Benedikt Doll gewinnt in Lenzerheide:"Die haben gesagt, ohne Sieg von mir kommen sie nicht her"

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Vier deutsche Biathleten unter den besten Sechs, das gab es lange nicht, und ganz vorn in Lenzerheide landete Benedikt Doll. (Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Benedikt Doll gewinnt in Lenzerheide vor den Augen seiner Frau und den Schwiegereltern. Das deutsche Biathlon-Team zeigt eine historische Leistung - doch am Samstag schlägt Norwegen zurück.

Von Korbinian Eisenberger

Der Druck, den der Biathlet Benedikt Doll am Freitagnachmittag verspürte, muss besonders groß gewesen sein. Oder war es mehr ein Motivationsschub der anderen Art? "Meine Schwiegereltern und meine Frau sind gekommen", erklärte der Schwarzwälder nach seinem Zieleinlauf im ZDF. "Die haben gesagt, ohne einen Sieg von mir kommen sie nicht her."

Und so sah sich der 33-Jährige bei der Biathlon-Premiere in der Lenzerheide offenbar genötigt, sämtliche Konkurrenz hinter sich zu lassen, zehn von zehn Zielscheiben zu versenken und den Zehn-Kilometer-Sprint zu gewinnen. Am Ende lag Doll 5,4 Sekunden vor dem einstigen Alleindominator Johannes Thingnes Bö aus Norwegen - und 36,8 Sekunden vor einem Mann, der mit Beginn dieser Biathlonsaison offenkundig neue Kräfte in sich entdeckte: der Allgäuer Philipp Nawrath.

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Nach dem Wochenende von Hochfilzen waren nicht ganz unberechtigte Zweifel ob der neuerlichen Stärke des deutschen Biathlon-Teams aufgekommen. Der erste Auftritt der Männer des deutschen Skiverbands (DSV) in Lenzerheide (wo 2025 die übernächste Biathlon-Weltmeisterschaft stattfinden wird) erinnerte nun auffällig an den Saisonstart in Östersund, mehr noch: Platz eins, drei, vier und sechs belegten die DSV-Skijäger - ein historisch gutes Ergebnis aus deutscher Sicht.

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Philipp Horn gelang bei seiner Saisonpremiere als Vierter sein bestes Karriereresultat. Dass er das Podium bei einer Strafrunde nur um 2,3 Sekunden verpasste? Nicht sein Thema nach diesem Rennen. "Ich kann es nicht fassen, dass ich so eine Leistung im Weltcup abgerufen habe", erklärte Horn. Vor dem Winter hatte er noch die Qualifikation fürs Weltcupteam verpasst und sich über den zweitklassigen IBU Cup zurückgekämpft. Johannes Kühn (eine Strafrunde, 44,3 Sekunden Rückstand) rundete als Sechster das deutsche Teamresultat ab. Die Ausgangsposition für das Verfolgungsrennen über 12,5 Kilometer am Samstag (14.40 Uhr, ZDF und Eurosport) könnte schlechter sein. "Da können wir uns absprechen, wie wir uns zusammentun", sagte Nawrath. Am Sonntag steht dann der erste Massenstart des Winters an.

Warum gelingen den DSV-Männern im schwedischen Östersund und nun in der Schweiz so starke Leistungen, wohingegen in Hochfilzen in Tirol unlängst die Norweger alles dominierten? Die Temperaturunterschiede und möglicherweise Zusammenhänge zu Stärken und Schwächen des DSV-Skiwachses alleine dürften nach dem Sprintrennen vom Freitag nicht mehr als alleinige Erklärung herhalten. In Lenzerheide war es am Freitag ähnlich warm wie in den Tagen von Hochfilzen. Eventuell erwischten die DSV-Ski-Präparatoren aber dennoch eine flottere Mischung. "Auf der Strecke hatten wir richtig, richtig gute Ski", erzählte Doll. Auf Sturla Holm Laegreid habe er "so easy" Zeit rausgeholt, "das ist nicht so üblich". Zudem profitierte er von einem Schießfehler Bös, andernfalls hätte wohl der Norweger gewonnen. Laegreid, ebenfalls ein Fehlschuss, wurde Vierter.

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Bei der Verfolgung am Samstag wussten die deutschen Männer nun weniger zu überzeugen. Doll büßte seine Führung gleich beim ersten Schießen ein, und auch seine Teamkollegen hatten nun in der Höhe von Lenzerheide, das auf knapp 1500 Metern liegt, ihre Schwierigkeiten. Am Ende war die deutsche Neuentdeckung Horn als Rangsiebter der beste DSV-Athlet. Kühn wurde Neunter, Justus Strelow, am Freitag noch 18., schob sich mit einer Aufholjagd und nur einem Schießfehler auf Rang zehn vor, Doll wurde 17., Nawrath 18. Und die Norweger schlugen abermals zurück, und wie: Johannes Thingnes Bö siegte vor zwei Mannschaftskollegen, Endre Stromsheim wurde Zweiter, Laegreid Dritter.

So ließt sich der Gesamtweltcup aus norwegischer Sicht mehr als ansehnlich: Es führt Tarjei Bö (317 Punkte) vor Johannes Thingnes Bö vor vier weiteren Norwegern. Nawrath liegt als Sechster in nächster Reichweite, Doll (242) ist Achter.

Die Erklärung zur wiedererstarkten DSV-Mannschaft führt bei all dem nicht zuletzt über die neuerliche Treffsicherheit. "Wir haben sehr, sehr gut geschossen", bilanzierte etwa Doll. "Stehend hab' ich beim Schießen schon gewusst, das wird sicherlich eine Null." Die Familie werde nach der erfüllten - wenngleich nicht restlos ernst gemeinten - Erfolgsforderung jedenfalls zum Kaffee und Kuchen zusammenkommen: "Mit selbst gebackenen Plätzchen."

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