Dortmund vor dem Champions-League-Finale:Zuversicht im Gepäck

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Mats Hummels (re.): Lässige Reise nach London (Foto: REUTERS)

Die Dortmunder gehen als Außenseiter ins Finale der Champions League. Sie müssen auf Mario Götze verzichten und um Mats Hummels' Fitness bangen, doch an ihrer Entschlossenheit soll keiner zweifeln - vor allem der FC Bayern nicht. Jürgen Klopp hat fleißig Videostudium betrieben und versteckt seine Zuversicht nicht. Das sieht beinahe wie Absicht aus.

Von Philipp Selldorf und Freddie Röckenhaus

Einer fehlte an Bord, als Borussia Dortmund gegen zwei Uhr bei freundlichem Sonnenschein vom Flughafen in Wickede zur Passage nach England startete. Dabei war Mario Götze fest eingeplant als Mitglied der Reisegesellschaft auf dem Sonderflug, seine Bordkarte hatte man schon ausgestellt, aber er erschien nicht, um sie abzuholen. Und keiner wusste zunächst so recht, warum.

Unter anderen Umständen hätte man wahrscheinlich die gesamte Vereinsbelegschaft mobilisiert, um Götze aufzutreiben und schleunigst ins nächste Flugzeug zu stecken. Aber der 20-Jährige kann bekanntlich nicht mitspielen in Wembley, es besteht kein Bedarf zur Eile mehr. Götze wird am Samstag nur noch ein prominenter Zuschauer sein, dem das Zuschauen obendrein nicht leicht fallen dürfte. Formell ist er noch Borusse, er stand vor dem letzten großen Spiel in seinem Heimatklub, aber seit sein Ausfall feststeht, ist er irgendwie zwischen die Lager geraten: Der einen Partei gehört er nicht mehr an, der anderen noch nicht. Und deshalb war es vielleicht im Sinne aller, dass das Attest nachgereicht wurde: Er habe einen Zahnarzttermin gehabt, hieß es am Nachmittag. Mario Götze wird aber pünktlich zum Anpfiff als Tribünengast in London erwartet.

Großkreutz statt Götze

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Trainer Jürgen Klopp war zwar auch nicht froh, als er hörte, dass er auf den Spielmacher im Trikot verzichten muss, aber er hatte eigentlich längst damit gerechnet, wie er am Freitag enthüllte. Letztlich habe er der schlechten Nachricht sogar etwas Gutes abgewinnen können. Ein Götze, der nicht ganz bei Kräften ist, hätte ihm bei der Besetzung des Teams womöglich einen Gewissenskonflikt bereitet. Den freien Platz wird nun wahrscheinlich der fleißige Kevin Großkreutz übernehmen, Klopp sprach davon, er prüfe noch zwei weitere Optionen - eine defensive Dreierreihe im Mittelfeld bzw. Ilkay Gündogans Umzug auf die Zehner-Position -, doch diese Modelle sind nicht sehr wahrscheinlich.

Zur Verabschiedung aus Westfalen hatten sich mehrere hundert Fans auf dem Flughafen eingefunden. Es herrschte großes Getümmel und Gedränge, vor allem aber eine erstaunliche Zuversicht. Nicht nur bei den Anhängern, sondern auch bei den Passagieren. Dabei war während der vergangenen Tage, in denen sich der BVB weitgehend eingeschlossen hatte auf dem Trainingsgelände in Brackel und Trainer Klopp auf einmal gegen seine Natur schwieg wie ein Einsiedler, der Eindruck entstanden, dass die Ehrfurcht vor den mächtigen, unverschämt selbstbewussten Bayern stündlich zunähme.

Jeder konnte auch die Probleme sehen, die Borussia mit nach England nimmt: Die enttäuschte Hoffnung auf Götze; die Sorge, dass Abwehrchef Mats Hummels, der als Dirigent aus der Defensive für das BVB-Spiel nicht weniger wichtig ist als der fintenreiche Spielmacher im Mittelfeld, wegen seiner Verletzung aus dem letzten Bundesliga-Spiel arg gehandicapt sein könnte; die Nachricht von Lukasz Piszczeks Hüftbeschwerden samt anstehender Operation.

