DEB-Team unterliegt 1:4 gegen Tschechien:Mit Wackelknien ins Aus

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Blick ins Leere: Jonas Müller, Alexander Ehl und Samuel Soramies (v.l.) trauern unmittelbar nach Spielschluss verpassten Gelegenheiten im WM-Viertelfinale nach. (Foto: ActionPictures/Imago)

Deutschland verpasst das Halbfinale der Eishockey-WM. Gegen Tschechien leistet sich das Team von Bundestrainer Söderholm zu viele Strafen und muss sich im Kampf um Medaillen weiter in Geduld üben.

Von Johannes Schnitzler, Helsinki

Am Tag vor dem Spiel genossen die deutschen Nationalspieler die Sonne über Helsinki, sie rollten auf E-Scootern von der Halle zum Hotel, tranken Kaffee in der Stadt. Warum auch nicht? Der Weg ins Viertelfinale dieser 85. Eishockey-Weltmeisterschaft in Finnland war anspruchsvoll: sieben Spiele in zwölf Tagen, fünf Siege, 16 Punkte, so viele wie noch nie in der deutschen WM-Geschichte, Platz zwei in der Gruppe A - hinter der Schweiz, aber vor Kanada. Daran erinnerte Kapitän Moritz Müller und sagte: "Jetzt ist es nur noch dieses eine Spiel." Entspannt euch, sollte das heißen, wir sind es auch. Entspannt, aber konzentriert. Aber die Konzentration war schnell futsch.

Viertelfinale Deutschland gegen Tschechien, das hieß: null WM-Titel gegen sechs; Philipp Grubauer (Seattle) gegen Karel Vejmelka (Arizona), NHL-Torhüter gegen NHL-Torhüter. Und: finnischer Cheftrainer gegen finnischen Cheftrainer, Toni Söderholm, 44, gegen Kari Jalonen, 62 Jahre alt. Schüler gegen Lehrer. Am Donnerstag, 18.33 Uhr Ortszeit Helsinki, lautete das Ergebnis 1:4 (0:2, 0:1, 1:1). "Ich hatte das Gefühl, dass mehr drin war", sagte Söderholm. "Das macht es so enttäuschend."

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Die Frage, ob die Tschechen auf die Deutschen vorbereitet sein würden, stellte sich nicht. "Mit Kari warst du immer vorbereitet", sagte Söderholm, "zu hundert Prozent." Unter Jalonen wurde der Verteidiger Söderholm 2011 finnischer Meister mit seinem Heimatklub IFK Helsinki. "Erst unter ihm habe ich verstanden, was es braucht, um zu gewinnen." Am Spieltag zählt die Vergangenheit nicht mehr, sondern nur noch das Hier und Jetzt. Aber kann man sich auf so etwas vorbereiten? Nach 10:04 Minuten stand es 0:2, David Pastrnak hatte gleich im ersten Überzahlspiel für die Tschechen getroffen (3.), Roman Cervenka im zweiten (11.). Es waren, objektiv betrachtet, zwei großartig herauskombinierte Tore. "Das ist bitter, weil wir wussten, dass sie ein Weltklasse-Powerplay haben", sagte Verteidiger Leon Gawanke.

Nach zehn Minuten hieß es: Tschechien sieben Torschüsse. Deutschland: null

Die Tschechen hatten eine launische Gruppenphase gespielt, mit Siegen gegen Norwegen und Lettland, Niederlagen gegen Finnland und Schweden, einem lebenswichtigen 1:0 gegen die USA und dem blamablen 1:2 gegen Österreich, der ersten WM-Niederlage überhaupt gegen das Nachbarland. Jalonens Team ist eine bunte Mischung aus neun NHL-Profis und Spielern aus ganz Europa. Gegen die Deutschen zeigten sie ihre Klasse. Kapitän Cervenka bildet mit David Krejci und Pastrnak, der in der NHL 40 Saisontore für die Boston Bruins erzielt hat, eine fantastische erste Reihe, unberechenbar wie das gesamte Team. "Wir hatten vielleicht zu viel Respekt", sagte Gawanke. "Jeder wollte nur die Scheibe abgeben, keiner die Verantwortung übernehmen." Nach zehn Minuten hieß es: Tschechien sieben Torschüsse. Deutschland: null. NHL-Verteidiger Moritz Seider (Detroit) sagte: "Wir haben den Start verschlafen. Wir waren einfach nicht gut genug."

