Basketball-Euroleague:Überleben im Zweitagesrhythmus

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Wegen der Heim-EM fiel für Nationalspieler Andreas Obst (re., gegen Valencias Bojan Dubljevic) die Sommerpause praktisch aus. (Foto: Eduard Martin/Huebner/Imago)

Mittlerweile sind die Strapazen fast so wie in der NBA: Die Bayern-Basketballer kämpfen sich durch eine schwierige Saison. Der irrwitzige Spielplan in Euroleague und Bundesliga bringt Profis an ihre Grenzen - und die Kluft zu Europas Spitze wächst.

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Familienleben? Andreas Obst lächelt, dann sagt er: "Das kommt gerade ein bisschen kurz." Obst, 26, ist Basketballprofi, ein sehr guter obendrein, und genau da liegt das Problem. Denn dank seiner Fähigkeiten ist er beim FC Bayern München angestellt, dem einzigen deutschen Klub neben Alba Berlin, der in der Euroleague auftritt. Für die Spieler bedeutet das einen enorm dichten Spielplan: In der vergangenen Saison standen die Münchner Akteure 84 Mal in Pflichtspielen auf dem Parkett. Das sind ähnliche Verhältnisse wie in der nordamerikanischen NBA.

Immerhin beendeten die Bayern am Donnerstag durch das 97:92 gegen Valencia eine Serie von drei Niederlagen. Und so fordernd geht es bald weiter, im Dezember und Januar spielen die Bayern im Zweitagesrhythmus. Erschwert wird dieses irrwitzige Programm durch die ständigen Auswärtsreisen quer durch Europa.

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Auf den Weihnachtsmarkt würde er schon mal gerne gehen, sagt Obst, aber bisher fand er keine Gelegenheit. Am Dienstag gastierte Real Madrid im Audi Dome, zwei Tage später Valencia, an diesem Samstag reisen die Braunschweiger Löwen zum Bundesligaduell an. Die Spieler befinden sich in einer Art Überlebensmodus, findet Obst, neben den physische Belastungen gehe das Programm auch "mental an die Grenzen". An geregeltes Training ist derzeit nicht zu denken; Trainer Andrea Trinchieri hatte vor dem Spiel gegen Madrid auf das Training sogar ganz verzichtet, das gab es noch nie. Der Grund lag nahe: Nur zwei Tage vorher unterlagen die Münchner im Bundesliga-Spitzenspiel in Bonn 68:78, wiederum nur zwei Tage vorher 53:78 im Baskenland bei Vitoria-Gasteiz.

Vier Spiele in sieben Tagen, das geht an die Grenzen, sagt Andreas Obst

Gegen Real Madrid immerhin war eine Leistungssteigerung zu erkennen, dennoch unterlagen die Bayern 64:68, es war die dritte Niederlage hintereinander. So eine Serie ist beim FC Bayern bestens für Unruhe im Umfeld geeignet, aber der Trainer, für gewöhnlich für seine Explosionen an der Seitenlinie bekannt, nahm die Resultate erstaunlich gelassen hin. Er weiß ja, was seine Mannschaft zu leisten hat. "Ich kann meinen Spielern keinen Vorwurf machen", erklärte Trinchieri nach dem Duell mit den Königlichen aus Spanien, er müsse ständig ein Team aufs Feld schicken, das er nicht angemessen vorbereiten kann. Die schlimmste Folge des irrsinnigen Programms sind Verletzungen: Die Bayern verzichten seit Wochen in Kapitän Vladimir Lucic und Augustine Rubit auf zwei Schlüsselspieler.

Die Konkurrenz schleppt ähnliche Probleme mit sich herum, klar, aber Real beispielsweise hat eine jener erstklassig besetzten Auswahlen zusammengestellt, deren Ziel stets die europäische Krone ist. Große Klubs wie Madrid, Barcelona, Istanbul, Mailand, Tel Aviv und Monaco finden tatsächlich trotz aller Krisen, die die Welt erschüttern, nach wie vor die Möglichkeiten, hochkarätige Spieler mit üppigen Verträgen zu locken - etwa Darrun Hilliard (zu Tel Aviv) und Deshaun Thomas (nach Mailand), die vom FC Bayern nicht mehr zu finanzieren waren.

"Das ist Teil des Geschäfts", sag Münchens Corey Walden (Mitte, gegen Valencias James Webb, r.) zur Terminhatz. (Foto: Eduard Martin/Jan Huebner/Imago)

Freilich steht dem FC Bayern, der der nationalen Konkurrenz finanziell enteilt ist, Jammern nicht gut zu Gesicht. "Das ist Teil des Geschäfts", sagt Münchens Corey Walden, der beim Sieg gegen Valencia mit 18 Punkten der Topscorer war. Aber die Kluft zur europäischen Elite wird größer. Während bei den monetär potenten Mitbewerbern NBA-Spieler kommen und gehen, haben die Münchner in Cassius Winston, 24, und Freddie Gillespie, 25, zwar zwei hoch veranlagte US-Akteure nach München verpflichtet - aber nur, weil es für beide Talente für die NBA noch nicht gereicht hat. Spielmacher Winston, der Europas Basketball gerade erst kennenlernt, mühte sich in der Partie gegen Madrid schwer nach Kräften, verzettelte sich aber allzu oft in Einzelaktionen und prallte immer wieder an seine Grenzen - beziehungsweise gegen die mächtigen spanischen Abwehrspieler. Trinchieri gibt ihm dennoch viel Einsatzzeit und lässt ihm eine fast väterliche Betreuung zukommen: Der Trainer weiß, dass er ihn in den Playoffs dringend benötigen wird.

Schlaf, Ernährung, Regenerationszeit - das sind die Mittel gegen die Hatz

Bis dahin ist noch Zeit, und viel wird auch davon abhängen, wie gesund die Spieler weiter durch die Saison kommen. Dass die Bayern im Vollbesitz ihrer Kräfte konkurrenzfähig sind, haben sie nicht nur in den vergangenen beiden Euroleague-Spielzeiten bewiesen, in denen sie knapp am Final-Four-Turnier scheiterten. Der Erfolg gegen Valencia war der fünfte Sieg im 14. Spiel, das lässt die Aussicht auf die Playoffs offen. Angesichts der aufgerüsteten Konkurrenz wird es allerdings schwer. Außerdem haben die Münchner die internationalen Achtungserfolge in den vergangenen Spielzeiten bitter bezahlt: Seit den Titeln 2018 und 2019 wurde Berlin dreimal in Serie deutscher Meister.

Das soll sich im Juni ändern, wenn alles nach Plan läuft. Es sei wichtig, den Körper zu pflegen, erklärt Münchens Guard Andreas Obst in diesem Zusammenhang, "um Blessuren zu vermeiden". Viele Dinge müssten beachtet werden, "genügend Schlaf, die richtige Ernährung, Regenerationszeiten", sagt Obst, "aber wir haben eine gute medizinische Abteilung".

Für den Nationalspieler ist die Saison besonders anstrengend, wegen der Europameisterschaft im September ist die Sommerpause für ihn praktisch ausgefallen. Immerhin eine Woche hat er "die Füße hochgelegt". Vielleicht findet sich demnächst zumindest ein bisschen Zeit für einen Abstecher auf den Weihnachtsmarkt.

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