FC Bayern in der Basketball-Euroleague:Noch einmal die Realität ignorieren

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Freche Angriffe: Beim Sieg vor zehn Tagen trumpften die Bayern (links Zan Mark Sisko im Duell mit Nikola Mirotic) schon mal in Barcelona auf. (Foto: NurPhoto/Imago)

Deutlich mehr Geld, mehr Tradition, mehr NBA-Power: Barcelonas Basketballer müssten gegen die Münchner eigentlich klar überlegen sein - doch im Viertelfinal-Showdown der Euroleague haben die Bayern psychologische Vorteile.

Von Ralf Tögel

Herbert Hainer war beeindruckt. Da stand er inmitten von 6500 tobenden Menschen und sagte: "Das war wirklich einer der schönsten Abende, die ich hier verbracht habe." Der Präsident des FC Bayern hat zudem den bisher wohl größten Triumph in der Basketball-Historie der Münchner miterlebt. Mit dem 59:52-Sieg gegen den FC Barcelona hat sich der FCB zum zweiten Mal in Folge ein entscheidendes fünftes Spiel im Euroleague-Viertelfinale erzwungen, die K.o.-Runde wird im Best-of-five-Modus ausgetragen. Im Vorjahr ging die entscheidende Partie knapp in Mailand verloren, die Serie fand allerdings der Pandemie geschuldet ohne Zuschauer statt.

Allein der Gegner machte diesen Freitagabend besonders, die Katalanen verfügen über einen erlesenen Kader mit vielen großen Namen, haben die Königsklasse bislang beherrscht und sind als klarer Hauptrundenerster in die Playoffs eingezogen. Natürlich kommt in diesem Kontext sofort der Name Nikola Mirotic ins Spiel, jener 2,03 Meter große Flügelspieler, der als der beste und bestbezahlte in Europa gilt. Vor drei Jahren wurde der gebürtige Montenegriner mit spanischem Pass nach Barcelona gelockt, wofür er sogar auf ein zweistelliges Millionensalär in der NBA verzichtete.

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Der FC Bayern hat gegen Barcelona mit dem 59:52-Sieg ein fünftes Match bei den Spaniern erzwungen und damit die Chance auf das Final Four. Dabei zeigte sich, wie gut die Mischung aus Routine und Talent im Team gelungen ist.

Von Ralf Tögel

In Barcelona verdient Mirotic dem Vernehmen nach immer noch etwa viereinhalb Millionen Euro, nicht viel mehr müssen die Münchner für den gesamten Kader berappen. Und der 31-Jährige ist beileibe nicht der einzige Extrakönner im Team. Zusammen mit Mirotic war Landsmann Alex Abrines aus der NBA gewechselt, in Nick Calathes zieht der beste Passgeber der Euroleague-Geschichte die Fäden. Dante Exum wurde im Dezember aus der NBA nachverpflichtet, auch Center Brandon Davies hat eine Vergangenheit in der weltbesten Liga. Komplettiert wird der Kader von erfahrenen europäischen Spitzenkräften, der Auftrag ist klar: der Euroleague-Titel.

Das Gros der Münchner Spieler hat kaum Erfahrung in K.-o.-Spielen auf diesem Niveau, bei Barcelona ist es umgekehrt

Im Kader der Bayern hat lediglich Routinier Othello Hunter die Euroleague schon einmal gewonnen, mit dem verletzten Topscorer Darrun Hilliard fehlt einer der wenigen Spieler mit Erfahrung in K.o.-Spielen auf diesem Niveau. Deshaun Thomas, Augustine Rubit und Vladimir Lucic wären da noch zu nennen, dem Gros der Spieler fehlt aber die so wichtige Erfahrung in diesen engen und intensiven Vergleichen.

Doch dieser Malus wird von einem unbändigen Kampfeswillen kompensiert, manchmal vermittelt diese Mannschaft den Eindruck, dass sie sich schlichtweg weigert, die Realität zu akzeptieren. Am Freitagabend hielt sie den offensiv so exzellent besetzten Gegner bei 52 Punkten, ein historisch schlechter Wert für Barcelona. Nach der jüngsten Leistung ist im fünften Spiel am Dienstag (20 Uhr) im wohl mit 7600 Zuschauern ausverkauften Palau Blaugrana selbst das Erreichen des Final-Four-Turniers um den Titel im höchsten europäischen Wettbewerb nicht mehr undenkbar.

Barca-Trainer Sarunas Jasikevicius sprach nach der Niederlage in München von einer Schande, jeder Spieler sollte spätestens nun kapiert haben, worum es geht. Ein vorzeitiges Aus jedenfalls dürfte Konsequenzen im Kader zeitigen, der Druck also ist enorm.

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Die Bayern haben am Montag hingegen recht gelassen den Flieger in die katalonische Metropole bestiegen. Selbst im Falle einer Niederlage, die ohnehin von der gesamten Fachwelt erwartet wird, könnten sie den Wettbewerb erhobenen Hauptes verlassen. Wie sagte Geschäftsführer Marko Pesic doch vor dem Abflug? "Wir haben in den beiden letzten Jahren überperformt."

Pesic hatte ja einen Dreijahresplan vorgestellt, dessen Ende den FC Bayern im Kreis der europäischen Spitze vorsieht. Obwohl die Pandemie das Zeitfenster erweitert hat, ist der Klub auch jetzt im Soll. Im Herbst 2023, also ein Jahr verzögert, wird die neue Halle im Olympiapark fertig, die 11500 Zuschauer Platz bieten wird. Dann, so hat Ehrenpräsident Uli Hoeneß kürzlich im SZ-Interview gefordert, möge eine neue Ära beginnen. Hoeneß hat das Basketball-Projekt des FC Bayern bekanntlich vor zehn Jahren angeschoben, die Abteilung ist also noch recht jung, und nicht vergleichbar mit der des FC Barcelona.

Die Katalanen haben mehr Tradition, mehr Geld - obwohl den Klub ein achtstelliger Schuldenberg drückt und sich die Basketballer nicht wie in München selbst finanzieren - und die bessere Mannschaft. FCB-Trainer Andrea Trinchieri sagt folglich vor dem Spiel: "Wir haben keine Chance." Dasselbe sagte er vor Spiel vier.

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