1:0 des FC Bayern gegen Augsburg:Tendenz zum Schongang

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Konnte sich Kritik an Leroy Sané nach dem Spiel nicht verkneifen: Bayern-Trainer Julian Nagelsmann (rechts). (Foto: Lukas Barth/Reuters)

Der FC Bayern zeigt gegen Augsburg eine schwache erste Halbzeit, berappelt sich spät und profitiert von einem unglücklichen Handspiel. Trainer Nagelsmann lobt zwei Einwechselspieler - und äußert sich zur Auswechslung von Sané.

Aus dem Stadion von Andreas Liebmann

Es stand tatsächlich weit und breit kein Chinese auf dem Feld, man konnte das in der Halbzeitpause der Partie des FC Bayern gegen den FC Augsburg am Samstag schnell noch mal auf dem Aufstellungsbogen überprüfen. Der Sportreporter Werner Hansch war es, der einst an der Aussagekraft mancher Statistik mit den berühmten Worten zweifelte: "Nach der Statistik ist jeder vierte Mensch ein Chinese, aber hier spielt kein Chinese mit." Und Skepsis ist berechtigt. Vor dem bayerischen Derby sagten die Zahlen nämlich, dass hier die Bundesligateams mit den meisten Sprints pro Spiel aufeinandertrafen, 253 (Bayern) zu 250 (Augsburg). Hochgeschwindigkeitsfußball hatte das also versprochen, rasant die Außenbahnen rauf und runter. Zur Pause war dann wohl ein ehrfurchtsvoller Gruß an den Sportkameraden Hansch angebracht.

Denn beim bis dahin gezeigten Tempo speziell der Münchner konnte Trainer Julian Nagelsmann froh sein, dass sich zumindest die Schneeschauer des Vormittags über Bayern rechtzeitig verzogen hatten - nicht dass sich da noch jemand verkühlte vor dem Champions-League-Rückspiel gegen Villarreal am Dienstag. Auf den späteren 1:0 (0:0)-Sieg deutete reichlich wenig hin. Keinen einzigen Schuss aufs Tor hatten die Gastgeber in 45 Minuten zustande gebracht. Taktisch sei vieles gar nicht mal so verkehrt gewesen, aber eben zu langsam, wie Nagelsmann später urteilte. Er sagte aber auch: "Wir sind in einer Saisonphase, wo es nicht um Glamour geht, sondern um Punkte."

FC Bayern in der Einzelkritik
:Kimmich knallt einen ans Gebälk

Der Dirigent wird während der Partie immer besser, Robert Lewandowski ärgert sich erst und entscheidet dann das Spiel und Benjamin Pavard zeigt Hereingaben aller Art. Die Bayern in der Einzelkritik.

Von Jonas Beckenkamp

Von Glanz war dieses Spiel in der Tat weit weg. Augsburg verteidigte gut und war sogar das bessere Team: In höchster Not klärte Münchens Innenverteidiger Dayot Upamecano nach einem Patzer seines Nebenmanns Tanguy Nianzou gegen den einschussbereiten André Hahn, und Augsburgs Daniel Caligiuri brauchte einsam im Strafraum einfach zu lange zum Abschluss, weshalb sein Versuch dann doch noch geblockt wurde. Nach einer halben Stunde riefen die Augsburger Fans in die Stille der erstmals seit vergangenem November ausverkauften Münchner Arena hinein: "Hier regiert der FCA!"

Was dann in der Kabine der Bayern passiert war? Es sei nicht direkt laut geworden, sagte Nagelsmann später, aber einige Dinge habe er doch sehr klar angesprochen.

Vor der Partie hatte der Bayern-Trainer zunächst noch etwas ganz anderes zu erledigen gehabt. Er entschuldigte sich für seine Kritik am SC Freiburg, die er einige Tage zuvor geäußert hatte wegen dessen Einspruchs gegen die Wertung des 4:1-Bayern-Sieges im Breisgau, bei dem für einige Sekunden ein Münchner Spieler zu viel auf dem Platz gestanden hatte. Er habe die Dimension der ganzen Rechtsthematik "nicht begriffen", räumte Nagelsmann offen ein, deshalb habe er mit seinen Äußerungen "einen Fehler gemacht" und auch Freiburgs Trainer Christian Streich schon eine entschuldigende Nachricht zukommen lassen.

