zu lange gebraucht hat, um eine Strecke zurückzulegen. Die Akteure des FC Bayern vertrauten ihrem Trainer, wie van Gaal einmal feststellte: "Zufällig bin ich bei meinen Spielern beliebt."
Natürlich gab es auch Reibereien. Zu Beginn von van Gaals Amtszeit gerieten der Trainer und Franck Ribéry aneinander. Zum einen wollte der Franzose unbedingt zu Real Madrid wechseln, zum anderen keinesfalls im zentralen Mittelfeld agieren.
Der Streit stand kurz vor der Eskalation, als Ribéry trotz guter Leistung beim Pokalspiel gegen Fürth in der 73. Minute ausgewechselt wurde. Der Franzose trottete unwillig vom Platz, van Gaal war es relativ egal.
Es war eine schwierige Eingewöhnungszeit, weil van Gaal dem FC Bayern ein neues Gesicht geben wollte. Das sah zunächst eher langweilig aus, die Halbzeitergebnisse von damals lesen sich so schrecklich, wie es tatsächlich gewesen ist: 0:1 gegen Bremen, 0:0 gegen Nürnberg, 0:0 gegen Turin, 0:0 gegen Köln, 0:0 gegen Frankfurt, 0:1 gegen Bordeaux, 0:0 gegen Haifa. Oftmals mussten Standardsituationen und ein zum Stürmer umfunktionierter Innenverteidiger (Daniel Van Buyten, im Bild ganz unten) herhalten, um nicht zu verlieren.
In der Bundesliga lief es nicht, in der Champions League auch nicht so recht - und van Gaal legte sich mit scheinbar jedem Menschen an, der ihm über den Weg lief: mit Reportern, Schiedsrichter-Assistenten und ziemlich vielen beim FC Bayern.
Mit seinen markigen Sprüchen sorgte van Gaal für Unterhaltung und bisweilen auch für Missmut. Seine Aussage zum Oktoberfest war: "Ich habe einen Körper wie Gott." Das wurde ihm als Arroganz ausgelegt.
Knackpunkt in der Beziehung zwischen dem FC Bayern und Louis van Gaal war die Partie gegen Leverkusen am 22. November 2009. Philipp Lahm hatte zuvor ein berühmtes SZ-Interview gegeben, in dem er sich kritisch über die Vereinsführung geäußert hatte. Hätte der FC Bayern die Partie gegen Leverkusen verloren, wäre es wohl zur Trennung gekommen.
Als endültiger Wendepunkt entpuppte sich das entscheidende Champions-League-Gruppenspiel in Turin im Dezember 2009. Die Bayern mussten gewinnen, um doch noch ins Achtelfinale einzuziehen - und sie zeigten trotz eines frühen 0:1 ihr bis dahin bestes Spiel unter van Gaal. Erstmals schien seine Spielidee richtig zu fruchten, die Italiener hatten beim 4:1 keine Chance. Und in der Liga gewann der FCB neun Partien in Serie und war plötzlich wieder an der Spitze der Tabelle.
Der FC Bayern wurde Deutscher Meister und DFB-Pokalsieger - und Louis van Gaal durfte seinen Ruf als "Feierbiest" unter Beweis stellen.
Van Gaal erreichte mit dem FC Bayern auch das Finale der Champions League - musste sich in Madrid jedoch Inter Mailand geschlagen geben. Die Niederlage war eine Beleidigung für van Gaal, weil nicht nur der FC Bayern den Mailändern unterlag, sondern der Offensivtrainer sich dem Defensivkünstler José Mourinho beugen musste.
Der Erfolg des FC Bayern weckte natürlich Erwartungen: Bei der Saisoneröffnung des FC Bayern wurde schon einmal angedeutet, wie viele Titel es sein sollen.
Van Gaal brachte seine Biographie heraus, in der er auch die Verantwortlichen des FC Bayern abwatscht. Die Replik ließ nicht lange auf sich warten. Präsident Uli Hoeneß warf dem Trainer Beratungsresistenz vor - es war das erste Anzeichen eines Zerwürfnisses, das dadurch verstärkt wurde, dass es in der Bundesliga wie im Vorjahr nicht besonders gut lief.
Den Weg des Louis van Gaal beim FC Bayern pflastern zahlreiche Spieler, die gehen mussten oder auf die Bank verbannt wurden. Eines der ersten "Opfer" war Lucio, in der Winterpause der Saison 2010/11 musste dann Kapitän Mark van Bommel gehen.
Auch in der Rückrunde wollte es nicht so recht klappen, die erwartete Siegesserie blieb aus, vielmehr verlor der FC Bayern erst ein groteskes Spiel in Köln, dann völlig verdient gegen Borussia Dortmund und schließlich im DFB-Pokal-Halbfinale gegen Schalke 04. Der Stuhl wackelte bedenklich.
Nach der peinlichen 1:3-Niederlage bei Hannover 96 wurde anschließend die sofortige Trennung von Louis van Gaal erwartet. Diese blieb jedoch aus, die Bosse berieten lange sich und verkündeten schließlich: Es geht weiter mit Louis van Gaal, jedoch nur bis zum Saisonende. Dann sollte für das Feierbiest Schluss sein. Die Suche nach seinem Nachfolger war auch schon erfolgreich verlaufen: Jupp Heynckes wird zum FC Bayern zurückkehren. Doch nicht mal bis zum Saisonende sollte van Gaal auf der Trainerbank bleiben.
Van Gaals Bayern holten nach der Niederlage gegen Hannover zwar drei Siege in Folge. Doch nach dem vierten Spiel - dem 1:1-Unentschieden gegen Nürnberg - soll nun doch schon vorzeitig Schluss sein. Die Bayern entließen den Holländer am Abend nach der Begegnung mit den Franken.