Bayern nach dem Sieg gegen Basel:Mir san fast wieder wer

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Zwei Spiele mit je sieben Toren haben beim FC Bayern zu einem radikalen Stimmungswechsel geführt. Eine solches Hoch kann einen Verein, eine Mannschaft weit tragen. Doch wie erfolgreich die Bayern in den kommenden Wochen sein werden, liegt nicht allein in ihrer Hand.

Thomas Hummel

Die Haupttribüne der Münchner Arena ist ein guter Seismograph für den Zustand des FC Bayern. Hier trifft sich die A- bis D-Prominenz der Stadt, man will gesehen werden und sich in der Halbzeitpause vom Prosecco anregen lassen. Bleiben die meisten Sitze bis zur 55. Minute leer, ist das ein Indiz dafür, dass es gerade Oktober ist und der FC Bayern sowieso gewinnt.

Pressestimmen zum Sieg der Münchner
:"Bayern atomisiert Basel"

Auch in der internationalen Presse wird der beeindruckende Erfolg der Bayern gegen Basel gebührend gewürdigt. Während für die Schweizer der "Traum aus" ist, erhebt ein spanisches Blatt den Rekordmeister zum Titelfavoriten. In Frankreich packt man derweil gewohnt sprachfertig anschauliche Metaphern aus.

Die Stimmen im Überblick.

An diesem Dienstagabend im März aber, da verriet schon die Dichte der filmenden Smartphones beim Einlauf der Mannschaften, dass es heute wirklich um etwas geht. Der Fokus des Interesses lag auf dem Platz und nicht zwei Sitzreihen weiter vorne - dort, wo diese Blonde sitzt, na, wie heißt sie gleich, du weißt schon.

Ein Ausscheiden im Champions-League-Achtelfinale gegen den kleinen FC Basel aus der kleinen Schweiz? Das hätte das Selbstverständnis der stolzen Münchner Gemeinde arg durchgerüttelt. Also schepperten sogar die Schlipsträger mit den bereitgelegten Klatsch-Verstärkern, auf denen natürlich das Vereinsmotto "Mia san Mia" stand.

Selten wurde eine allgemeine Verunsicherung derart weggespielt wie gegen die armen Basler. 7:0! Schon am Samstag musste Hoffenheim sieben Tore verkraften. Und das nach dieser Krise: Abrutschen auf Platz zwei in der Bundesliga, Niederlage in Basel, Ego-Debatten und sogar Zweifel am Trainer und "Freund des Vereins" Jupp Heynckes.

Obwohl in der Halbzeitpause beim Stand von 3:0 das Weiterkommen schon beschlossene Sache war, verschmähten die meisten Logenbesucher das zweite Glas Prosecco. Mehrfach standen die Haupttribünler auf, weil auch sie diesmal gerne Bayern waren ("Steht auf, wenn ihr Bayern seid!"). Thomas Müller, Franck Ribéry und Arjen Robben wurden bei ihren Auswechslungen gefeiert wie einst Franz Josef Strauß beim Einzug in die Passauer Nibelungenhalle.

Die Anhänger des FC Bayern, die bei Misserfolg gerne schimpfen wie die Marktfrauen bei Föhn, vereinigten sich zur mannschaftlichen Geschlossenheit und beglückten sich an der Wiederauferstehung ihres Klubs. Eine solche Stimmung kann einen Verein, eine Mannschaft weit tragen. Zuletzt erfuhr das der FC Bayern im Dezember 2009, als Trainer Louis van Gaal fast schon gefeuert war und dann ein 4:1 bei Juventus Turin die Gemütslage kippen ließ. Das Ergebnis war ein rauschhafter Frühling mit dem Double und dem Einzug ins Finale der Champions League.

Der Erfolg macht viele Dinge leicht, die vorher schwer waren: Plötzlich sprintet Franck Ribéry nach hinten so schnell wie nach vorne, plötzlich verwringt sich der schwere Körper von Mario Gomez beim Torschuss voller Leichtigkeit, plötzlich steht Jérôme Boateng an den richtigen Stellen. Die Spieler spüren, dass sie gemeinsam viel erreichen können, selbst die größten Egoisten ordnen sich ein.

In dieser Gemengelage wird der FC Bayern am Wochenende von Hertha BSC Berlin schwerlich zu stoppen sein. Doch bei allem Respekt: Hertha kann nicht der Maßstab sein für diese Mannschaft. Was dem FC Bayern 2012 seltsamerweise noch fehlt, ist die Überzeugung und Gewissheit, auch enge Spiele gegen einen gleichwertigen Gegner am Ende gewinnen zu werden. Und sei es durch ein Stolpertor in der Nachspielzeit.

Der Hauptbestandteil des Mia-san-Mia-Mythos muss noch wiedergefunden werden. Nicht jede Mannschaft wird sich derart abschießen lassen wie Hoffenheim und Basel. Auch deshalb wäre es den Münchnern wohl sehr recht, würden ihnen am Freitag bei der Auslosung zum Viertelfinale der Champions League die "Topfavoriten und besten Mannschaften" (Kapitän Philipp Lahm) erspart bleiben. Ist Bayern nun auf Augenhöhe mit Real Madrid und Barcelona? Die Antwort des Präsidenten Uli Hoeneß: "Nein!"

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Andreas Burkert und Claudio Catuogno, Fröttmaning

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