Seine avisierte Aufstellung geriet Nagelsmann vor der Partie etwas durcheinander, weil die für die Startelf vorgesehenen Verteidiger Niklas Süle (leichtes Fieber) und Lucas Hernandez (Oberschenkelprellung) ausfielen. Das hatte allerdings wenig mit der fehlenden Intensität zu tun, die die Münchner dann zunächst zeigten. Zwischen den Optionen Wiedergutmachung für die 0:1-Niederlage in Villarreal und Schonung fürs Rückspiel hatten sie sich wohl unbewusst doch zu sehr für Letzteres entschieden.

Nach der Pause jedenfalls kehrten die Bayern mit einer anderen Einstellung, einer anderen Körpersprache zurück. Plötzlich war Schwung in ihren Aktionen, die zuvor so kompakten Augsburger um Mittelfeldaufräumer Niklas Dorsch bekamen nun doch Probleme, und das nicht nur, weil zur Pause Jamal Musiala für Serge Gnabry kam und kurz danach Marcel Sabitzer und Davies für Leon Goretzka und Omar Richards eingewechselt wurden.

Sané verlässt den Platz sichtlich frustriert

Außerdem kam Kingsley Coman für Leroy Sané und der war sauer - über die Auswechslung, die eigene Leistung oder über beides. Auch ihm sei "aufgefallen, dass der Handshake schon mal anders ausgefallen ist, weniger frustriert", sagte Nagelsmann über die Szene in der 64. Minute, aber: "Ich bin nicht sauer, da müssen wir keine Schlagzeile draus machen." Was vermutlich dazu führt, dass doch eine draus gemacht wird, weil der Trainer auch kritische Worte zu seinem Dribbler verlieren musste. "Dass er besser spielen kann als in den letzten zwei Spielen, weiß er - und das wird er auch."

Nach den Wechseln geriet die Partie mehr und mehr zum Duell der Bayern gegen die Uhr - und gegen Augsburgs Keeper Rafal Gikiewicz. Der wehrte gleich nach Wiederanpfiff einen Kopfball Robert Lewandowskis ab, ähnlich spektakulär fischte er später einen leicht abgefälschten Schuss Joshua Kimmichs aus dem Eck, er warf sich vor die Füße des heranstürmenden Lewandowski, Musiala schoss knapp links, Coman knapp rechts vorbei. Und wenn, ja wenn es dann nicht einen späten Handelfmeter für die Bayern gegeben hätte, "wir hätten sehr gute Chancen gehabt, hier einen Punkt mitzunehmen", wusste Augsburgs Trainer Markus Weinzierl.

Weinzierl trauert den Chancen nach

Reece Oxford hatte nach einem Kopfball Lewandowskis die Hand am Ball, "unglücklich" und "bitter", fand Weinzierl, "aber man kann den schon geben". Robert Lewandowski ließ sich die Chance zum Siegtreffer aus elf Metern nicht entgehen (82.), und Weinzierl trauerte noch einmal den verpassten Gelegenheiten der ersten Hälfte nach. "Wenn du nicht schießt, wirst du kein Tor erzielen", fasste er die Zögerlichkeit in einigen Abschlusssituationen zusammen. Dann habe der Gegner eben "brutale Schnelligkeit und Qualität" eingewechselt.

Nagelsmann hob vor allem Sabitzer und Coman hervor, deren Hereinnahmen den Münchnern letztlich die Punkte gerettet hätten. Sabitzer habe gar sein bislang bestes Spiel für die Münchner gezeigt. Am Ende stand dann ein glücklicher Sieg - der für Joshua Kimmich der 150., für Thomas Müller sogar der 300. in der Bundesliga war, was vor ihm noch kein Feldspieler geschafft hat. Dies noch für Freunde der Statistik.

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