Bundesliga: FC Bayern - Hamburger SV 6:0:Frustabbau statt Entengang

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Drei Robben-Tore und eine Gala von Ribéry: Beim 6:0 gegen den Hamburger SV spielt der FC Bayern unbeeindruckt von der angekündigten Trennung von Trainer Louis van Gaal. Hamburgs Torwart rastet nach dem Debakel aus.

Michael König

Die Bayern trugen Trauerflor, ein schwarzes Band zum Gedenken an die Opfer der Erdbebenkatastrophe in Japan. Während einer Schweigeminute blickten viele Spieler traurig zu Boden. 90 Minuten später war von Trauer allerdings nichts mehr zu spüren. Zumindest die eigenen, sportlichen Probleme scheinen für den Moment gelöst.

Dreifachtorschütze mit Gratulanten: Arjen Robben (Mitte) jubelt mit Mitspieler Philipp Lahm. Im Hintergrund nippt Louis van Gaal an einem Getränk. (Foto: dapd)

Von einem "Wort-Case-Szenario" hatte Bayern-Manager Christian Nerlinger vor der Partie gesprochen - gemeint war das Verpassen der Qualifikation für die Champions League. Die Wahrscheinlichkeit dieses Falls ist nach dem Spiel gegen den Hamburger SV kleiner geworden: Die Bayern gewannen mit 6:0 und dürfen die Generalprobe für das Achtelfinale gegen Inter Mailand am kommenden Dienstag als gelungen ansehen.

Das nächste Innenverteidiger-Duo

Für Trainer Louis van Gaal war es auch der perfekte Auftakt seiner Abschiedstournee. Unter der Woche hatte er sich mit dem Vorstand darauf geeinigt, zum Saisonende abzutreten, der unterschiedlichen Philosophien wegen. Anschließend betonte der als stur geltende Holländer, er werde "nichts anders machen". Für die Aufstellung im Spiel gegen den HSV bedeutete das die gefühlt 122. Neubesetzung der Innenverteidiger-Positionen: Nachdem Anatolij Timoschtschuk und Holger Badstuber zuletzt die Festigkeit verkochter Nudeln an den Tag gelegt hatten, durften sich Van Buyten und Luiz Gustavo im Abwehrzentrum versuchen.

Zumindest in punkto Aufmerksamkeit war das ein dankbarer Job, denn in der Anfangsoffensive der Bayern, die diesen Namen nicht verdiente, hatten Van Buyten und Gustavo die mit Abstand meisten Ballkontakte. In der eigenen Hälfte wanderte der Ball hin und her, bis er verzweifelt nach vorne gedroschen wurde. Und nach vorne hieß in nicht wenigen Fällen: ins Aus.

Gomez an den Pfosten

Geht so lame-duck-Fußball? Schon möglich, denn auch die Hamburger spielten zunächst so, als würden Torschüsse die Reaktorsicherheit deutscher AKWs beeinträchtigen. Beim HSV ist nach dieser Saison bekanntlich nicht nur der Trainerposten vakant, der Klub sucht auch einen neuen Vorstandschef. Und weil der neue Sportdirektor, der Däne Frank Arnesen, noch nicht im Amt ist, droht sich niemand um die aulaufenden Verträge etlicher Profis zu kümmern.

Die Partie wogte zunächst hin und her; Arjen Robben war damit beschäftigt, sich entweder in der Offensive festzurennen oder lustlos den Hamburgern hinterher zu trotten. Franck Ribéry tat es ihm gleich. Soweit also alles beim Alten beim FC Bayern - die Negativerlebnisse der vergangenen Wochen ließen schön grüßen.

Das änderte sich erst, als Mario Gomez in der 16. Minute zunächst nur knapp mit einem Kopfball scheiterte und dann in der 36. Minute den Pfosten traf. Millisekunden später schoss Thomas Müller an den Querbalken - die Bayern waren jetzt wach, und die Hamburger waren beeindruckt. Das verfestigte sich, als in der 39. Minute Ribéry den Ball zu Robben spitzelte, der entgegen des van Gaalschen Fußballschemas plötzlich auf der linken Seite auftauchte.

FC Bayern: Einzelkritik
:So martialisch wie van Bommel

Mario Gomez agiert wie Kalle Riedle, Jay-Jay Okocha und Frank Mill, Franck Ribéry gibt den Roadrunner auf Speed - und Arjen Robben schafft eine Aktion, die einmal nach ihm benannt werden wird. Die Bayern beim 6:0 gegen den HSV in der Einzelkritik.

Jürgen Schmieder, Fröttmaning

Konsequenterweise nutzte Robben auch den linken Fuß, er legte viel Wucht in seinen Schuss und prügelte den Ball zum 1:0 über die Linie. Der anschließende Torjubel im Stile eines Boxers lässt vermuten, was sich beim Niederländer angestaut hatte. Zum Frustabbau ist Toreschießen ein probates Mittel, und so machte Robben einfach weiter: Ein Freistoß segelte unberührt von den lauernden Mit- und Gegenspielern zum 2:0 ins Netz (47.), beim 3:0 profitierte Robben abermals von einem Zuspiel von Ribéry (55.).

Schließlich war der Franzose selbst an der Reihe: Beim 4:0 (64.) brillierte Ribéry mit einem Lupfer, HSV-Torwart Frank Rost war ohne Chance. Das galt im Übrigen für die komplette Hamburger Mannschaft, die sich in der Anfangsphase noch bemüht hatte, die Taktik der gegen Bayern siegreichen Dortmunder, Schalker und Hannoveraner zu kopieren - die sich in der Schlussphase aber aufgab.

Klose für Gomez

Mario Gomez erzielte diesmal keinen Treffer, ging aber dennoch mit einem Lächeln vom Platz (73.). Für ihn kam der von van Gaal zuletzt ausdauernd verschmähte Miroslav Klose, und schon das war ein schönes Bild dafür, wie unfassbar schwach die Hamburger agierten.

In der 79. Minute schenkte ihnen Thomas Müller das 5:0 ein, und als es kaum noch schlimmer kommen konnte, marschierte Franck Ribéry zur Grundlinie, ließ zwei Gegenspieler stehen und schoss den Nationalspieler Heiko Westermann an, von dessen Bein der Ball zum 6:0 über die Linie sprang (85.).

"Wir können nicht mehr in Ruhe arbeiten"

Ein Eigentor zum Abschluss, auch das war symbolträchtig, und oben auf der Tribüne kam das Bayern-Dreigestirn Hoeneß/Rummenigge/Hopfner aus dem Grinsen kaum noch heraus. Auch van Gaal war nun sehr zufrieden mit der Welt und vor allem mit sich selbst. "Lame duck? Von wegen!" sagte sein Gesichtsausdruck.

Sein Hamburger Pendant Armin Veh sah schon eher aus, als habe man ihm einen Kübel Entengrütze über den ergrauten Schopf gekippt. HSV-Keeper Frank Rost rastete am Fernsehmikrofon raus und kritisierte die Vereinsführung für den Umgang mit den Spielern. "Wir können nicht mehr in Ruhe arbeiten", sagte Rost.

Den Trainer forderte er indirekt auf, ihn aus dem Tor zu nehmen: "Wenn man den Drobny holt, muss man ihn spielen lassen. Ohne Spielchen in der Öffentlichkeit", sagte Rost im Hinblick auf den zu Saisonbeginn von Hertha BSC verpflichteten Ersatzkeeper Jaroslav Drobny. Der HSV sei ein "wankender Riese".

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