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Und natürlich war auch vom geheimen Abkommen die Rede, das Mittelstürmer Robert Lewandowski angeblich mit den Bayern geschlossen hat, das also gar nicht mehr geheim zu sein scheint. Erst am Mittwoch meldete Sport-Bild auf der Titelseite: Lewandowski - "Ich will nur zu Bayern". Die schockierten Borussen-Fans durften sich aber gleich wieder beruhigen, als sie das Heft aufschlugen und im Kleingedruckten lasen, diese Aussage habe er "intern" getätigt.

Von all diesen realen und gedachten Beschwernissen war nun aber wenig zu spüren, als die Reise losging. Frauen und Freundinnen stiegen ebenfalls ins Flugzeug, und dass Frau Lewandowski fehlte, erzeugte kein Aufsehen. Sie kommt aus Polen hinzu, wo sie sich um einen ihrer Karate-Wettkämpfe kümmerte, was erklärt, warum Lewandowski weder Dante noch Boateng, wohl aber einen Zweikampf mit seiner Frau fürchtet.

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Das Reden hat Lewandowski am Flughafen wie üblich anderen überlassen, im Austausch mit der Öffentlichkeit ist der Angreifer für seine Einsilbigkeit berüchtigt, aber der BVB hat genug Repräsentanten, die feierliche Worte machen können. Innenverteidiger Neven Subotic zum Beispiel, der feststellte: "Es wird darum gehen, etwas für die Ewigkeit zu schaffen." Oder Rechtsaußen Jakub Blaszczykowski, der aus der grassierenden Begeisterung in der Stadt schlussfolgerte: "In Dortmund ist die Borussia wie Religion." Oder Jürgen Klopp, der die Überzeugung vertrat, in Wembley stehe "einer der größten Momente in unserem Leben" bevor.

Auf dieses Fest fürs Leben hat sich der Coach außer auf dem Trainingsplatz vor dem Fernsehapparat vorbereitet. Er hat sich ein paar Bayern-Spiele angeschaut und einige der Partien, die sich die Rivalen in der jüngsten Zeit geliefert haben, und er kam zu dem Resümee, dass die für den BVB vorteilhafte Bilanz nicht auf Zufall beruhte. Auch die 0:1-Niederlage im Pokal sei vermeidbar gewesen, "wir hatten unsere Chancen und hätten gewinnen können". Man kann festhalten: Klopp versteckt seine Zuversicht nicht, es sieht beinahe wie Absicht aus. Anspannung? "Ich habe noch kein Champions-League-Endspiel erlebt, aber bisher habe ich gut geschlafen." An der Entschlossenheit soll keiner zweifeln, erst recht nicht die Bayern. "Die Mannschaft ist vor zwei Jahren eigentlich zu früh Meister geworden, hat vor einem Jahr zu früh das Double gewonnen und steht nun zu früh im Finale der Champions League", sagte Klopp, "aber das hat uns jeweils nicht davon abgehalten, Titel zu gewinnen. Wenn angepfiffen wird, werden die Jungs alles für möglich halten - im positivsten Sinn."

"Vorfreude pur" herrsche in der Borussen-Familie, ließ auch Sportchef Michael Zorc wissen. Die Tage des Wartens hatte er dazu genutzt, den Konkurrenten aus Leverkusen den Bremer Verteidiger Sokratis wegzuschnappen, acht Millionen Euro Ablöse erhält der SV Werder, so wurde an Bord kolportiert. Klingt, als hätte der BVB auch auf dem Transfermarkt seinen Stil dem Bayern-Niveau angepasst.

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Auf dem Weg zum Abflug, in der Ferne winkende Fans. "Ich hoffe, dass wir ihnen den Cup präsentieren können", sagt Kapitän Sebastian Kehl, "wenn's einer verdient hat, dann sie."

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