Wechsel von Dennis Schröder:Neue Perspektiven im Dinoland

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Bei den Lakers kam Dennis Schröder von der Bank, in Toronto dürfte er künftig starten - und muss ein junges Team anführen, das zuletzt die Playoffs verfehlte. (Foto: Harry How/Getty Images)

Nach einem Jahr bei den LA Lakers spielt Deutschlands flinkester NBA-Basketballer künftig in Kanada. Das lohnt sich für ihn finanziell, doch sportlich stellen sich einige Fragen.

Von Jonas Beckenkamp

In der vergangenen Woche unternahm Dennis Schröder einen Ausflug von Braunschweig nach München, wo er wichtige Termine hatte. Zweimal besuchte der Basketballer seinen Lieblingsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt in dessen Praxis in der Altstadt. Behandlung an der rechten Achillessehne, "eine ganz kleine Stelle, aber die ist richtig sensibel", erklärte der 29-Jährige seinem Begutachter im Liegen auf der Behandlungsbank.

Dokumentiert ist das alles auf Schröders Youtube-Kanal: die angeblichen Wunderhände des angeblich alterslosen "Mull" (der mit 80 so fantastisch aussieht, dass er jede Abi-Party crashen könnte), die verabreichte Spritze gegen - Schnelldiagnose - "Verklebungen und entzündliche Reizungen", die Erleichterung Schröders nach Eintreten der Wirkung. Es muss sich niemand Sorgen machen, dass der NBA-Mann nicht fit ist, "die Sehne kann nicht reißen", so der Arzt. Aber Schröder wollte eben sicher gehen, und er hat während der langen Sommerpause ja Zeit, die nächsten Partien stehen erst wieder ab dem 24. Oktober an.

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Dann wird einiges anders sein, denn der Nationalspieler muss mit seiner Familie umziehen, er kreiselt künftig sogar in einem anderen Land übers Parkett. Von den Los Angeles Lakers geht es nach Kanada zu den Toronto Raptors - ein Wechsel, der sich aus drei Perspektiven bewerten lässt: aus der finanziellen, der sportlichen und jener, die das deutsche Nationalteam betrifft.

Um Geld muss sich einer wie Schröder nach zehn Jahren in der NBA zwar keine Sorgen mehr machen, aber es wird nach einigen nachteiligen Weisungen in der Vergangenheit eine Rolle gespielt haben. Bei seinem neuen Klub verdient der Spielmacher, der seinen Lifestyle gerne zu Schau stellt, künftig fünfmal so viel wie zuletzt in LA. 26 Millionen Dollar für zwei Jahre, das macht ihn zum Bestverdiener unter den sechs Deutschen in der US-Profiliga (nur Maxi Kleber kommt noch auf ein achtstelliges Jahressalär). Ein deutliches Upgrade also für den Point Guard, der mit den Lakers zuletzt immerhin das Playoff-Halbfinale erreichte und dessen Selbstverständnis eher Richtung höhere Verdienste tendiert. Im vergangenen Jahr musste Schröder sich noch mit einem Minimalgehalt für altgediente Profis zufrieden geben, nachdem ihn schwächere Stationen bei den Houston Rockets und den Boston Celtics die oberen Gehaltsklassen gekostet hatten.

Schröder spielte zuletzt nur mäßig - den Zahlen nach war 2022/2023 eine seiner schwächsten Spielzeiten

"Mir ist schon klar, dass ich da unter Wert gespielt habe", sagte er nach der abgelaufenen Saison dem Sender ESPN, "denn ich bin in der Lage, ein Team zu führen und einem Klub zu Siegen zu verhelfen." Ob er nach einer seiner statistisch gesehen schwächsten Spielzeiten (12,6 Punkte und 4,5 Assists im Schnitt) in Toronto wieder seinen Turbo anwirft, dürfte jedenfalls über die sportliche Bedeutung seines Wechsels entscheiden. Der ist nämlich eher eine Wette auf die Zukunft denn auf die Gegenwart.

Im Dinoland der Raptors heißen seine Mitspieler nicht mehr LeBron James und Anthony Davis, sondern bestenfalls Pascal Siakam und Scottie Barnes. Ersterer, ein Springer, der Schröders Pässe durchaus gut verwerten könnte, steht möglicherweise noch vor dem Weggang - und Barnes ist als bester Rookie der vorvergangenen Saison zwar ein Versprechen, aber er braucht mit 21 Jahren noch Schliff. Fest steht: Schröder wird sich im Norden austoben können, er gilt nach dem Weggang des bisherigen Dirigenten Fred VanVleet beim Meister von 2019 als Stammkraft. Schröders Punkteausbeute dürfte sich verbessern, zudem ergibt sich auf der Trainerposition eine günstige Fügung.

Im Serben Darko Rajakovic, 44, übernimmt zur neuen Saison ein Trainer, den Schröder als Assistenzcoach in seiner Zeit bei den Oklahoma City Thunder (2018 bis 2020) kennen gelernt hat. Ihn umgibt die Aura eines Kreativdirektors, der ein Händchen dafür hat, verborgene Talente aus Profis heraus zu kitzeln und Jungprofis zu entwickeln. Und es gibt eine deutschsprachige Komponente in Kanada: Ins Team kehrt nach fünf Jahren in San Antonio in Jakob Pöltl der einzige Österreicher der NBA zurück. Hinzu kommt mit Klub-Boss Masai Ujiri ein Weitgereister des Basketballs, der einst sogar in Wolfenbüttel, in der Nähe von Schröders Heimat, aktiv war.

Dennis Schröder (2.v.l.), Franz Wagner (li.) und die anderen deutschen Nationalspieler haben große Hoffnungen bei der Basketball-WM, die Ende August beginnt. (Foto: Marius Becker/dpa)

Ujiris Karrierehöhepunkt war zweifelsohne die Meisterschaft vor vier Jahren, nun muss er in Toronto eine Phase des Umbruchs moderieren. Fraglich ist nur, ob er mit Schröder wieder angreifen will - oder ob er noch ein weiteres Jahr ohne Playoffs opfern möchte, um mehr Talente heranzuziehen. In jedem Fall bieten sich Schröder vertragliche Sicherheiten, die er zuletzt nicht hatte. 2021 kosteten ihn ungeklärte Versicherungsfragen gar die Teilnahme an Olympia.

Auch deshalb wird er froh sein, diesmal früh in der Vorbereitung Gewissheit zu haben und sich voll auf den WM-Sommer mit dem Nationalteam konzentrieren zu können. Ab dem 25. August geht es im japanischen Okinawa in Gruppenspielen gegen Japan, Australien und Finnland - die Chancen der DBB-Auswahl stehen mit der NBA-Garde um Kleber, die Wagner-Brüder und Daniel Theis so gut wie nie. Erst recht, wenn Schröder mit genesener Achillessehne anreisen sollte.

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