FC Bayern:Mit unangenehmen Tönen nach Bielefeld

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Julian Nagelsmann muss wieder einmal viel erklären - auch, weil Oliver Kahn nicht ganz so viel erklärt beim FC Bayern. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Beim FC Bayern müssen sich Vorstandschef Kahn und Trainer Nagelsmann in der Aufarbeitung des Villarreal-K.o. mit Kritik und sogar Morddrohungen beschäftigen - und mit der Zukunft des Kaders.

Von Maik Rosner

Konsterniert rang der Torwart nach Worten. Das Interview zu geben, bereitete ihm erkennbar wenig Freude. "Bielefeld hat um die letzte Chance gekämpft. Es war ein Spiel alles nach vorne auf beiden Seiten - es ist jetzt noch nicht so richtig nachzuvollziehen", sagte er und räumte ein: "Anderthalb Tore gehen auf mich." Am 18. April 1998 war das, und der Torwart, der da als Kapitän sprach, hat in seiner Aufgabe als Vorstandschef des FC Bayern gerade erneut alle Hände voll zu tun. Auch damit, die richtigen Worte zu finden.

Diesmal geht es um die Enttäuschung, aus der Champions League im Viertelfinale gegen den Außenseiter Villarreal ausgeschieden zu sein. Fünf Tage nach dem Schock, der das Selbstverständnis des FC Bayern erschüttert, würde Oliver Kahn am Sonntag gerne auf ein ähnlich turbulentes Bundesligaspiel in Bielefeld verzichten wie fast auf den Tag genau vor 24 Jahren, als Lothar Matthäus mit seinem Tor per Scherenschlag in der 89. Minute den Münchnern zumindest ein 4:4 rettete.

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Auf Kahn richten sich inmitten der Aufarbeitung des Aus gegen Villarreal besonders viele Blicke und nebenbei auch auf Sportvorstand Hasan Salihamidzic. Kahn wird in manch einem Kommentar dafür kritisiert, das Aus mit einem eher geschäftsmäßigen Gleichmut zur Kenntnis genommen zu haben, so empfanden es zumindest manche Beobachter. Führungsschwäche wird dem 52-Jährigen angelastet sowie die Frage nach einer Strategie für die Zukunft aufgeworfen, für die Kahn ja trotz neuer finanzieller Großmächte als Ziel ausgerufen hat, zu Europas Top Vier zu zählen.

"Den FC Bayern hat immer ausgezeichnet, dass er nach Rückschlägen stärker zurückkommt", assistierte Präsident Herbert Hainer via Bild-Zeitung und versprach, man werde in der kommenden Saison "auch in der Champions League wieder mit aller Macht attackieren". Interessant geriet zudem die Medienoffensive von Kahns Vorgänger Karl-Heinz Rummenigge.

Nagelsmann sieht die Gründe nicht in der Qualität des Bayern-Kaders

Der ehemalige Vorstandschef im Ruhestand empfahl, "dass sich jeder im Verein auf seine Kompetenzen beschränkt. Dinge wie beispielsweise Vertragsverlängerungen sind Angelegenheit des Vorstands und Aufsichtsrats", ließ der 66-Jährige wissen. Trainer Julian Nagelsmann durfte sich davon ebenso angesprochen fühlen wie von Rummenigges Einschätzung: "Das Ausscheiden liegt nicht an der Kader-Qualität."

Nagelsmann gab sich am Freitag betont gelassen. Nach so einem Aus gebe es "angenehme Kritik oder auch sehr unangenehme", sagte er, "die von Karl-Heinz Rummenigge ist ganz ordentlich zu verkraften für mich." Weniger gut leben könne er "mit den 450 Morddrohungen auf Instagram", sagte Nagelsmann und ergänzte, dass diese sich nach einer Taktik mit Dreierkette häuften und teils auch gegen seine Mutter richteten. Zuvor hatte die Familie von Salihamidzic öffentlich gemacht, dass dieser Morddrohungen bekomme.

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Zugleich berichtete Nagelsmann von einem sehr guten Telefonat, das er mit Kahn am Donnerstag geführt habe. Dabei sei es um den Kader der Zukunft gegangen. "In der Planung sind wir sehr gut. Jetzt geht es an die Umsetzung, die nicht so einfach ist", sagte Nagelsmann. Auch deshalb, weil ja erhoffte Einnahmen aus der Champions League fehlen, wodurch Kaderpläne und sportliche Ziele schwerer umzusetzen sind.

Einen "Teufelskreis" nannte Nagelsmann das, der FC Bayern müsse nun entscheiden: "Gehe ich Invest-mäßig auch ein bisschen ins Risiko, um Dinge zu kompensieren." Gehe man nicht ins Risiko, "ist auch die Wahrscheinlichkeit geringer, ins Halbfinale zu kommen", sagte Nagelsmann. Zumindest einen Vorteil habe das Aus so gesehen: "Jetzt haben wir ein bisschen mehr Zeit, an die Zukunft zu denken."

Parallel dazu geht es in Bielefeld darum, in den Bundesliga-Alltag zurückzufinden und die "Tristesse umzuwandeln in Elan", wie es Nagelsmann fomulierte. Alles andere als ein Sieg bei der wie vor 24 Jahren akut abstiegsbedrohten Arminia käme für die Münchner daher wie das nächste faule Osterei. Was Bielefeld gefährlich mache? "Unsere Situation gerade", sagte Nagelsmann und erinnerte zugleich an die Pflicht der Bayern, ihren Job zu erledigen mit Blick auf den nahen Meistertitel.

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Vor ihrem wilden 4:4 auf der Alm am 18. April 1998 waren die Bayern übrigens auch aus der Champions League im Viertelfinale ausgeschieden. Nicht gegen das gelbe U-Boot aus Villarreal, sondern gegen die gelben Dortmunder, was es nicht angenehmer machte aus Münchner Sicht. Deutscher Meister wurde der FC Bayern damals auch nicht, sondern der Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern.

Zumindest derart Verwegenes kann den Münchnern in dieser Saison nicht mehr passieren. Und um zum zehnten Mal hintereinander Meister zu werden, würde ihnen ein Sieg aus den verbleibenden fünf Ligaspielen genügen. Nicht in Bielefeld, sondern am Sonnabend darauf gegen den Tabellenzweiten Dortmund.

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