NHL-Playoffs im Eishockey:Eine Partie wie ein Feuerwerk

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Connor McDavid (hinten) sucht Leon Draisaitl im Spiel gegen Colorado - am Ende gewinnt der Gegner 8:6. (Foto: Isaiah J. Downing/USA Today Sports)

Colorado Avalanche besiegt im ersten Halbfinal-Spiel der NHL die Edmonton Oilers 8:6. Es ist der Auftakt zu einer wohl wahnwitzigen Serie - in der ein Deutscher einen legendären Rekord jagt.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt vor jedem Feuerwerk diesen Moment, bevor es knallt und knarzt und kracht. Es ist dunkel, leise; die Leute rätseln, wie und wo genau es blitzen und britzeln und blinken wird. Manchmal gibt es einen Countdown - und dann geht es los. Die Partie zwischen Colorado Avalanche und den Edmonton Oilers, das erste Spiel der Halbfinalserie in der nordamerikanischen Eishockeyliga NHL, hatte diesen Moment. Zwischen Nationalhymnen und dem Fallenlassen des Pucks war es ganz kurz still - und dann ging es los.

Es war ein Feuerwerk von einem Eishockey-Spiel, spannend bis zur letzten Sekunde, die Leute wussten nicht, wohin sie gucken sollten, weil andauernd und überall etwas passierte. Sie wussten nicht, ob sie ausrasten sollten vor Freude oder völlig verzweifeln, weil es hin und her ging, drunter und drüber, auf und ab. Colorado gewann am Ende, weil es die allseits bekannte NHL-Regel beherzigte, der zufolge man gegen Edmonton mindestens sieben Tore erzielen sollte - weil man meistens mindestens sechs kassiert. Am Ende stand es, weil Colorado kurz vor Schluss noch ins leere Tor getroffen hatte: 8:6 für die Avalanche, die Lawine.

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Und was für ein Rutsch das war. 14 Treffer, die meisten in einem Halbfinal-Spiel seit 1985. Die Oilers gewannen damals 10:5 gegen die Chicago Blackhawks, zweimaliger Torschütze damals: Wayne Gretzky, der beste Eishockeyspieler der Geschichte. Der saß nun als Experte des TV-Senders TNT hinter einem der Tore und schüttelte den Kopf wie einer, der gerade das unglaublichste Ereignis seines Lebens gesehen hat. Er, der so ziemlich alles erlebt hat, weil er meist selbst dafür verantwortlich zeichnete, sagte: "Was! Für! Ein! Spiel!"

Es war auch deshalb wie ein Feuerwerk, weil alles nicht zufällig passierte, sondern genauso geplant war. Es spielen zwei Mannschaften gegeneinander, die Tore schießen wollen und darauf hoffen, dass es vorne genügend sein werden - weil es auch hinten häufig klingelt. Die Torhüter könnten einem da leid tun, wüsste man nicht, dass sie gerne auch mal daran schuld sind, dass es klingelt. Edmontons Schlussmann Mike Smith etwa wurde im ersten Viertelfinale gegen die Calgary Flames nach zwei Gegentoren in den ersten 51 Sekunden und einem weiteren Treffer nur ein paar Minuten später ausgewechselt - später kassierte er ein Tor aus 40 Metern.

Smith ist 40 Jahre alt, er ist die große Schwachstelle der Oilers in dieser Serie, zumal Colorado den gegnerischen Torwart wirklich aus allen Winkeln attackiert und in Mikko Rantanen (96 Scorerpunkte in der regulären Saison), Nathan MacKinnon (88), Nazem Kadri (87) und Cale Makar (86) über mehrere brandgefährliche Angreifer in verschiedenen Sturmreihen verfügt. So war es auch am Dienstagabend: Nach dem Oilers-Führungstreffer zündete Colorado all seine Raketen: MacKinnon - bumm. Makar - krach. Kadri - puff. Rantanen - zisch. J.T. Compher rahmte diese vier Treffer der Kollegen mit zwei eigenen, schon stand es 6:2. Oilers-Trainer Jay Woodcroft nahm Smith aus dem Tor und ersetzte ihn durch Mikko Koskinen.

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Draisaitl punktet zum sechsten Mal in Serie mindestens doppelt - das hat nicht einmal Wayne Gretzky geschafft

"Was mir am meisten imponiert hat: wie die Oilers trotz dieses Rückstands nie aufgegeben haben, wie sie weiter an sich geglaubt und gekämpft haben", sagte Gretzky. Man soll "The Great One" freilich nie widersprechen, aber diese Einschätzung war in etwa, als würde jemand sagen, dass ihm beim Feuerwerk all die bunten Lichter am Himmel imponiert hätten. Edmonton verfügt nun mal über die derzeit besten Angreifer der Welt. Connor McDavid und der Deutsche Leon Draisaitl hatten in den Playoffs vor dieser Partie je 26 Scorer-Punkte geschafft. Platz drei: Mika Zibanejad (New York Rangers) mit 19. Die Oilers wissen nun mal, dass sie sehr schnell sehr viele Tore schießen können, deshalb bleiben sie bei Rückstand meist gelassen - und attackieren einfach weiter.

Also dann: McDavid - knall. Vorlage Draisaitl, Schuss McDavid - disch. McDavid auf Draisaitl, weiter zu Ryan Nugent-Hopkins - waff. Strafzeit wegen Foul an McDavid, Überzahlschuss Derek Ryan - rifff. Plötzlich stand es nur noch 6:7, Edmonton drückte auf den Ausgleich und kam kurz vor Schluss vors Tor von Pavel Francouz; Stammtorwart Darcy Kuemper war verletzt ausgeschieden. Draisaitl, Evander Kane, Tyson Barrie - sie alle schossen, doch es war wie eine Rakete, die nicht am Himmel explodierte: pfffff.

"Wir haben ein paar Tore zu viel kassiert, aber so ist das in so einem Duell", sagte Avalanche-Angreifer Kadri danach: "Unser Stil ist es, anzugreifen und Tore zu schießen. Wir können doch selbst bei Führung nicht sagen: 'Okay, jetzt machen wir mal ein bisschen defensiver und ruhiger.' Wir müssen unserem Stil treu bleiben, die tun das auch - und sie haben nun mal unglaubliche Offensivspieler im Kader." Draisaitl und McGregor haben bislang jeweils 21 Vorlagen geschafft, so viele wie noch nie jemand zuvor in 13 Playoff-Partien. Für Draisaitl war es das sechste Playoff-Spiel in Serie mit mindestens zwei Scorerpunkten. Eine solche Serie gab es noch nie. Der Kölner übertrifft in dieser Statistik nun selbst Wayne Gretzky.

Den Rekord für die meisten Playoff-Assists hält noch Gretzky (1988, 31 in 19 Spielen), und der sagte, worauf er sich nun besonders freue: "Beide Mannschaft wollen genau, was heute passiert ist. Colorado wird in der zweiten Partie genauso spielen, und von Edmonton wissen wir, dass sie gar nicht anders können als offensiv - und sie hätten am Ende beinahe ausgeglichen. Wenn beide so spielen wollen: Gerne, macht Spaß!" Der zweite Teil dieser Best-of-seven-Serie findet in der Nacht zum Freitag (2 Uhr) statt. Quasi garantiert: Feuerwerk.

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