Biathletin Franziska Preuß:Podest statt Karriereende

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0,1 Sekunden am Sieg vorbei: Franziska Preuß (links) feiert den Podestplatz natürlich trotzdem. (Foto: Anders Wiklund/AFP)

Im Sommer verbrachte Franziska Preuß zwei Monate in Thailand und dachte ans Aufhören - nun gelingt der 29-Jährigen mit dem zweiten Platz im ersten Einzel der Saison ein fulminantes Comeback. Über eine Frau, die sich zurückgekämpft hat.

Von Korbinian Eisenberger

Es sah tatsächlich so aus, als könnte sie es schaffen. 20 von 20 schwedischen Scheiben hatte Biathletin Franziska Preuß getroffen, zwölf Sekunden Vorsprung hatte sie nach dem letzten Schießen auf die bis dato Führende und sehr flott gelaufene Italienerin Lisa Vittozzi. Die war bereits im Ziel, für Preuß begann die Schlussrunde. "Ich hab beim Standausgang die Zeit gehört und wusste, das könnte echt knapp werden", sagte die Oberbayerin später in der ARD. Sie habe sich "noch relativ gut gefühlt, und hab mir gedacht: ned hudeln". Also oberbayrisch für: nicht abhetzen. Vielleicht hätte sie doch ein klein bisschen hudeln sollen.

Erst vor zwei Wochen war Preuß von ihrem Trainer ins Biathlon-Weltcupteam des Deutschen Skiverbands berufen worden. Im ersten Individual-Wettkampf der Saison ist die 29-Jährige nun knapp an ihrem zweiten Weltcupsieg vorbeigeschrammt. Hinter der Ziellinie fehlten 0,1 Sekunden auf Siegerin Vittozzi, der kleinste Abstand, der im 15-Kilometer-Einzel der Frauen gemessen werden kann. Das sei "einerseits ein bisschen ärgerlich", sagte Preuß. Aber: "Woher ich jetzt komme, bin ich super zufrieden."

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Manchmal braucht es für den geringst möglichen Abstand offenbar die große Distanz. Das ist die Geschichte der Biathletin Franziska Preuß, die sich unlängst ernsthaft mit dem Gedanken beschäftigte, auszusteigen. Zwei Monate verbrachte sie in Thailand, ohne Schnee und Wintersport. Die meisten Thailänder wüssten nicht einmal, worum es sich bei Biathlon handle, erzählte Preuß. Tatsächlich habe ihr diese räumliche und emotionale Distanz bei der Entscheidungsfindung geholfen. Macht sie weiter - oder hört sie auf?

Es hatte zuletzt ja ausreichend Anlässe für solche Überlegungen gegeben. Krankheiten und Verletzungen hatten die vielversprechende Karriere von Franziska Preuß in den vergangenen beiden Wintern arg ausgebremst. Ende 2021 stürzte sie auf einer Treppe und verstauchte sich den Fuß, dann machte ihr eine Corona-Erkrankung das Leben schwer. Für die Olympischen Winterspiele in Peking kam sie so gar nicht in Form. Im Jahr darauf wurde es nicht besser, im Gegenteil. Preuß beendete die vergangene Saison wegen anhaltender gesundheitlicher Probleme vorzeitig im Januar und verpasste die Heim-WM in Oberhof. Preuß war ganz unten. Und steht nun wieder ganz oben, fast ganz.

Vor der Saison herrschte Zweifel, ob die Deutschen konkurrenzfähig sind

Simon Schempp habe nach Preuß' Zieleinlauf ins Sofa gebissen, war in der ARD zu erfahren. Das ist eine Erwähnung wert, weil Schempp nicht nur Preuß' Partner ist, sondern selbst als Biathlonprofi unterwegs war - und zuletzt offenbar auch als Biathletinnen-Seelsorger. Ihr Freund sei ihr eine wichtige Stütze gewesen auf dem Weg zurück, erklärte Preuß unlängst. Diese Zeit hat sie offenbar gebraucht sowie Geduld und Durchhaltevermögen, wohl auch wegen der Virusinfektion. Sie hat jedenfalls nicht gehudelt, und das Einzel von Östersund hinterließ Hinweise, dass sie nicht die verkehrteste Strategie gewählt hat, außer vielleicht auf den letzten Metern.

Vor Beginn dieser Wintersport-Saison herrschten in der durchaus Biathlon-affinen deutschen Nation nicht wenige Zweifel ob der Konkurrenzfähigkeit der DSV-Vertreterinnen. Nicht zuletzt, weil die bis dato beste und erfolgreichste deutsche Biathletin der vergangenen Jahre ihre Karriere beendet hatte. Olympiasiegerin und Weltmeisterin Denise Herrmann-Wick hatte in der Vorsaison mit drei Siegen sowie zwei dritten Plätzen sämtliche Weltcup-Einzelpodestplätze bei den Frauen verbucht, drei Medaillen in Oberhof gewonnen und so mitunter auch die Leistungen der anderen kaschiert. Die jüngeren Athletinnen "müssen nun aus dem Schatten treten", hatte sich die einstige Ausnahmeathletin Uschi Disl im SZ-Interview gewünscht. Am Sonntag in Östersund wirkte es, als hätten ihre Nachfolgerinnen sie erhört.

Sophia Schneider schießt einen Fehler - es wäre sonst wohl der Sieg gewesen

Natürlich ist Preuß und ihre regelrechte Wiederauferstehung die Geschichte dieses Wochenendes von Östersund. Das Fraueneinzel am Sonntag hinterließ aber auch Indizien, dass sich auch andere deutsche Biathletinnen offenbar in ungeahnter Frühform befinden. Das überraschte gar Cheftrainer Kristian Mehringer, er habe diese Teamperformance "so nicht erwartet": Vanessa Voigt gelangen wie Preuß als eine von vier der 101 gestarteten Athletinnen vier fehlerlose Schießeinheiten, was der Thüringerin am Ende bei 10,1 Sekunden Rückstand Platz drei einbrachte. Schnellste DSV-Starterin in der Loipe war die Chiemgauerin Sophia Schneider (1 Fehler/+ 1:01,0 Minuten). Wäre ihr nicht im letzten Schießen stehend ein Schuss entwichen, hätte sie das Rennen womöglich gar gewonnen und ihren ersten Weltcupsieg geholt. Immerhin: Wie ihren beiden Teamkolleginnen glückte ihr im ersten Rennen sogleich die WM-Norm.

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