Wagner-Brüder in der NBA:Es läuft in der Seifenoper

Lesezeit: 3 Min.

Tanz mit Ball: Franz Wagner (rechts) entzieht sich dem Zugriff des Gegenspielers De'Andre Hunter aus Atlanta.
Tanz mit Ball: Franz Wagner (rechts) entzieht sich dem Zugriff des Gegenspielers De'Andre Hunter aus Atlanta. (Foto: John Raoux/AP)

Bis vor kurzem war das Team von Moritz und Franz Wagner eine Verlierertruppe. Nun verblüffen die Orlando Magic im US-Basketball mit einer Siegesserie - die beiden Deutschen haben daran gehörigen Anteil.

Von Jonas Beckenkamp

Wie man in der NBA Spiele gewinnt, wissen sie durchaus bei den Orlando Magic. Sie haben ja ein talentiertes Grüppchen beisammen im Herzen Floridas. Die Sache ist nur: Allzu oft sind dem Klub der Berliner Basketballbrüder Franz, 21, und Moritz Wagner, 25, in den vergangenen Jahren keine Erfolge gelungen. Hier und da nimmt man mal was mit in der US-Profiliga, aber so richtig nachhaltig war es nie. Bei aller Begabung der Mannschaft mangelte es an Grundlagen, das war immer dann zu sehen, wenn es eng wurde in den Partien.

Erfolgreiche Basketballteams zeichnen sich durch einen gewachsenen Erkenntnisvorrat aus, eine Art Geheimwissen, wie man mit den richtigen Kniffen Spiele gewinnt. Orlando dagegen ist seit langer Zeit ein Ausbildungslager der Liga, ein Ort, an dem junge Profis einfach ihr Können ausprobieren dürfen, wenn sie bereit sind, viele Pleiten zu ertragen. Die Magic galten als Projekt für Übermorgen, es fehlten "Soft Skills", Erfahrungen also, die benötigt werden, um Nacht für Nacht zu bestehen im Kraftzentrum der NBA.

Franz Wagner in der NBA
:Rückwärts übers Brett ins Netz

Franz Wagner zeigt beim Saisonauftakt von Orlando Magic, warum sie den Deutschen für einzigartig halten. Schon jetzt ist seine vielseitige Begabung erkennbar, doch - wie gut kann er noch werden?

Von Jürgen Schmieder

Aber das scheint sich zu ändern: Neuerdings läuft es, plötzlich purzeln sogar Rekorde. Die einstige Verlierertruppe ist derzeit nah dran, so etwas wie das heißeste Team der Liga zu sein. Nur die New York Knicks und die Memphis Grizzlies weisen längere Siegesserien auf. Beim 135:124 gegen die Atlanta Hawks verließ Orlando, inspiriert von den beiden deutschen Brüdern, zum vierten Mal nacheinander als Sieger das Parkett. Dabei darbte die Mannschaft vor wenigen Wochen noch am Tabellenende.

In der NBA können sich die Dinge rasch ändern, das wissen auch die Wagners. Und so sehr sie die vielen Niederlagen gewurmt haben, erwecken sie nicht den Eindruck, die Saison aufzugeben; warum auch, selbst die Playoffs sind ja vielleicht noch drin. Im ersten Viertel der Partie gegen Atlanta rollte eine Offensivlawine übers Feld, die so noch nie zu bestaunen war - selbst damals nicht, als Orlando mit Shaquille O'Neal und seinem Adjutanten Penny Hardaway eine Topteam war.

50 Punkte in nur zwölf Minuten gelangen den Magic, eine vereinsinterne Bestmarke. Franz Wagner erzielte elf seiner insgesamt 24 Zähler zu Spielbeginn, Moritz Wagner addierte 17 Punkte dazu, dank ausgezeichneter Trefferquote. So verändert sich seit einigen Spielen vieles zum Guten. Ein weiteres Beispiel: Kürzlich gegen Toronto spielte sich Franz Wagner derart in einen Rausch, dass am Ende sein Karrierebestwert von 34 Punkten stand.