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Drittes Überzahlspiel, dritter Treffer: Der Tscheche David Krejci (Mitte) überwindet die deutsche Abwehr in Helsinki. (Foto: ActionPictures/Imago)

Wenn zwei Trainer sich so gut kennen wie Söderholm und Jalonen, besteht die Möglichkeit, dass sie ein Schach-Spiel auf Eis inszenieren. "Aber ich habe das Gefühl, dass es nicht so kommen wird", hatte Söderholm vorhergesagt. Auch nicht so wie 2019, als sich Deutschland und Tschechien zum letzten Mal bei einer WM begegneten, ebenfalls im Viertelfinale, und die Deutschen 1:5 unterlagen. "Da waren wir eigentlich sehr gut im Spiel, haben aber nach dem 1:3 den Faden verloren", erinnerte sich Söderholm. "Wir waren übermotiviert und wollten zu schnell das Spiel ausgleichen." Heute wüsste sein Team, "wann es brennt und wann nicht." Aber auch diesmal musste er feststellen, dass der Geduldsfaden seines Teams noch zu kurz ist: "Du darfst nicht ohne Kopf hin und her laufen." Es brannte lichterloh.

Es dauerte bis zur 17. Minute, bis die Deutschen zum ersten Mal konstruktiv vors tschechische Tor kamen. Vejmelka parierte gegen Stefan Loibl. Lukas Reichel, dessen Onkel Robert 1998 mit Tschechien Olympiasieger wurde, klopfte zwei Mal bei Vejmelka an. Das Spiel beherrschten aber auch im zweiten Drittel die Tschechen. Sie schnürten die Deutschen minutenlang in deren Drittel ein, der eine oder andere hätte sich einen E-Scooter gewünscht, um endlich zum Wechseln auf die Bank fahren zu können. Ein Powerplay mit noch wackeligen Knien blieb ungenutzt, dafür zeigten die Tschechen einmal mehr, wie es geht. Drittes Überzahlspiel, drittes Tor (33.). Jeder aus der ersten tschechischen Reihe hatte nun getroffen, Krejci diesmal. Effizienz: 100 Prozent.

Als die Deutschen jubelten, da hatte der Puck von Marcel Noebels zwar die Latte, nicht aber das Tornetz berührt (36.). "Mit einem Quäntchen Glück gewinnen wir das heute", meinte Gawanke traurig.

Mit jeder weiteren Minute schwand der Glaube, diese Partie noch drehen zu können. Als Söderholm eine Auszeit nahm und Grubauer neun Minuten vor Spielende zum ersten Mal vom Eis holte, um mit sechs Mann ein Powerplay aufziehen zu können, war das ein Zeichen: alles oder nichts jetzt. Moritz Seider traf tatsächlich zum 1:3 (54.), Grubauer - nun wieder zwischen den Pfosten - rettete wenig später spektakulär, Reichel traf noch einmal die Latte (57.). Aber die Deutschen entwickelten über 60 Minuten zu wenig Überzeugungskraft, um clevere Tschechen ernsthaft zu beunruhigen. Oder wie Reichel sagte: "Wenn du keine Tore schießt, kannst du nicht gewinnen." Jiri Smejkal machte mit dem 1:4 (59.) ins leere Tor die letzte Hoffnung zunichte. Es war nur dieses eine Spiel. Und nun war es verloren.

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