Biathlon in Ruhpolding:Julia wer?

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18 Jahre alt, zehn fehlerfreie Schüsse, Rang 15: Julia Tannheimer beim 7,5-km-Sprint von Ruhpolding am Schießstand. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

"Ich bin aufgeregter vorm Interview, als ich vor dem Rennen war": Eine 18-jährige Biathletin aus Ulm macht beim Weltcup in Ruhpolding mit einem beachtlichen Debüt auf sich aufmerksam.

Von Korbinian Eisenberger, Ruhpolding

Christl Lechner aus Ruhpolding ist die Nachbarin des Biathleten Philipp Nawrath. Überhaupt ist Christl Lechner eng verbunden mit dem Biathlonsport, sie organisiert Maskottchen-Tänzerinnen, die etwa bei der Siegerehrung der Weltcup-Staffelrennen am Donnerstagabend auftraten. Christl Lechner weiß also gut Bescheid, doch alles weiß auch sie nicht. Als der Sieger Tarjei Bö am Donnerstag auf dem Stockerl wissen ließ, dass Philipp Nawrath "jetzt eine norwegische Freundin" habe, da schaute sogar Christl Lechner überrascht aus ihrem Skianzug hervor. Und Bö? Der hatte sich selbst eine Vorlage für einen Seitenhieb geliefert. Er gehe davon aus, dass Nawrath also gute Gründe habe, nächste Saison für Norwegen zu starten. Das war eventuell nicht ganz ernst gemeint, ehe Bö in die Ruhpoldinger Nacht hinausrief: "Ihr werdet uns Norweger nie einholen." Das wiederum klang bedenklich ernst gemeint.

Beim deutschen Heimweltcup in Ruhpolding bahnen sich schon wieder norwegische Festspiele an. Das liegt einerseits an den trinkfesten und gut verkleideten skandinavischen Gästen, vor allem aber an Norwegens Skijägern. Die Halbzeitbilanz in Oberbayern spricht vor allem bei den Männern und nach Freitag auch aus Frauensicht für das norwegische Team. In der Staffel gelang am Donnerstag auch ohne Dominator Johannes Thingnes Bö ein deutlicher Sieg vor dem deutschen Team und Italien. Am Freitag ging der Sieg an Ingrid Landmark Tandrevold, lediglich bei der Staffel der Frauen zum Auftakt hatte Frankreich vor Schweden und Deutschland gesiegt.

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Die sportliche Geschichte aus deutscher Sicht prägte in Ruhpolding eine Athletin namens Julia Tannheimer. Julia wer? Nun, am Freitagnachmittag kam es tatsächlich zum Weltcupdebüt einer 18 Jahre jungen Frau aus Ulm, die zuletzt im unterklassigen IBU-Cup angetreten war und sich für die Liga der Branchenführerinnen empfohlen hatte. In Ruhpolding bekam sie nun im 7,5-Kilometer-Sprint die Chance und schaffte es durch zwei fehlerfreie Schießeinlagen und eine solide Laufleistung sofort unter die besten 15 (was laut Kriterien des deutschen Skiverbands der halben Norm für die Weltmeisterschaft in Nove Mesto entspricht). Als beste Deutsche kam Janina Hettich-Walz auf Rang sechs ins Ziel. Franziska Preuß stand indes im Wortsinn kurz davor, die norwegische Dominanz zu durchbrechen.

Eine "Gratwanderung, dass man das Publikum positiv mitnimmt, oder man setzt sich unter Druck"

Preuß lag nach dem Liegendschießen in Führung und ging mit der Gelegenheit, dieses Rennen zu gewinnen, ins entscheidende Stehendschießen. Es wäre der erste Biathlon-Sieg einer deutschen Frau seit Denise Herrmann-Wicks WM-Sprint-Erfolg vor einem knappen Jahr gewesen. Und so kam es, dass die Anhänger dieser Sportart im Stadion entsprechend Dampf machten. Dreimal hatten sie bereits Treffer von Preuß bejubelt, zwei Scheiben musste sie noch treffen. Doch dann schoss Preuß daneben, erst ein Mal, dann noch mal. Zu viel Risiko? "Vielleicht habe ich mich ein bisschen dazu verleiten lassen", erklärte Preuß nach dem Rennen. Die Zuschauer sind in Ruhpolding ja lauter und den Athleten näher als sonst wo. Es sei eine "Gratwanderung, dass man das Publikum positiv mitnimmt, oder man setzt sich unter Druck".

Wie sehr das Publikum mit seinem Lärm tatsächlich Einfluss auf das Rennen nehmen kann, ließ Julia Tannheimer alsbald wissen, die nach ihrer Premiere im ZDF gleich ins TV-Mikro sprach. "Ich bin aufgeregter vorm Interview, als ich vor dem Rennen war", sagte sie mit einem Strahlen im Gesicht, das erahnen ließ, dass die Kulissen im IBU-Cup eventuell weniger spektakulär angelegt sind. "Das war echt super, vor allem die Fans", sagte Tannheimer. "Ich bin viel zu schnell losgerannt, weil ich so angefeuert wurde." Für sie wirkte sich das alles offenbar inspirierend aus. "Mich hat das voll gepusht, dass die Fans da immer mitgejubelt haben."

Für Tannheimer, Preuß, Hettich-Walz und die anderen Biathletinnen geht es am Sonntag (12.30 Uhr) ins Verfolgungsfinale. Nawrath und seine Teamkollegen sind am Samstag (14.30 Uhr) und Sonntag (14.45 Uhr) im Einsatz, und eventuell auch wieder Nawraths Nachbarin Christl Lechner.

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