Franz Wagner spielte sich zuletzt gegen Toronto in einen Rausch

Wie schon bei einigen Auftritten mit dem deutschen Nationalteam traf er fast alles: Dreier aus Scharfschützendistanz, Korbleger im Getümmel gegen die grimmigsten Ringbeschützer und alle acht Freiwürfe. Die Statistik führt ihn mittlerweile als einen der führenden Profis bei Abschlüssen in Brettnähe. Franz Wagner, 2,08 Meter lang und seit eineinhalb Jahren in Orlando, ist nicht nur ein exzellenter Werfer, er setzt sich auch dank seiner Furchtlosigkeit und Technik, Täuschungen und Beinarbeit durch.

Moritz Wagner kennt die NBA schon ein bisschen länger, als Bruder Franz. Er wurde bereits mehrfach von einem Klub zum anderen verschifft.
Moritz Wagner kennt die NBA schon ein bisschen länger, als Bruder Franz. Er wurde bereits mehrfach von einem Klub zum anderen verschifft. (Foto: Mike Watters/USA Today)

Hinzu kommt die Einstellung: "Um in dieser Liga zu gewinnen, musst du eine enorme Menge an Glaube an dich und deine Mitspieler haben", erzählte Moritz Wagner neulich nach einem Sieg in der Verlängerung gegen die LA Clippers der Deutschen Presse-Agentur. Kopfsache, aber eben nicht nur. Die Wagners lernen gerade, worauf es ankommt in einer Liga, die ihr Personal so gnadenlos wie kein anderer Sportbetrieb quer über den Kontinent schickt. "Wenn du lange nicht gewinnst, wird es schwieriger und schwieriger", hat Moritz Wagner festgestellt: "Also musst du dafür viel investieren, und das haben wir gemacht."

Er ist wieder fit nach einer Knöchelverletzung im Sommer, die ihn die Teilnahme an der Europameisterschaft kostete, bei der Deutschland mit Bruder Franz Platz drei belegte. Seine emotionale Art hält den Magic-Jugendklub zusammen. Ein willensstarker Arbeiter und Rebounder war er schon immer. Momentan kommt Moritz Wagner auf knapp elf Punkte im Schnitt, sein Bruder nähert sich sogar der 20-Punkte-Marke - damit sind sie individuell die besten Deutschen, noch vor Dennis Schröder (Los Angeles Lakers, acht) und Maxi Kleber (Dallas Mavericks, sechs).

Moritz Wagner hat in seinem fünften NBA-Jahr (eineinhalb davon in Orlando) eine gewisse Distanz zum Glitzergeschäft des US-Basketballs aufgebaut, von seinem Erfahrungsvorsprung profitiert auch Franz, mit dem er in einer WG wohnt. Der Jüngere der Wagners mag noch talentierter sein, doch um klarzukommen, braucht es immer wieder Fokussierung in der "Soap Opera", der Seifenoper, wie Moritz Wagner die NBA nennt.

Verlieren, gewinnen, der Lärm in jeder Halle, dazwischen Flüge und Hotels, verbeulte Knochen, da hilft es mitunter, "das Drama einfach Drama" sein zu lassen, sagte er. Und ein Plus ist, "sich gegenseitig zu haben", findet Moritz. Coole Sache also, diese Familiengeschichte in Florida. Erst recht, wenn jetzt auch noch Siege dazukommen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Basketball-EM
:Der Franz mit den Siebenmeilenschritten

"Der hat was Besonderes": Deutschlands aufregendster Basketballer ist derzeit NBA-Mann Franz Wagner. Die erste Turnier-Niederlage gegen Slowenien kann er verschmerzen, denn er weiß, dass da doch viel kommt.

Von Jonas Beckenkamp

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: