Biathlon-WM in Nove Mesto:Stierkämpfe im Flutlicht

Lesezeit: 4 Min.

Wenig Schnee, dafür Flutlicht: Die WM in Nove Mesto wird überwiegend nach Einbruch der Finsternis ausgetragen, was im Biathlon außergewöhnlich ist. (Foto: Jaroslav Svoboda/CTK Photo/Imago)

Bei der Biathlon-WM in Nove Mesto stehen große Duelle an - im Wettbewerb, aber auch mit dem Wetter. Die Loipenbauer müssen den hohen Temperaturen trotzen - zwei deutschen Skijägern könnte diese Wärme gar entgegenkommen.

Von Korbinian Eisenberger, Nove Mesto na Morave

Die Böhmisch-Mährische Höhe ist nicht für ihre Stierkampfarenen bekannt, allein weil es dort keine Stierkampfarenen gibt. Und so machte sich ein Mann namens Johannes Thingnes Bö auf, die Region mit neuen spanischen Einflüssen zu bereichern. Er formte die Hände zu Hörnern und rannte mit gesenktem Kopf auf einen Mann namens Quentin Fillon Maillet zu, der seinerseits den Matador gab. Samt eines zum roten Tuch umfunktionierten Wettkampfleibchens sprang Matador Maillet zur Seite - und entwich dem Bullen Bö.

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Die nicht schmerz-, sondern scherzhafte Szene trug sich unlängst im Ort Nove Mesto na Morave zu, der einem dieser Tage unverhofft spanisch vorkommt. Das ist weniger dem Beweisvideo der beiden Hampelmänner Bö und Fillon Maillet auf Instagram zu verdanken, mehr den fast schon südländischen Temperaturen von acht bis zehn Grad in Nove Mesto. Dies wiederum ist eine Erwähnung wert, weil Nove Mesto nicht in Spanien liegt, sondern in Tschechien. Es sollen dort in den kommenden zwei Wochen eben keine Stierkämpfe abgehalten werden, sondern Biathlonweltmeisterschaften. Also sportliche Wettkämpfe mit Kleinkalibergewehren unter Flutlichtanlagen und vor allem: auf Schnee - und da sind hohe Temperaturen ein rotes Tuch.

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Die gute Nachricht für Fans des Biathlonsports lautet: Sie müssen sich längst nicht so warm anziehen wie bisher in diesem Winter. Allerdings werden zumindest in den ersten Tagen der Wettstreite Wind- und Regenjacken ratsam sein, denn auf der Böhmisch-Mährischen Höhe soll es stürmisch und feucht werden. "Wir beobachten die Wettervorhersage ständig und hoffen auf Besserung in der zweiten WM-Woche", ließ der tschechische Wettkampfleiter Vlastimil Jakes unlängst wissen. In Gefahr seien die insgesamt zwölf Wettbewerbe aber nicht, dafür wird im Biathlon vorgesorgt. "Wir haben noch 50 000 Kubikmeter Schnee im Depot", so Jakes. Plusgrade und Regen erhöhen allerdings das Risiko, dass die Qualität der Loipe im Laufe eines Rennens nachlässt.

Mitfavorit Benedikt Doll feilt zur Vorbereitung an seiner Schusstechnik

Als meist dekorierter Teilnehmer wird der Teilzeitkampfstier Bö in die womöglich pappige oder vom Wind verblasene Spur gehen. Vor einem Jahr bei der WM in Oberhof, da erfüllte Bö die Funktion des Stürmens noch höchstselbst, er war der oder die Windbö(e) von Thüringen, holte sich fünf von sechs möglichen Goldmedaillen bei den Männern - und zieht nun abermals als Führender im Gesamtweltcup favorisiert in die WM-Rennen. Allerdings bei Weitem nicht mit so furchterregender Dominanz wie noch 2023 - und das liegt nicht zuletzt an der Konkurrenz vom Deutschen Skiverband (DSV).

Zuvorderst ist der Schwarzwälder Benedikt Doll zu nennen, der in diesem Winter zwei Sprintrennen gewonnen hat und dabei stark an jenen Benedikt Doll erinnerte, der 2017 WM-Gold im Sprint von Hochfilzen geholt hatte. Bei der diesjährigen WM-Generalprobe in Antholz verfehlte Doll die Scheiben zwar verlässlicher als mancher Schießbudengast nach dem Bierzeltbesuch. Zur Vorbereitung auf die WM habe er deshalb - leicht gehandicapt durch einen Schnupfen - das Training der "technischen Elemente" am Schießstand intensiviert, so Doll. Er wäre nämlich "mal gern wieder bei einer WM-Siegerehrung dabei". Nach der Mixed-Staffel zum WM-Auftakt am Mittwoch wird das allerdings nicht eintreten; die werden Justus Strelow, Philipp Nawrath, Vanessa Voigt und Franziska Preuß bestreiten, wie der DSV am Dienstag mitteilte.

Zu den Medaillenanwärtern dürfte im DSV-Team neben Doll auch Nawrath zählen. Der 30-jährige Allgäuer ist der vielleicht bulligste Athlet von allen - auch er gäbe einen guten Stier ab, hat sich aber für die Skijägerei entschieden und läuft dort die beste Saison seiner Karriere, wie auch Strelow, der beste Schütze im DSV-Team. Johannes Kühn, zuletzt Dritter im Einzel von Antholz, und Roman Rees, Sieger beim Saisonstart im Einzel von Östersund, können an relativ guten Tagen ebenfalls dazu beitragen, die norwegische Phalanx um Johannes Thingnes und dessen Bruder Tarjei Bö zu brechen.

Der Zwist um die Kreditkartenaffäre im französischen Frauenteam könnte in die nächste Runde gehen

Bei den Frauen ist die norwegische Dominanz weniger ausgeprägt, dafür zanken sich hier zwei Französinnen verlässlich um Weltcuppunkte - und auch sonst: Die schier unglaubliche Kreditkartenaffäre um Julia Simon, die von ihrer Teamkollegin Justine Braisaz-Bouchet des Betrugs bezichtigt wurde, geht in Nove Mesto womöglich in die nächste Runde, wenn es mehr wird als die ein oder andere Strafrunde.

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Harmonischer ist die Stimmung im deutschen Frauenteam, in dem sich Franziska Preuß aus Oberbayern und Vanessa Voigt aus Oberhof bisher in diesem Winter am wärmsten für Medaillen empfohlen haben. Voigt hätte die Zielscheiben zuletzt wahrscheinlich auch nach einem ausgiebigen Bierzeltbesuch getroffen, nur in der Loipe lief es bei ihr nicht mehr so rund wie noch Anfang des Winters. Preuß indes hatte mit mehreren Infekten zu kämpfen, "schade, dass ich schon drei Rennen verpasst habe", sagt sie, die sämtliche Erkältungen und Magendarmzwickereien überwunden hat und als Achte im Gesamtweltcup dennoch als beste Deutsche nach Nove Mesto reiste. Die Stimmung der Zuschauer in Nove Mesto habe sie verglichen mit anderen Standorten im Weltcup "mit am meisten positiv in Erinnerung, die feuern einen super gut an", so Preuß. Sie freue sich auf die Flutlichtrennen, die "eine besondere Energie im Stadion erzeugen".

200 000 Gäste werden in den zwei Wochen von Nove Mesto erwartet, regelrecht hitzig geht es dort traditionell zu - und eventuell kommt Preuß und ihrem Kollegen Doll, den beiden von Erkältungen Heimgesuchten, die allgemeine Wärme auf der Böhmisch-Mährischen Höhe ja sogar entgegen.

Das deutsche Aufgebot für die Biathlon-WM 2024:

Frauen:

  • Franziska Preuß (8. im Gesamtweltcup/29 Jahre/SC Haag)
  • Vanessa Voigt (10./26/SV Rotterode)
  • Janina Hettich-Walz (14./27/SC Schönwald)
  • Sophia Schneider (27./26/SV Oberteisendorf)
  • Selina Grotian (44./19/SC Mittenwald)
  • Johanna Puff (80./21/SC Bayrischzell)

Männer:

  • Benedikt Doll (8. im Gesamtweltcup/33 Jahre/SZ Breitnau)
  • Johannes Kühn (9./32/WSV Reit im Winkl)
  • Philipp Nawrath (11./30/SK Nesselwang)
  • Justus Strelow (12./27/SG Stahl Schmiedeberg)
  • Philipp Horn (23./29/SV Frankenhain)
  • Roman Rees (24./30/SV Schauinsland)
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